HANNOVER (dpa-AFX) - Niedersachsen will die geplanten Lockerungen in der Coronavirus-Pandemie um mindestens zwei Wochen verschieben. "Wir sind vorsichtig und wir bleiben vorsichtig", sagte Ministerpräsident Stephan Weil am Montag. Zuvor hatte der SPD-Politiker dem Sender Antenne Niedersachsen gesagt, die nächste Stufe der Lockerungen habe ursprünglich zum 1. September in Kraft treten sollen: "Wir sind aber derzeit in einer labilen Situation", erklärte er. Die Zahl neuer Infektionen steigt in Niedersachsen seit Wochen.

Am Montag wurden im Landkreis Rotenburg (Wümme) elf neue Corona-Infektionen binnen weniger Tage bekannt, darunter neun bei Beschäftigten der Zeitarbeitsfirma Randstad. Ein Reiserückkehrer im Landkreis Oldenburg missachtete indes eine Corona-Vorgabe und schickte damit ein ganzes Sportteam in Quarantäne.

Weil betonte, es werde genau beobachtet, wie sich die Infektionsrate in Niedersachsen entwickelt. Die nächste Stufe der Lockerungen werde "mindestens" bis zum 14. September verschoben - je nach Lage werde es möglicherweise auch länger dauern. Bei der - nun verschobenen - siebten Stufe des Lockerungsplans geht es beispielsweise um die erlaubte Zahl von Menschen bei Feiern. Die geltenden Regelungen der Corona-Verordnung sollen nach Angaben des Gesundheitsministeriums mindestens bis Mitte September aufrechterhalten bleiben.

Vor wenigen Tagen hatte das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg die in der niedersächsischen Corona-Verordnung vorgesehene Beschränkung von Hochzeitsfeiern auf maximal 50 Teilnehmer außerhalb der eigenen Wohnung bestätigt.

Ministerin Carola Reimann sagte, an weitere Lockerungen könne erst gedacht werden, wenn die Folgen des bevorstehenden Schulbeginns und der Rückkehr vieler Reisender für die Infektionslage absehbar seien. Nicht auszuschließen sei zudem, dass die Regeln in der Zwischenzeit punktuell verschärft werden müssten. "Bisher ist die Lage in Niedersachsen stabil und gut unter Kontrolle, aber ich sorge mich vor allem über die Folgen privater Feiern und der Rückkehr der vielen Reisenden auf das Infektionsgeschehen", sagte die SPD-Politikerin.

Reimann appellierte an die Menschen in Niedersachsen, die Pandemie ernst zu nehmen, sich an die Abstands- und Hygieneregeln zu halten und Atemmasken zu tragen: "Wir haben es alle gemeinsam in der Hand, in welche Richtung es bei den Corona-Maßnahmen geht." Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen wies auf ihr Online-Buchungssystem für Corona-Tests für Reiserückkehrer hin: In den nächsten Tagen gebe es noch Termine, die Lage sei entspannt, sagte ein Sprecher.

Am Wochenende wurden die Tests demnach schwerpunktmäßig am Flughafen Hannover in Langenhagen abgewickelt - mit gut 1700 Tests am Samstag und etwa 1800 am Sonntag. Das Testzentrum Nienburg kam auf 100 Tests pro Tag, in Aurich waren es am Sonntag rund 80, in Braunschweig an beiden Tagen je 60, in Göttingen pro Tag rund 100 Tests. Osnabrück kam ebenfalls auf 100 Tests pro Tag, ebenso wie Lüneburg und Zeven. In Oldenburg waren es je 50 Tests an beiden Tagen, in Wilhelmshaven 60 am Samstag und 40 am Sonntag. Tests für Menschen, die nicht aus dem Urlaub in einem Corona-Risikogebiet zurückkehren, würden nach wie vor vom Hausarzt veranlasst.

Urlauber, die mit dem Auto aus einem Risikogebiet zurückkehren, seien verpflichtet, in Quarantäne zu gehen, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Bislang sind die Tests auf eine Sars-Cov-2-Infektion für Rückkehrer kostenlos.

Ministerpräsident Weil sprach sich nun dafür aus, dass Rückkehrer aus Corona-Risikogebieten die Kosten für Corona-Tests selbst tragen sollten. Er sagte dem Sender Antenne Niedersachsen: "Ich teile das ausdrücklich: Wer zum Beispiel eine Flugreise in einen Ferienort machen kann und dann anschließend am Flughafen getestet werden soll - warum soll der eigentlich dafür nicht finanziell aufkommen, sondern die Allgemeinheit?"

Bei der Maskenpflicht im Unterricht wiederum gehen die Meinungen - auch innerhalb der CDU - auseinander: Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hält eine Ausweitung der Maskenpflicht auf den Unterricht für "keinesfalls ausgeschlossen", wie er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte. Landtagsfraktionschef Dirk Toepffer dagegen sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", aus pädagogischen Gründen sei der Unterricht mit Maske aus seiner Sicht schwer möglich. In Niedersachsen beginnt der Unterricht am 27. August, eine Maskenpflicht soll es nur außerhalb der Klassenräume geben, wenn der Abstand von 1,50 Meter nicht eingehalten werden kann.

Die seit vergangenem Mittwoch im Kreis Rotenburg registrierten elf Infektionen sind nach bisherigen Erkenntnissen auf das private Umfeld zurückzuführen, wie eine Sprecherin des Landkreises sagte. Die Randstad-Mitarbeiter wurden an verschiedenen Standorten an Logistikunternehmen vermittelt. Drei Wohnstandorte in den Gemeinden Gyhum und Sittensen seien vom Gesundheitsamt komplett unter Quarantäne gestellt worden. Die Ermittlung der Infektionsketten durch das Gesundheitsamt erfolge in enger Kooperation mit dem Personaldienstleister. Alle Betroffenen würden derzeit getestet.

Der Reiserückkehrer im Landkreis Oldenburg kam Anfang August aus einem Risikogebiet zurück und ging trotz 14-tägiger Quarantänepflicht schon nach sieben Tagen zum Training, wie der Landkreis am Montag mitteilte. Einen Tag später habe dessen Bruder ein positives Testergebnis erhalten, worauf sich auch der junge Mann testen ließ - auch er wurde positiv getestet. Die Folge sei nun, dass die gesamte Sportmannschaft für 14 Tage in Quarantäne gesetzt worden sei. "Einzig der Quarantäne-Verstoß des jungen Mannes macht diese Maßnahme notwendig", hieß es in einer Mitteilung.

Das Gesundheitsamt wies erneut darauf hin, dass jeder Rückkehrer aus einem Risikogebiet automatisch in 14-tägige Quarantäne gehen müsse. Erst mit Vorlage eines aktuellen negativen Testergebnisses könne diese Quarantäne vorzeitig verlassen werden./tst/DP/stw