Wien (Reuters) - Die wegen ihrer Geschäfte in Russland unter Druck geratene Raiffeisen Bank International (RBI) prüft nach wie vor alle Möglichkeiten für ihre Tochterbank in dem Land.

"Wir treiben die Evaluierung unserer strategischen Optionen, die auch einen geordneten Rückzug aus Russland beinhalten, konsequent voran", sagte Bankchef Johann Strobl am Mittwoch. An der Wiener Börse gerieten die seit Kriegsausbruch in der Ukraine schwer gebeutelten RBI-Aktien erneut unter Druck. Die Papiere verloren in der Spitze über vier Prozent.

Mit einem Ergebnis der Überprüfung ist nicht so rasch zu rechnen. "Wir bitten um Verständnis, dass dieser Prozess noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird", sagte Strobl. Die Entscheidung sei wegen der politischen Rahmenbedingungen in Russland und den strengen regulatorischen Vorschriften nicht einfach. Das Wiener Geldhaus zählt zu den am stärksten in Russland engagierten europäischen Banken. Während die RBI und die italienische UniCredit noch ihre Optionen wälzen, hat sich die französische Societe Generale bereits festgelegt: Sie verkauft ihre russische Tochter Rosbank an den russischen Milliardär Wladimir Potanin.

RBI SCHREIBT IN RUSSLAND WEITER HOHE GEWINNE

Bisher hat die RBI, die in vielen Länder Osteuropas, Russland, der Ukraine und Belarus Töchter hat, die Auswirkungen des Krieges gut verkraftet. In Russland sei das Neugeschäft zwar weitgehend eingestellt worden, dennoch schrieb die Tochterbank im ersten Quartal einen stabilen Gewinn von 96 Millionen Euro. Vor allem der Provisionsüberschuss legte kräftig zu, was Strobl mit der vom russischen Staat angeordneten Zwangskonvertierung von Devisen in russische Rubel erklärte.

Die RBI, die seit mehr als 30 Jahren in Russland tätig ist, gilt mit ihren 131 Filialen als zehntgrößte Bank des Landes. Über viele Jahre erwirtschaftete sie dort satte Gewinne, zuletzt etwa ein Drittel des Konzerngewinns von 1,4 Milliarden Euro. Sollte sich die RBI zurückziehen, wäre sie auf einen Schlag deutlich kleiner. Finanziell sei im schlimmsten Fall der Verlust des dort investierten Eigenkapitals von 2,3 Milliarden Euro zu erwarten. Eine Gefahr für die Töchter in Osteuropa oder den Raiffeisen-Sektor schloss der Bankchef zuletzt aus.

In der Ukraine habe die Bank den operativen Betrieb weitgehend aufrecht erhalten können, erklärte die RBI. Im ersten Quartal fiel jedoch ein Verlust von 41 Millionen Euro nach einem Gewinn von 32 Millionen Euro an. Wichtige Bankleistungen, wie die Vergabe von Krediten, versuche die RBI weiterhin anzubieten. Zudem habe man als Marktführer im Agrarsektor die für das Land wichtige Getreideaussaat maßgeblich finanziert, erklärte das Institut.

RBI ERWARTET GERINGES KREDITWACHSTUM UND HÖHERE RISIKOKOSTEN

Wegen des Krieges musste die RBI ihr Ziel für das Kreditwachstum anpassen. Für 2022 werde nun mit einem Plus im mittleren einstelligen Prozentbereich gerechnet, nachdem zuvor zwischen sieben und neun Prozent erwartet wurden. Zudem rechnet die Bank nun mit höheren Risikokosten.

Im ersten Quartal schnitt die Bank besser ab als erwartet. Der Konzerngewinn verdoppelte sich auf 442 (216) Millionen Euro und lag damit über den Erwartungen von Analysten. Der Zinsüberschuss stieg auch wegen der höheren Zinsen in Russland und der Ukraine auf 986 (736) Millionen. Der Provisionsüberschuss legte auf 683 (420) Millionen Euro zu. Die starken Schwankungen des russischen Rubels und der ukrainischen Hryvna hätten nur geringe Auswirkungen gehabt. Dagegen musste die RBI mehr für mögliche Kreditausfälle zur Seite legen. Die Risikokosten haben sich auf 319 Millionen Euro nach 76 Millionen Euro mehr als vervierfacht.

(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich und Tom Sims; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)