DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Für den Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall haben sich die Geschäfte zuletzt stark gegensätzlich entwickelt. Während die Rüstungssparte weiter brummt und erst Anfang der Woche einen milliardenschweren Auftrag an Land zog, befindet sich die Automotive-Sparte vor allem durch die Coronavirus-Pandemie in schwierigem Fahrwasser. Auch wegen hoher Abschreibungen in dem Segment rutschte der Gesamtkonzern im zweiten Quartal sogar tief in die roten Zahlen. Vorstandschef Armin Papperger will nun gegensteuern. Was beim Unternehmen los ist, wie Analysten die weiteren Aussichten einschätzen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI RHEINMETALL:

Unterschiedlicher könnte die Lage bei den Düsseldorfern kaum sein. Die Rüstungssparte profitierte zuletzt von einer anhaltend guten Nachfrage nach Waffensystemen, Munition sowie Fahrzeugen. Weil auch die Aussichten positiv sind, wurde der Rheinmetall-Vorstand bei seiner Prognose für das Rüstungsgeschäft Anfang August leicht optimistischer.

Dagegen machten eine Autoflaute, die durch den coronabedingten Nachfrageeinbruch noch verstärkt wurde, sowie die Produktionsunterbrechungen bei Autobauern der Autozuliefer-Sparte schwer zu schaffen. Rheinmetall fertigt unter anderem Kolben, Pumpen und Ventile für Autos, aber auch Teile für Kältemittelkreislauf- und Abgassysteme. Für die arg gebeutelte Sparte sei eine verlässliche Prognose wegen der anhaltenden Unsicherheiten weiter nicht möglich, hieß es.

Ganz anders dagegen in der Rüstung, die nicht nur bei den Erlösen und beim operativen Ergebnis, sondern auch beim Auftragseingang klar zulegte. Und hier gibt es weiteren Grund zu Freude: Der Konzern soll nun auch für Ungarn Schützenpanzer bauen. Demnach sollen beide Seiten ein gemeinsames Unternehmen und eine Fertigungsstätte für die modernsten Lynx-Schützenpanzer in Ungarn gründen. Das Auftragsvolumen belaufe sich auf mehr als zwei Milliarden Euro, hieß es.

Rheinmetall-Chef Papperger bezeichnete die Sparte denn auch als "Stabilitätsanker in der Krise". Die Lage in der Autozulieferung sei allerdings weiterhin sehr schwierig. Gleichwohl will der MDax-Konzern in den kommenden Monaten alles daran setzen, dort beim operativen Jahresergebnis so nah wie möglich an die Gewinnschwelle heranzukommen. In den Folgejahren soll sich das Geschäft dann wieder positiv entwickeln, erklärte der Manager.

Wegen der auch perspektivisch komplizierten Lage in der Autoindustrie prüft Rheinmetall jetzt strategische Optionen für seine Autozulieferer-Sparte, machte dazu aber keine weiteren Angaben. Im laufenden dritten Quartal erwartet der Vorstand in diesem Zusammenhang Rückstellungen in Höhe von 40 Millionen Euro.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Seit der Vorlage der Zahlen für das zweite Quartal haben sich sieben der im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten näher mit Rheinmetall befasst. Ihr Votum ist klar positiv. Die Mehrzahl der Analysten attestiert dem Konzern trotz der aktuellen Schwierigkeiten in der Automotive-Sparte noch einiges Aufwärtspotenzial. Gleich fünfmal sprechen sie eine Kauf-Empfehlung aus, zweimal lautet der Rat, die Papiere zu halten und die weiteren Entwicklungen bei Rheinmetall genau im Auge zu behalten. Für den Verkauf der Aktie spricht sich niemand aus.

Mit 111 Euro hat die US-Investmentbank Goldman Sachs das höchste Kursziel auf dem Zettel. Analyst Chris Hallam hält den Jahresausblick des Managements für vorsichtig und rechnet mit positiven Überraschungen in der Rüstungssparte. Während Sven Weier von der Schweizer Großbank UBS mit einem Kursziel von 109 Euro nur knapp unter dem Wert von Goldman Sachs liegt und die Prognose für den Rüstungsbereich im Rahmen der Erwartungen sieht, gibt sich das Analysehaus Warburg Research insgesamt optimistisch. Das Gesamtbild von Rheinmetall sei besser als von ihm gedacht, urteilte Experte Christian Cohrs. Das Autozuliefergeschäft sei nicht so schwach wie befürchtet, und das Aufwärtspotenzial der Aktien attraktiv.

Vorsichtiger äußerte sich die Privatbank Berenberg. Zwar habe das erste Halbjahr des Konzerns den vorab veröffentlichten Daten entsprochen, schrieb Analyst Andrew Gollan. Doch bei der Autozulieferung sei wegen der anhaltenden Unsicherheit Vorsicht geboten. Noch skeptischer zeigte sich NordLB-Analyst Frank Schwope, der mit einem Kursziel von 75 Euro den niedrigsten Wert erwartet. Rheinmetall sei vor Zinsen und Steuern infolge der Corona-Pandemie tief in die roten Zahlen gerutscht, obwohl die Rüstungssparte deutlich gewachsen sei.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Der Crash an den Finanzmärkten infolge der Corona-Krise hinterließ auch bei der Rheinmetall-Aktie deutliche Spuren. Kostete das Papier Mitte Februar noch rund 100 Euro, ging es anschließend binnen weniger Wochen in den Keller. Mitte März kosteten die Titel nur noch etwas mehr als 43 Euro. Damit hatte sich ihr Wert innerhalb von nur gut einem Monat mehr als halbiert.

Seither ging es trotz kleinerer zwischenzeitlicher Rücksetzer bergauf. Ende Juli kostete eine Rheinmetall-Aktie zwischenzeitlich wieder gut 88 Euro und somit mehr als das Doppelte im Vergleich zum Corona-Crashtief. Die Zahlen zum zweiten Quartal bremsten die Erholung dann aber aus. Zuletzt kostete ein Anteilsschein rund 78 Euro.

Im laufenden Jahr haben die Titel im Zuge der Marktturbulenzen fast ein Viertel an Wert verloren. Deutlich positiv sieht es auf längere Sicht aus: Seit dem Zwischentief gegen Ende 2014 haben sie um mehr als das Zweieinhalbfache zugelegt. Vom zwischenzeitlich erreichten Rekordhoch von 119,35 Euro aus dem April 2018 ist die Aktie momentan allerdings noch weit entfernt.

In Sachen Börsenwert kommt Rheinmetall derzeit auf eine Marktkapitalisierung von rund 3,4 Milliarden Euro, was ein Platz im hinteren Drittel des MDax bedeutet./eas/stw/mis