Von Stephen Wilmot

LONDON (Dow Jones)--Ein Preisnachlass von 50 Prozent ist gar kein so unwiderstehliches Angebot, wenn es noch günstiger geht. Prosus ist eines der wertvollsten börsennotierten Tech-Unternehmen in Europa. Das liegt vor allem an seiner großen Beteiligung am chinesischen Internet-Giganten Tencent. Dieser Anteil wurde vor zwei Jahrzehnten für 34 Millionen US-Dollar gekauft und ist heute 216 Milliarden US-Dollar wert, obwohl zwischenzeitlich zwei Aktienpakete verkauft wurden.

Das in Amsterdam ansässige Unternehmen besitzt auch ein Portfolio von E-Commerce-Start-ups, die sich wie Tencent vor allem während der Pandemie gut entwickelten. Am Montag hat Prosus erstmals eine Schätzung von Deloitte zur Bewertung dieses E-Commerce-Portfolios veröffentlicht. Nach Angaben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist es insgesamt 39 Milliarden US-Dollar wert, nach rund 20 Milliarden US-Dollar vor einem Jahr.


   Aktie weit unter Wert der Beteiligungen 

Die hohe Bewertung hat zwei Seiten. Sie deutet darauf hin, dass Prosus' Geschäfte in die richtige Richtung gehen. Sie legt aber auch schmerzhaft die Kluft zwischen dem Wert des Unternehmens und seinem Aktienkurs offen.

Addiert man die 39 Milliarden US-Dollar zu den 216 Milliarden US-Dollar für die Tencent-Beteiligung plus etwa eine Milliarde US-Dollar für eine Minderheitsbeteiligung an der russischen Internetfirma Mail.ru sowie fast zwölf Milliarden US-Dollar an Nettobarmitteln, kommt man auf einen impliziten Eigenkapitalwert von 268 Milliarden US-Dollar für Prosus. Die Marktkapitalisierung von Prosus beträgt jedoch nur 162 Milliarden US-Dollar - ein Abschlag von 39 Prozent.

Die Diskrepanz wird noch größer, wenn man weiter nach oben in der Eigentümerkette schaut. Prosus befindet sich mehrheitlich im Besitz der südafrikanischen Holdinggesellschaft Naspers, deren Aktien etwa 23 Prozent unter dem Wert ihrer Prosus-Beteiligung gehandelt werden. So betrachtet erhalten die Naspers-Aktionäre insgesamt weniger als die Hälfte des Wertes der Internetgeschäfte und -beteiligungen von Prosus.


   Neue Beteiligungsstruktur geplant 

Diese finanzielle Ineffizienz könnte eine Chance für Anleger sein, wenn die Gründe nicht so hartnäckig wären. Naspers hatte das Portfolio aufgebaut und gliederte dann Prosus aus, um die eigene starke Gewichtung am südafrikanischen Aktienmarkt zu reduzieren. Das lieferte Portfoliomanagern einen technischen Grund, die Aktie fortlaufend zu verkaufen. Doch kaum zwei Jahre später ist Naspers so dominant an der Johannesburger Börse wie eh und je.

Nun haben Prosus und Naspers einen neuen Plan geschmiedet, um das Problem zu lösen. Dieser Plan sieht eine übergreifende Beteiligungsstruktur vor, die dazu führt, dass Prosus fast die Hälfte von Naspers besitzen wird. Das Projekt wurde von Investoren unter anderem wegen seiner Komplexität kritisiert. Das Unternehmen sah sich gezwungen, seine Pläne öffentlich zu verteidigen. Nächsten Monat werden dann die Aktionäre über den Deal abstimmen.


   Naspers und Prosus brauchen Tencent-Beteiligung 

Dessen Komplexität könnte selbst ein Grund für das Rabattproblem bei Naspers und Prosus sein: Sich in solchen Strukturen zu verheddern, um eine Frage zu beantworten, wirft nur weitere Fragen an anderer Stelle auf.

Die einzige saubere Lösung wäre eine Trennung, aber die Unternehmen brauchen ihre Tencent-Aktien, um ihre Wetten auf geldverzehrende Industrien wie Essens-Lieferdienste zu finanzieren. So zu beobachten im April dieses Jahres, als der Verkauf von nur zwei Prozent der Tencent-Beteiligung 14,6 Milliarden US-Dollar einbrachte.

Naspers und Prosus haben zweifellos ein attraktives Portfolio, doch Anleger können es kaum noch erwarten, dass ihnen die aktuelle Strategie auch nur annähernd den Wert dafür liefert.

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June 22, 2021 03:34 ET (07:34 GMT)