(neu: Verschüttete Mariupol, UN-Zahlen zu Opfern, US-Sanktionen, Russland zu Beschuss Lwiw)

KIEW (dpa-AFX) - Russlands Präsident Wladimir Putin hat bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit dem Einmarsch in die Ukraine seine Armee für ihren "heldenhaften" Einsatz gelobt. Alle Pläne würden umgesetzt, sagte Putin am Freitag in einer Rede vor Zehntausenden jubelnden Menschen im Moskauer Luschniki-Stadion. Der Auftritt sorgte aber vor allem für Aufsehen, weil die Übertragung im Staatsfernsehen ohne Angabe von Gründen plötzlich unterbrochen wurde. Stattdessen liefen aufgezeichnete Bilder.

Putin brachte die Rede im Stadion zu Ende, blieb aber auffällig kurz. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow führte technische Probleme als Grund für die Unterbrechung an. Es habe eine Panne auf einem Server gegeben. Anlass für Putins Auftritt war der achte Jahrestag der Einverleibung der Schwarzmeer-Halbinsel Krim am 18. März 2014.

Beide Seiten berichten von Erfolgen

Sowohl die Ukraine als auch Russland berichteten am 23. Kriegstag von militärischen Erfolgen. Nach Angaben aus Kiew halten die Streitkräfte weiter die wichtigsten Gebiete. Die Truppen antworteten auf jeden Angriff russischer Einheiten, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft. Selenskyj versprach seinen Landsleuten: "Ihr werdet frei sein."

Am Flughafen der westukrainischen Stadt Lwiw schlugen mehrere Raketen ein. Moskau bestätigte eine Offensive auf den Flugplatz. Dort seien ukrainische Kampfflugzeuge abgestellt gewesen. Zudem sei eine Werkstatt zerstört worden. Lwiw (früher: Lemberg) ist nur 80 Kilometer von der Grenze zum Nato-Mitglied Polen entfernt. In der Stadt und der umliegenden Region leben laut Bürgermeister Andrij Sadowij jeweils rund 200 000 Kriegsflüchtlinge.

Die russische Armee berichtete, dass sie 90 Prozent des ostukrainischen Verwaltungsgebiets Luhansk unter Kontrolle gebracht habe. Die selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk werden seit 2014 von Russland unterstützt und ausgerüstet. Nach Einschätzung der britischen Geheimdienste hat Moskau Probleme, seine Truppen mit Lebensmitteln oder Benzin zu versorgen, weil es keine Kontrolle über den Luftraum habe.

Zwei Tage nach dem schweren Bombenangriff auf ein Theater in der belagerten ukrainischen Hafenstadt Mariupol sind nach Angaben von Selenskyj noch immer Hunderte Menschen unter den Trümmern begraben. Rund 1000 Menschen sollen sich dort aufgehalten haben. Am Donnerstag wurden 130 Menschen lebend aus dem Gebäude gerettet. Für den Angriff weisen sich Russland und die Ukraine gegenseitig die Schuld zu.

Telefondiplomatie mit Putin

In einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warf Putin der ukrainischen Armee nach Angaben des Kremls Kriegsverbrechen vor. Beim Beschuss von Wohnvierteln in den Städten Donezk und Makijiwka habe es zahlreiche Todesopfer gegeben. US-Präsident Joe Biden hatte Putin diese Woche einen "Kriegsverbrecher" genannt. Die deutsche Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann bekräftigte nach dem Telefonat: "Ziel der Bundesregierung ist, dass die russische Führung ihr Verhalten ändert und den Krieg in der Ukraine sofort beendet, ihre Aggression sofort beendet und dann im Weiteren eine Verhandlungslösung gesucht wird."

Putin sprach auch mit seinem französischen Kollegen Emmanuel Macron. Nach Kreml-Angeben versicherte Putin, dass die russischen Streitkräfte alles unternähmen, "um das Leben von Zivilisten zu retten". Die Ukraine wirft Moskau auch den gezielten Beschuss von ziviler Infrastruktur vor. Wie es aus dem Élysée-Palast hieß, ging Macron in dem Gespräch auf die sich mit anhaltenden Angriffen auf Zivilisten und einer Nichtbeachtung der Menschenrechte verschlimmernde Lage in der Ukraine ein.

Appell von Chinas Staats- und Parteichef Xi an die USA

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping bot Biden in einem fast zwei Stunden langen Telefonat an, sich gemeinsam für Frieden in der Welt einzusetzen. "Die Krise in der Ukraine ist etwas, das wir nicht sehen wollen", sagte Xi nach einem Bericht des staatlichen Fernsehsenders CCTV. Als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sollten beide Staaten "Anstrengungen für Frieden und Ruhe in der Welt unternehmen". Die US-Regierung hatte China zuvor gewarnt, Russland im Krieg gegen die Ukraine mit militärischer Ausrüstung zu unterstützen.

Mit neuen und weltweit greifenden Sanktionen will die US-Regierung Dutzende russische Flugzeuge "effektiv stilllegen". Zu den betroffenen 99 Maschinen gehören demnach etwa ein Fünftel aller Flugzeuge der staatlichen russischen Airline Aeroflot sowie mehrere Frachtflugzeuge und ein Privatjet des Oligarchen Roman Abramowitsch.

Mehr als drei Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine

Seit Beginn des russischen Einmarschs am 24. Februar haben sich nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerkes schon 3,3 Millionen Menschen in Sicherheit gebracht. In Deutschland kamen nach Angaben der Bundesregierung etwa 200 000 Kriegsflüchtlinge an. Die tatsächliche Zahl dürfte noch höher liegen. Erfasst werden nur Geflüchtete, die von der Bundespolizei angetroffen werden - etwa an der österreichisch-bayerischen Grenze, an Bahnhöfen oder in Zügen.

Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat seit dem Einmarsch am 24. Februar den Tod von 816 Zivilisten dokumentiert. Das Hochkommissariat gibt nur Todes- und Verletztenzahlen bekannt, die es selbst unabhängig überprüft hat - die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen.

Ampelkoalition arbeitet an neuem Sicherheitskonzept für Deutschland

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs arbeitet die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP an einem neuen Sicherheitskonzept für Deutschland. Außenministerin Annalena Baerbock unterstrich die deutsche Bereitschaft zu einem stärkeren internationalen Engagement für Frieden und Sicherheit.

Russisches Staatsmedium RT darf Programm vorerst nicht verbreiten

Nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin darf das Programm des russischen Staatsmediums RT vorerst nicht weiter verbreitet werden. Die Richter wiesen einen Eilantrag der RT DE Productions GmbH zurück. Über die eigentliche Klage ist noch nicht entschieden. Die deutschen Medienregulierter hatten Anfang Februar ein Sendeverbot erteilt, weil die Rundfunklizenz fehlte. Auch Großbritannien untersagte RT, sein Programm auszustrahlen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist unterdessen zu einem Besuch in den Golf-Emiraten, um neue Gaslieferanten für Europa gewinnen. Damit soll auch die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas geringer werden. Habecke sagte in der ARD: "Wir zielen vor allem darauf, dass wir in Deutschland LNG-Terminals aufbauen." Er sei "guter Dinge, dass die Summe der Gespräche, die wir führen - Norwegen, die USA, Kanada, Katar - dazu führen wird, dass wir dann auch neues, also mehr Flüssiggas nach Europa und auch nach Deutschland bekommen"./da/DP/stw