WASHINGTON (dpa-AFX) - Im Streit um die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 verzichtet die Regierung von US-Präsident Joe Biden auf Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft. In einem am Mittwoch übermittelten Bericht von US-Außenminister Antony Blinken an den Kongress heißt es, der Verzicht auf Strafmaßnahmen gegen die Nord Stream 2 AG im schweizerischen Zug, deren deutschen Geschäftsführer Matthias Warnig und vier weitere Mitarbeiter sei im "nationalen Interesse" der USA. Als Begründung wurde angeführt, dass solche Sanktionen "die US-Beziehungen mit Deutschland, der EU und anderen europäischen Verbündeten und Partnern" negativ beeinflusst hätten.

In dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Bericht heißt es weiter, auf Grundlage der US-Sanktionsgesetze gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und das russisch-türkische Projekt Turkstream würden Strafmaßnahmen gegen vier russische Schiffe erlassen, die Rohre verlegten. Auch gegen vier russische Institutionen verhängten die USA Sanktionen. Die Nord Stream 2 AG und Warnig hätten zwar ebenfalls gegen die Sanktionsgesetze verstoßen, hieß es. Blinken habe aber entschieden, auf Strafen zu verzichten. Damit werde Raum geschaffen für Gespräche auf diplomatischer Ebene mit Deutschland, um die Risiken der Pipeline für die Ukraine und die europäische Energiesicherheit anzusprechen.

Blinken bekräftigte am Mittwoch einer Mitteilung seines Ministeriums zufolge, die USA seien weiter gegen die beinahe fertiggestellte Pipeline. "Unser Widerstand gegen die Nord-Stream-2-Pipeline ist unbeirrt." Er fügte hinzu: "Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, bleiben unsere Bündnisse stark." Die transatlantischen Beziehungen blieben eine Angelegenheit der Nationalen Sicherheit.

Bereits am Dienstag hatte die US-Nachrichtenseite "Axios" über den Verzicht auf Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG und gegen Warnig berichtet. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte am Mittwoch in Berlin: "Das empfinden wir als einen konstruktiven Schritt, den wir gerne mit unseren Partnern in Washington weiter besprechen werden." Die russische Regierung interpretierte den Verzicht als einen Schritt hin zu einer Normalisierung der angespannten Beziehungen mit Washington. Heftige Kritik am demokratischen US-Präsidenten Joe Biden kam aus den Reihen der Republikaner im Kongress.

Maas sagte, Nord Stream 2 sei das einzige Thema, bei dem Deutschland und die USA "fundamental unterschiedliche Auffassungen" hätten. Man müsse nun sehen, "dass dieses Projekt unsere wirklich hervorragende Zusammenarbeit nicht weiter in irgendeiner Weise belastet". Die kommenden drei Monate bis zum nächsten Bericht des US-Außenministeriums an den Kongress zu Nord Stream 2 müssten genutzt werden, um die problematischen Teile des Projekts noch einmal zu besprechen. Die Berichte sind alle 90 Tage fällig.

Die Republikaner im US-Kongress reagierten bereits nach Veröffentlichung des "Axios"-Berichts empört und warfen Biden vor, Kremlchef Wladimir Putin in die Hände zu spielen. Der Top-Republikaner im Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses, Michael McCaul, teilte mit: "Wenn das Putin-Regime diese Pipeline fertigstellen darf, dann nur, weil die Biden-Regierung sich dazu entschlossen hat, das zuzulassen."

Der republikanische Senator Ted Cruz - eine der treibenden Kräfte hinter den US-Sanktionen - kritisierte: "Biden hat Putins Position auf Kosten des Rests der Freien Welt erheblich gestärkt." Sein Parteikollege im Senat, Ben Sasse, warf Biden vor, Putin "ein massives strategisches Druckmittel in Europa zu geben".

Die beinahe fertiggestellte Pipeline Nord Stream 2 soll nach Aufnahme des Betriebs 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr von Russland nach Deutschland befördern. Die USA befürchten eine zu starke Abhängigkeit Europas von russischem Gas durch das Projekt. Auch osteuropäische Staaten wie Polen und die baltischen Länder lehnen die Pipeline ab. Befürworter halten den Amerikanern entgegen, sie seien nur auf bessere Absatzchancen für ihr Flüssiggas in Europa aus.

Biden hatte Nord Stream 2 wiederholt als "schlechten Deal für Europa" bezeichnet. US-Außenminister Antony Blinken hatte bei der Anhörung im Senat vor seiner Bestätigung im Amt im Januar über die schon damals fast fertiggebaute Pipeline gesagt: "Ich bin entschlossen, alles zu tun, was wir können, um diese Fertigstellung zu verhindern." Blinken traf sich am Mittwochabend im isländischen Reykjavik mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow./cy/DP/stk