--Lukaschenko droht Europa mit Unterbrechung der Gaslieferungen aus Russland

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SOKOLKA (AFP)--Der Flüchtlingsstreit zwischen der EU und Belarus spitzt sich weiter zu. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko drohte am Donnerstag im Falle weiterer EU-Sanktionen mit einem Stopp der Gaslieferungen nach Europa. Zuvor hatte die EU für kommende Woche neue Sanktionen angekündigt. Noch am Donnerstag wollte der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung wegen der dramatischen Lage im polnisch-belarussischen Grenzgebiet zusammenkommen.

"Wenn sie neue Sanktionen gegen uns verhängen, müssen wir reagieren", warnte Lukaschenko die EU-Staaten am Donnerstag laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta. "Wir wärmen Europa, und sie drohen uns", sagte er mit Blick auf die Jamal-Europa-Pipeline, die durch Belarus führt und russisches Gas nach Europa bringt. "Und was, wenn wir die Gaslieferungen unterbrechen?"

Die Pipeline hat nach Angaben des Betreibers Gazprom eine Sollleistung von 32,9 Milliarden Kubikmetern Gas jährlich. Zum Vergleich: Die Gaspipelines Nord Stream und Nord Stream 2 sollen eine Gesamtkapazität von 55 Milliarden Kubikmetern Gas aus Russland jährlich erreichen. Durch Belarus verlaufen laut Gazprom 575 Kilometer der Jamal-Gaspipeline. Der russische Energiekonzern ist nach eigenen Angaben alleiniger Besitzer des belarussischen Abschnitts der Gaspipeline.

Kurz vor Lukaschenkos Drohung hatte der belarussische Außenminister Wladimir Makej der EU vorgeworfen, Gespräche über eine Verstärkung des Grenzschutzes zu blockieren. Minsk sei an einer schnellen Lösung der Krise interessiert. Allerdings habe Brüssel einen Dialog über vergangenes Jahr eingestellte Grenzprojekte wiederholt abgelehnt.

Brüssel hatte nach dem gewaltsamen Vorgehen belarussischer Sicherheitskräfte gegen regierungskritische Demonstranten nach der umstrittenen Wiederwahl Lukaschenkos eine Reihe von Sanktionen verhängt. Minsk setzte daraufhin sein Rücknahmeabkommen mit Brüssel aus, das die Rückführung von über Belarus illegal in die EU eingereisten Migranten vorsah.

Die EU wirft Lukaschenko vor, aus Vergeltung für die bisherigen Sanktionen absichtlich Migranten an die Grenzen der EU-Staaten Lettland, Litauen und Polen zu schleusen. Im belarussisch-polnischen Grenzgebiet sitzen derzeit tausende Menschen vor allem aus dem Nahen Osten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt fest.

Am Mittwoch kündigte die EU an, eine weitere Verschärfung der Sanktionen gegen Belarus vorzubereiten. Sie sollen sich gegen rund 30 Luftfahrtgesellschaften, Reisebüros oder andere Verantwortliche richten, die Belarus bei der Schleusung von Flüchtlingen unterstützen. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) forderte an Donnerstag im Bundestag auch die Sanktionierung wichtiger Wirtschaftszweige wie der Kali-Industrie in Belarus.

Polen ist mit 15.000 Soldaten an der mit Stacheldraht gesicherten Grenze stationiert. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, der Lukaschenko am Mittwoch "Staatsterrorismus" vorgeworfen hatte, sprach am Donnerstag von "einer neuen Art von Krieg", bei der "Zivilisten als Munition" eingesetzt würden. Lukaschenko wirft Polen dagegen ein gewaltsames Zurückdrängen und die Misshandlung von Migranten vor, womit internationale Normen verletzt würden.

Die EU und Deutschland fordern unterdessen Russland als wichtigsten Verbündeten Lukaschenkos auf, in der Krise zu intervenieren. Die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner forderte am Donnerstag eine "neue Politik der Härte und des Dialogs" mit Russland. Paris erklärte Russland am Donnerstag zum "Teil der Lösung". Bislang sichert Moskau Minsk allerdings weiter Unterstützung zu. Am Mittwoch hatte Außenminister Sergej Lawrow eine "anti-belarussische Kampagne" beklagt.

Für die Flüchtlinge im Grenzgebiet wird die Lage bei eisigen Temperaturen derweil immer verzweifelter. Polen meldete am Donnerstag 468 neue Versuche eines Grenzübertritts.

DJG/brb

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November 11, 2021 08:41 ET (13:41 GMT)