Mit Stichtag 20. September erweitert die Deutsche Börse den Deutschen Aktienindex (DAX) um 10 auf dann insgesamt 40 Werte. Von diesem Zeitpunkt an bestimmt die Börse Indexmitglieder vorrangig nach dem Kriterium der sog. 'Marktkapitalisierung auf Basis des Streubesitzes'. Diese errechnet sich aus der Multiplikation des jeweils aktuellen Aktienkurses mit der Anzahl der ausgegebenen Aktien, die nicht von Großaktionären gehalten werden. Das bisherige zweite wichtige Kriterium, der Börsenumsatz, entfällt zukünftig. Stattdessen müssen die Aktien der Indexmitglieder eine Mindestliquidität - also ausreichend Nachfrage und Angebot - aufweisen. Zudem gelten weitere neue Qualitätskriterien, damit es in Zukunft nicht zu einem neuen Wirecard-Desaster kommt. Der erweiterte DAX 40, so das Kalkül, soll insbesondere für institutionelle Investoren aus dem Ausland attraktiver werden.

Bevor es in Sachen DAX-Umbau konkret wird, nachfolgend ein kurzer Blick auf die komplette DAX-Historie.

Wer steigt denn nun in den DAX auf?

Hierüber lässt sich nur spekulieren. Zur Orientierung: Die Deutsche Börse teilt am Anfang jedes Monats den Stand des Ringens um die begehrten Plätze in Deutschlands Vorzeige-Aktienindex mit. Nach dem letzten Stand vom 4. August würden demnach die nachfolgenden Unternehmen in den DAX aufrücken:

  • Flugzeugbauer Airbus
  • Online-Modehändler Zalando
  • Medizintechnik-Konzern Siemens Healthineers
  • Duftstoffentwickler Symrise
  • Kochboxenversender HelloFresh
  • Automobilholding Porsche
  • Chemikalienhändler Brenntag
  • Labortechnikunternehmen Sartorius
  • Sportartikelhersteller Puma
  • Konsumgüterproduzent Beiersdorf

Verschiebungen bis zur endgültigen Entscheidung sind aber noch möglich. Diese soll übrigens am 3. September spätabends kurz nach 22:00 Uhr fallen - die konkrete Umsetzung erfolgt dann, wie eingangs erwähnt, am 20. September.

Der ein oder andere von Ihnen wird sich jetzt sicherlich fragen, ob der DAX-Aufstieg zusätzliche Kurschancen für besagte Unternehmen eröffnet bzw. welches der erwähnten zehn Unternehmen besonders aussichtsreich erscheint. An dieser Stelle müssen wir Sie leider enttäuschen - unsere ehrliche Antwort auf beide Fragen lautet nämlich: Wir wissen es nicht!

In der Vergangenheit zumindest war ein DAX-Aufstieg (bzw. die Spekulation im Vorfeld auf einen möglichen Aufstieg) keine Garantie für automatische Kursgewinne - nicht selten war sogar das Gegenteil der Fall. Und natürlich spielt das gerade vorherrschende Börsenumfeld zum Zeitpunkt des DAX-Aufstiegs eine nicht unwichtige Rolle. Hinzu kommt ein Problem grundsätzlicher Natur: Niemand kann mit hinreichender Sicherheit prognostizieren, wie sich einzelne Unternehmen in Zukunft entwickeln werden. Sie können die Geschäftsberichte und Firmenbilanzen der Vergangenheit noch so intensiv studieren. Es wird Ihnen am Ende nichts nützen, weil die Zukunft einfach zu viele Unwägbarkeiten bereithält. Das betrifft natürlich auch die Schar der Analysten, die das Unmögliche tagtäglich versuchen.

Dementsprechend muss man letztendlich akzeptieren, nicht stichhaltig überprüfen zu können, ob die Konzernstrategie zukünftig Früchte (in Gestalt sprudelnder Gewinne und Aktienkurse) tragen wird. Nach unserem Empfinden können Sie es drehen und wenden, wie Sie wollen: Einzelaktien-Investments gleichen in gewisser Weise einem Glücksspiel. Abhilfe kann hier nur eine möglichst breite Streuung schaffen. Eine derartige breite Streuung bieten beispielsweise ETFs … und das auch noch auf kostengünstige Art und Weise.

Gewinnt der DAX durch die Aufstockung tatsächlich an Attraktivität?

