Von Stephen Wilmot

AMSTERDAM/JOHANNESBURG (Dow Jones)--Der Technologie-Investor Prosus hat mit seinen russischen Beteiligungen ein noch schlechteres erstes Halbjahr 2022 hinter sich gebracht als das berühmtere Beteiligungsunternehmen Softbank. Aber es gibt einen Silberstreif am Horizont: Die Verwerfungen haben das niederländische Unternehmen dazu gezwungen, einen bedeutenden Schritt in Richtung Monetarisierung seiner 133 Milliarden US-Dollar schweren Beteiligung am chinesischen Tech-Riesen Tencent zu unternehmen.

Die Prosus-Aktien sprangen am Montag um 18 Prozent nach oben, nachdem das Unternehmen angekündigt hatte, Tencent-Aktien auf dem Markt zu platzieren, um ein unbefristetes Aktienrückkaufprogramm zu finanzieren. Das in Amsterdam gelistete Konglomerat besitzt 29 Prozent von Tencent. Diese Beteiligung ist das Ergebnis einer spektakulären frühen Wette des südafrikanischen Mehrheitseigentümers von Prosus, Naspers.

In der jüngeren Geschichte großer Investitionen wurde dieser Deal nur von Softbanks Beteiligung an Alibaba übertroffen. Zwar leistete Prosus im April 2021 gegenüber Tencent das Versprechen, seinen Anteil auf drei Jahre hinaus nicht zu reduzieren, doch nach eigenen Angaben ist Prosus inzwischen einvernehmlich davon entbunden worden.


Breites Portfolio aufgebaut 

Die Tencent-Aktie gab am Montag an der Börse von Hongkong um 1,6 Prozent nach, während die Aktien der Konkurrenten zulegten. Jahrelang hatte Naspers seine Tencent-Dividenden in Technologie-Startups, vor allem in Schwellenländern, investiert und so neben seiner Beteiligung an dem chinesischen Unternehmen ein umfangreiches E-Commerce-Portfolio aufgebaut.

Naspers hatte Prosus im Jahr 2019 als Übersee-Holding gegründet, um sein dominierendes Gewicht an der Johannesburger Börse zu verringern, welches der Medien- und Internetkonzern für seine schwache Bewertung verantwortlich machte. Der Deal hat das Bewertungsproblem nicht aus der Welt geschafft. Deutlich wird dies anhand der Abschläge zum Buchwert, zu denen die Aktien gehandelt werden.


Gegenseitige Beteiligungen 

Es könnte sogar noch schlimmer kommen, denn durch die Verquickung mit Prosus wurde eine zusätzliche, komplexe Ebene geschaffen: Naspers besitzt eine Mehrheit an Prosus, das wiederum fast die Hälfte von Naspers hält. Die Abschläge haben sich in diesem Jahr extrem ausgeweitet, weil sich Probleme häuften: In China gingen die Behörden hart gegen große Technologieunternehmen vor. Weltweit verging Anlegern der Appetit auf unrentable Tech-Startups, da die Zinsen stiegen. Und dann kam auch noch der Krieg in der Ukraine hinzu. Vor der Rallye am Montag lagen die Prosus-Aktien 53 Prozent unter dem Buchwert, während die Naspers-Aktien nochmals mit einem Abschlag zu diesem Abschlag gehandelt wurden.


Wert der Beteiligungen sinkt 

Avito, die führende russische Website für Kleinanzeigen, war das profitabelste konsolidierte Unternehmen von Prosus, bis dieses seine Liquidität durch die westlichen Sanktionen einbüßte. Letzten Monat stellte Prosus das Unternehmen, das Analysten zuvor auf 7 bis 9 Milliarden US-Dollar geschätzt hatten, zum Verkauf. Ein großer Teil davon, wenn nicht sogar alles, muss möglicherweise abgeschrieben werden. Auch das ist ein Grund dafür, dass der geschätzte Wert des E-Commerce-Portfolios von Prosus in der jüngsten Analyse auf 35,6 Milliarden US-Dollar gesunken ist. Vor sechs Monaten waren es noch 49 Milliarden US-Dollar.

Wie auch immer man die Startups von Prosus bewerten mag, die Beteiligung an Tencent ist weitaus größer. Aus diesem Grund ist der Verkauf dieses Anteils ein sinnvollerer Mechanismus zur Verringerung des Abschlags als alles andere, was das Unternehmen bislang getan hat oder noch tun könnte.

Die große Frage ist, wann Prosus damit aufhören wird, Aktien von Tencent zu veräußern. Die Unternehmensleitung sagte nur, dass das Programm so lange fortgesetzt werde, wie der Bewertungsabschlag auf einem "erhöhten Niveau" verharre. Genauer wollte man sich nicht äußern.


Bewertungs-Abschlag könnte größer sein 

Laut Sebastian Patulea, einem Analysten von Jefferies, ist ein Abschlag von zehn Prozent bis 20 Prozent für ein Konglomerat normal. Prosus wird sich wahrscheinlich mit einem etwas größeren Abschlag abfinden müssen, da die E-Commerce-Investitionen des Unternehmens viel Geld verschlingen und die Frage der Struktur ein heikles Thema bleibt.

Eine Verschmelzung von Naspers mit Prosus, um die verwirrenden Überkreuzbeteiligungen zu beseitigen, wäre hilfreich. Unwahrscheinlich ist jedoch, dass die südafrikanische Regierung so einfach zustimmen würde, wenn das Unternehmen das Land verlassen möchte. Die Aktienkurse von Prosus und Naspers hängen vor allem von zwei Faktoren ab: Dem Kurs der Tencent-Aktie und dem Abschlag zum Buchwert. Tencent liegt außerhalb ihrer Kontrolle, aber zumindest haben sie jetzt eine überzeugende Strategie, um den Abschlag zu verringern.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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June 28, 2022 06:03 ET (10:03 GMT)