VENLO (awp international) - Der Diagnostikspezialist und Labordienstleister Qiagen rechnet 2023 mit weiteren Einbussen beim Umsatz und Ergebnis. Nach zwei starken Corona-Jahren sorgte die abflauende Pandemie bereits 2022 für einen Rückgang. Der Qiagen-Vorstand setzt nun auf weiteres Wachstum im florierenden Kerngeschäft. Im laufenden Jahr kann dies den vom Management erwarteten "erheblichen" Rückgang bei den covidbezogenen Produkten des Dax -Konzerns aber nicht ausgleichen. Finanzvorstand Roland Sackers sieht das Unternehmen derweil finanziell gut gerüstet für weitere ergänzende Übernahmen und Aktienrückkäufe, wie er am Mittwoch betonte. Für seinen Bioinformatik-Bereich lotet das Management unterdessen diverse Optionen aus.

An der Börse notierte die Aktie am frühen Nachmittag mit 1,60 Prozent im Plus. Die Konzernprognose sei "einen Hauch" besser ausgefallen als erwartet, sagte ein Händler. Die ersten Aussagen zu 2023 deuteten auf ein moderates Aufwärtspotenzial für die Konsensschätzungen zu beiden Kennziffern hin, schrieb Jefferies-Analyst Peter Welford. Im vierten Quartal habe Qiagen beim Umsatz dank des starken Wachstums des Nicht-Covid-Geschäfts über der Konsensschätzung abgeschnitten, ergänzte der Branchenkenner. Noch stärker positiv überrascht hatte den Analysten aber das Ergebnis je Aktie.

Finanzchef Sackers sprach von einem "starken Jahr 2022 und ebenfalls starken Zielen für das neue Jahr." Dabei räumte er einen gewissen Konservatismus vonseiten des Managements ein: Angesichts der volatilen Gesamtlage mit vielen coronabedingten Produktionsunterbrechungen in China und dem Krieg in der Ukraine ziehe es Qiagen jedoch vor, "realistisch" zu bleiben.

Qiagen stellt für 2023 einen Umsatz auf Basis konstanter Wechselkurse von mindestens 2,05 Milliarden Dollar in Aussicht, nachdem der Konzern im Vorjahr währungsbereinigt noch 2,26 Milliarden Dollar ausgewiesen hatte. Nominal sank der Umsatz wegen des starken Dollar um fünf Prozent auf 2,14 Milliarden Dollar (rund 1,99 Mrd Euro).

Während Qiagen im Basis-Geschäft derzeit einen guten Lauf hat, schrumpfte das Geschäft mit Covid-Bezug von Januar bis Dezember um rund ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr - wobei sich der Einbruch im Schlussquartal noch beschleunigte. Erlöste Qiagen 2021 noch rund 700 Millionen Dollar in dem Bereich, zu dem etwa Corona-Tests gehören, waren es 2022 lediglich 470 Millionen Dollar.

Im laufenden Jahr dürfte sich der Wert laut Sackers nochmals mehr als halbieren auf 200 bis 210 Millionen Dollar - auf diesem Niveau dürften sich laut dem Manager hier die Erlöse perspektivisch einpendeln. Dies wäre letztlich deutlich mehr als vor der Pandemie. Der Finanzvorstand geht zur Begründung davon aus, dass auch in Zukunft mehr symptomatisch getestet wird, etwa in starken Grippewellen.

Unter dem Strich ging der Gewinn im vergangenen Jahr um 17 Prozent auf 423 Millionen Dollar zurück. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn je Aktie fiel um zehn Prozent auf 2,38 Dollar. Währungseffekte herausgerechnet kamen 2,46 Dollar heraus - womit der Konzern sogar seine im November aufpolierten Ziele noch übertraf. Für 2023 peilt Qiagen bei dieser Kennziffer mindestens 2,10 Dollar an - wobei das erste Quartal noch deutlicher unter dem Vorjahresniveau herauskommen dürfte.

Qiagen hatte 2022 mehrmals seine Ziele erhöht, weil es bei den Covid-Produkten zumindest bis Ende September besser lief als anfänglich gedacht. Zudem konnte der Konzern im Kerngeschäft zulegen, auf dessen Wachstum sich der Dax-Konzern weiter konzentrieren will. Im vergangenen Jahr brachten die Nicht-Covid-Produkte acht Prozent mehr Umsatz, zu konstanten Wechselkursen betrug das Plus 14 Prozent. Im neu angelaufenen Jahr rechnet Sackers währungsbereinigt mit einem Plus von zehn bis zwölf Prozent.

In seinem Basisgeschäft profitiert der Konzern derzeit erheblich davon, dass er in der Pandemie überproportional viele Diagnostikgeräte verkaufen konnte. Diese müssen beispielsweise mit Testkits bestückt werden, was in der Folge eine stetige Nachfrage nach sogenannten Verbrauchsmaterialien schafft. Weitaus besser als noch 2021 verkaufte sich zuletzt auch der Tuberkulosetest Quantiferon, der als führend gilt.

Erst kürzlich baute Qiagen zudem sein wichtiges Standbein in der Forensik mit der Übernahme des US-Unternehmens Verogen aus, einem Spezialisten für schnelle Gensequenzierung (NGS). Die Amerikaner bringen eine Datenbank mit, die beim Abgleich des Genmaterials eine schnellere Identifizierung ermöglicht. Qiagen erhofft sich dadurch in der Zukunft deutliches Wachstum - im laufenden Jahr dürfte der Zukauf trotz eines steigenden Umsatzbeitrags aber erst einmal negativ auf das Ergebnis durchschlagen.

Im Umkehrzug wird nach Alternativen für die Bioinformatik-Sparte gesucht. Der Bereich wachse zweistellig und sei profitabel, sagte Sackers, ein Verkauf komme nicht infrage. Mit einem Partner sieht das Unternehmen aber offenbar grössere Wertschöpfungsmöglichkeiten. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte zuletzt berichtet, Qiagen wolle einen Minderheitsanteil an dem Bereich veräussern./tav/mne/jha/