Nur sehr bedingt, um die Antwort gleich vorwegzunehmen. Die vergangenen Jahre haben die Schwächen des DAX offengelegt: Zu viele Unternehmen aus der sogenannten 'Old Economy' bzw. aus wachstumsschwachen oder krisengebeutelten Branchen wie Versorger oder Banken zehrten allzu oft an der DAX-Performance. Der DAX in seiner jetzigen Form ist relativ stark konjunkturabhängig und damit auch schwankungsintensiver.

Es verwundert deshalb nicht, dass er in der Vergangenheit der Wertentwicklung von etlichen internationalen Vergleichsindizes oft hinterherhinkte. Gleiches gilt übrigens auch für den DAX-Vergleich mit der Konkurrenz im eigenen Haus: den MDAX für mittelgroße Unternehmen (sogenannte 'Mid Caps'). Letzterer wird übrigens im Zuge des DAX-Umbaus von 60 auf 50 Mitglieder abgespeckt, weil die 10 größten MDAX-Werte in den DAX aufsteigen … dazu aber später mehr.

Das buntere und innovativere Branchenbild infolge der DAX-Aufstockung auf 40 Werte ist zweifelsohne eine Bereicherung für den Index - eine grundlegende Veränderung ist es jedoch nicht. Letzteres wird deutlich, wenn man sich die voraussichtlichen Indexgewichtungen der DAX-Neuankömmlinge näher anschaut: Lediglich rund 13 % werden alle zehn neuen Werte zusammen am Index ausmachen - satte 87 % die 'alten' Werte. Das DAX-Gewicht vom als sicher geltenden Aufstiegskandidaten Airbus wird allein knapp 5 % betragen. Die restlichen 8 % verteilen sich somit auf die anderen 9 Aufsteiger.

Auch in seinem neuen Gewand spricht ein weiterer Aspekt gegen eine zu starke Konzentration von DAX-Investments im Depot: Die Rede ist vom sogenannten 'Home-Bias-Effekt'. Er besagt, dass Anleger oft dazu tendieren, nur bzw. schwerpunktmäßig in heimische Unternehmen zu investieren, bei denen man sich vermeintlich gut auskennt und letztlich 'wohler fühlt'. In der Folge führt diese Vorgehensweise zu einer mangelhaften Diversifikation im Depot mit negativen Auswirkungen auf das Risiko (in Form erhöhter Schwankungen) und letztlich auch auf den Gesamtertrag. Mit anderen Worten: Es ist schlichtweg zu riskant, nur auf einen einzigen (nationalen) Aktienmarkt zu setzen. Deshalb an dieser Stelle der schon oft ausgesprochene Ratschlag: Schauen Sie bei Ihren Aktieninvestments unbedingt über den nationalen Tellerrand!

Worauf Anleger zudem achten sollten: Der neue DAX 40 wird wie der alte DAX 30 sowohl als 'Performance'- als auch als 'Kursindex' berechnet. Beim Performanceindex werden die Dividenden der im DAX enthaltenen Unternehmen rechnerisch zum Zeitpunkt des Zuflusses wieder in Aktien des Index reinvestiert - beim Kursindex bleiben die Dividenden unberücksichtigt, es zählt lediglich die Kursentwicklung. Umgangssprachlich wird unter der Bezeichnung 'DAX' der Performanceindex verstanden - und in den Medien wird nahezu ausnahmslos über den 'Performance-DAX' berichtet. Sein Pendant - der Kursindex - fristet dagegen ein Schattendasein. Über die Jahre hat sich nun die 'Performance-Schere' zwischen diesen beiden Indizes kräftig ausgeweitet (siehe nachfolgenden Chart).

Im internationalen Konzert der Börsenindizes ist der DAX-(Performance-)Index ein Exot, denn die meisten großen und bekannten Aktienindizes dieser Welt werden üblicherweise in Gestalt eines Kursindex publiziert (wie beispielsweise MSCI World, S&P 500, Euro Stoxx 50), wenngleich es auch für diese Indizes Performancevarianten gibt. Dieser Hinweis ist nicht ganz unwichtig, wenn es mal wieder darum geht, aufzuzeigen, wie sich der DAX im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz geschlagen hat. Denn hierbei werden allzu oft Äpfel (Performanceindex) mit Birnen (Kursindex) verglichen. Je länger der Vergleichszeitraum ist, desto verfälschter wird das Ergebnis.

