BERLIN (Dow Jones)--Nach der Debatte um die ökologische Einordnung der Atom- und Gasenergiewirtschaft bahnt sich in der Ampelkoalition ein Konflikt zwischen Grünen und FDP in der Frage an, wie die Rüstungsindustrie in der künftigen sozialen Taxonomie einzuordnen ist. "Dass die Rüstungsindustrie nach den erweiterten Kriterien der EU-Kommission einen sozialen Nachhaltigkeitsstempel bekommt, ist für mich nicht vorstellbar", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Lisa Paus, der Wirtschaftswoche. Rüstungsunternehmen als besonders soziale Finanzanlage anzupreisen, würde ein solches Gütesiegel ad absurdum führen und Anleger und Anlegerinnen vollends verwirren, erklärt die für Wirtschaft und Soziales zuständige Fraktionsvize Paus.

Im Gegensatz dazu warnt die FDP vor einer pauschalen Einteilung von Verteidigungsgütern als sozial schädlich oder neutral bei der Taxonomie. Die Folge wäre "der massive Entzug von Kapital und potenziell die Demontage europäischer Verteidigungsunternehmen", sagte der rüstungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Alexander Müller, der Wirtschaftswoche. Das würde gerade mit Blick auf die aktuellen russischen Drohungen "wiederum eine enorme Schwächung von Europa zur Folge haben, was mir nicht als sozial nachhaltig einleuchtet".

Bereits jetzt beklagen viele Rüstungsunternehmen wie der Gewehrhersteller Heckler & Koch, dass Banken oder Versicherungen ihnen die Geschäftsbeziehungen kappen. "Fast alle unsere Mitglieder berichten, dass sie die nötigen Finanzierungen nur schwer oder zunehmend auch gar nicht mehr bekommen", sagte Armin Papperger, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) und im Hauptberuf Vorstandschef der Düsseldorfer Rheinmetall, der Wirtschaftswoche.

Für die Taxonomie als Teil der Finanzmarktregulierung ist innerhalb der Bundesregierung Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) federführend zuständig. Zur Frage einer Einstufung der Rüstungsindustrie in der Taxonomie teilte das Ministerium auf Anfrage der Wirtschaftswoche mit, dass es in der bisherigen (rein ökologischen) Taxonomie keine Kriterien gebe. Eine mögliche soziale Taxonomie werde derzeit auf europäischer Ebene diskutiert.

Unterdessen fordere der Branchenverband BDSV von der Bundesregierung, sich für die Rüstungswirtschaft einzusetzen. Die Regierung müsse in der EU darauf drängen, "dass alles, was unseren Streitkräften und Sicherheitsorganen die Erfüllung ihrer Aufgaben erst ermöglicht, unmissverständlich als Beitrag zur Nachhaltigkeit verankert wird", zitiert die Wirtschaftswoche den BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien.

Auch der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Florian Hahn, fordere die Bundesregierung auf, Unternehmen der wehrtechnischen Industrie als "nachhaltig" zu klassifizieren, so die Zeitung weiter. Hahn weisteauf die Bedeutung der Taxonomie hin, die über eine günstige Finanzierung entscheide. Dies sei gerade in der wehrtechnischen Industrie mit ihren kostenintensiven Entwicklungsvorhaben wichtig.

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January 23, 2022 22:00 ET (03:00 GMT)