Berlin (Reuters) - Der italienische Großaktionär MediaForEurope (MFE) hält erstmals direkt mehr als 25 Prozent an ProSiebenSat.1 und löst damit ein Prüfverfahren der deutschen Medienaufsicht aus.

Die MFE-Holding des früheren italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi erhöhte vor der ProSieben-Hauptversammlung ihren Stimmrechtsanteil auf 25,73 Prozent, von zuletzt 22,72 Prozent, wie am Freitag aus einer Pflichtmitteilung hervorgeht. Der Gesamtanteil - einschließlich Finanzinstrumenten - sank minimal auf 28,87 Prozent. Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) erklärte, MFE habe den Schritt angezeigt. Nun gebe es ein Prüfverfahren unter anderem von der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK).

"Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten wird sich die Beteiligungserhöhung vor allem unter dem Gesichtspunkt der Staatsferne anschauen", sagte BLM-Präsident Thorsten Schmiege der Nachrichtenagentur Reuters. Im Medienstaatsvertrag sei das verfassungsrechtlich verankerte Gebot der Staatsferne festgeschrieben und Berlusconi sei als Senator eine führende Kraft in einer an Italiens Regierung beteiligten Partei. "Insofern ist die Gefahr der Einflussnahme auf die TV-Programme der Sendergruppe im Blick zu behalten." Über diesen Einzelfall hinaus sei eine Grundsatzentscheidung zum Einfluss ausländischer staatlicher oder staatsnaher Stellen auf Medien in Deutschland und auch in Europa notwendig, so Schmiege.

Die Aufsichtsgremien prüfen also, ob es in puncto Medienkonzentration Beanstandungen für ein verstärktes Engagement der Italiener beim deutschen TV-Konzern gibt. Im November 2022 hatte die KEK erklärt, es lägen "derzeit keine Anhaltspunkte für einen der Beherrschung vergleichbaren Einfluss der MFE, etwa durch personelle Verflechtungen auf der Leitungsebene, Zustimmungsvorbehalte oder enge Zulieferbeziehungen, vor". Mit Überschreiten der Schwelle von 30 Prozent wäre ein Übernahmeangebot fällig, was derzeit in der Branche aber als unwahrscheinlich gilt und auch MFE selbst vorerst ausschließt.

ProSieben sucht derweil Fachleute für den Aufsichtsrat und will hier seinem Großaktionär entgegenkommen. Geplant sei, dass die MFE-Managerin und Deutschland-Statthalterin Katharina Behrends in das Kontrollgremium einziehe, erfuhr Reuters von mehreren mit der Sache vertrauten Personen. Zudem soll der ehemalige Beiersdorf-Vorstand Thomas Ingelfinger als unabhängiger, aber von MFE gestützter Kandidat Aufsichtsrat werden. MFE und ProSieben lehnten eine Stellungnahme dazu ab. Die Personalrochade dürfte demnächst mit den Einladungen für die auf den 30. Juni verschobene Hauptversammlung veröffentlicht werden.

Für das Kontrollgremium soll es vier neue Mitglieder geben. Der neue tschechische Investor PPF, der direkt 10,1 Prozent hält und indirekt weitere 3,0 Prozent, hat zwar auch ein Aufsichtsratsmandat beansprucht. Aber kürzlich hieß es im Umfeld des bayerischen Konzerns, dass die von der Milliardärin Renata Kellnerova beherrschte Firma PPF damit nicht rechnen könne.

Der neue ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets muss derzeit an mehreren Fronten für Ruhe sorgen. So gilt es Wogen um die Gutschein-Tochter Jochen Schweizer zu glätten, die die Staatsanwaltschaft und die Finanzaufsicht BaFin auf den Plan gerufen hat. Zudem muss der Niederländer das Geschäft durch die Werbeflaute steuern, die 2022 Umsatz und Gewinn drückte. In der Folge will der Konzern Kosten sparen und Jobs abbauen, hat dies aber nicht näher beziffert. Jüngst vergraulte Habets die Aktionäre mit der Ankündigung, die Dividende massiv zu kürzen. Das sorgte für einen Absturz der ProSieben-Aktie. Seit Anfang 2023 hat das im MDax notierte Papier etwa vier Prozent verloren, in den vergangenen fünf Jahren sogar rund 72 Prozent.

(Bericht von Klaus Lauer. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)