Für eine objektivere Vergleichbarkeit haben wir beim nachfolgenden Chartvergleich mit Blick auf den DAX die international weit verbreitete Kursindex-Variante (anstelle der sonst beim DAX üblichen Performanceindex-Variante) gewählt.

Folge der DAX-Reform: Wird der MDAX jetzt zum Auslaufmodell?

Nur weil der MDAX im September seiner zehn größten Werte beraubt wird (die dann in den DAX aufsteigen), ist das kein Grund, ihn abzuschreiben. Die verbleibenden 50 Werte haben zukünftig ein jeweils höheres Gewicht, zugleich werden aber bisherige 'Unwuchten' im MDAX abgemildert (Beispiel: Noch-MDAX-Schwergewicht Airbus hat ein Indexgewicht von aktuell knapp 10 %).

Man kann sich natürlich fragen, ob die besten Werte den Index demnächst verlassen werden und er dann weniger attraktiv ist. Aber sind die zehn am höchsten bewerteten Unternehmen auch automatisch die mit den besten Zukunftsaussichten? Intuitiv würde die Antwort wohl lauten: eher nicht. Letztlich sind wir aber auch hier wieder bei der bekannten 'Kaffeesatzleserei' angekommen. Eine simulierte Rückrechnung der Deutschen Börse ergab übrigens, dass sich der MDAX auch ohne die aktuell zehn größten Werte ähnlich gut entwickelt hätte wie mit ihnen.

Positiv kann man abschließend konstatieren, dass der MDAX mit dem Aufstieg der Schwergewichte wieder stärker dem Mid-Cap-Gedanken (Bedeutung des Mittelstands) gerecht wird. Aber auch hier gilt: Streuen Sie Ihre Investments in Nebenwerten breitgefächert und weltweit … das senkt das Risiko … und zwar beträchtlich.

Was passiert eigentlich mit einem DAX-ETF im Zuge der Umstellung?

Eines vorweg: Eine wundersame Geldvermehrung wird es nicht geben. Wenn der DAX von 30 auf 40 Mitglieder ausgeweitet wird, springt die DAX-Punktzahl nicht in die Höhe. Am Vermögen der Anleger, die DAX-ETFs halten, ändert sich am Umstellungstag entsprechend nichts. Die Indexformel für den DAX ist derart konstruiert, dass in die Variable der Indexmitglieder statt der Ziffer 30 dann eine 40 eingesetzt wird. Dadurch ändert sich das Gewicht der einzelnen Mitglieder im Index und die bisherigen 30 Mitglieder des Index werden zukünftig etwas weniger Gewicht haben.

Die börsengehandelten DAX-Indexfonds (DAX-ETFs) werden entsprechend umgebaut. Der Anleger muss dabei freilich nichts tun - das macht der jeweilige ETF-Anbieter ganz automatisch: Er kauft im September die zehn neuen Aktien entsprechend dem errechneten Gewicht. Die 'alten' 30 DAX-Werte werden im Gewicht jeweils leicht reduziert. Diese Aktien müssen die ETF-Anbieter entsprechend verkaufen. Die gleiche Vorgehensweise kommt übrigens auch beim MDAX-ETF zum Tragen - nur mit umgekehrten Vorzeichen (Reduzierung der Indexmitglieder statt Aufstockung). Bei den notwendigen Aktientransaktionen gehen die ETF-Anbieter kursschonend vor.

Fazit

Die anstehende DAX-Aufstockung ist weniger spektakulär, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die voraussichtlichen Gewichtungen der 10 Aufstiegskandidaten im DAX sind schlichtweg zu gering, um die bestehenden branchenseitigen 'Unwuchten' des DAX entscheidend zu beseitigen.

Auch der neue DAX 40 ändert nichts an unserem grundsätzlichen Ratschlag: Als Aktionär sollten Sie auf viele und möglichst unterschiedliche Unternehmen setzen - auf größere und kleinere Firmen aus vielen Branchen, Ländern und Regionen. Am besten lässt sich dies mit breit streuenden und kostengünstigen ETFs bewerkstelligen. Der eindimensionale Blick nur auf den heimischen Aktienmarkt erhöht vor allem das Risiko und belastet letztendlich auch oft die Rendite.

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagemanagement der Quirin Privatbank, unter besonderer Mitwirkung von Andreas Naujeck (Senior Analyst)

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quirin Privatbank AG published this content on 27 August 2021 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 27 August 2021 10:51:02 UTC.