SAP hat im vierten Quartal mehr als 200 Kunden alleine im ERP-Bereich von Oracle auf die eigenen Plattformen geholt. Diese Aussage von CEO Christian Klein aus dem Call mit Analysten Ende Januar hat neue Relevanz erhalten, nachdem Larry Ellison, der Gründer und derzeitige Chief Technology Officer von Oracle, bei der Vorlage der Quartalszahlen am Mittwoch massive Kundengewinne zu Lasten von SAP für seinen Konzern reklamiert hat.

Im Earnings Call las er mehrere Minuten lang die Namen der gewonnenen Unternehmen vor. Oracle habe Verträge über mehrere hundert Millionen Dollar für den Wechsel mehrerer großer Unternehmen von der SAP ERP zu Oracles Fusion ERP unterzeichnet. ERP-Software (Enterprise Resource Planning) wird zur umfassenden Unternehmenssteuerung eingesetzt.

Der transatlantische Konkurrenzkampf um die Deutungshoheit, wer Marktanteile zu Lasten des anderen gewinnt, ist damit in eine neue Runde gegangen. Möglicherweise hatte, was für SAP eher unüblich ist, die mit Zahlen unterlegte Klein-Aussage Ellison zu diesem "Gegenschlag" ermuntert. Der SAP-CEO hatte im Januar zudem Marktanteilsgewinne mit der ERP-Plattform S/4Hana betont, was auch sein eher für die lauten Töne bekannter Vorgänger Bill McDermott regelmäßig getan hatte. Auch der Hinweis von Klein auf den Gewinn einer "massiven Zahl an hochwichtigen Kunden" im vierten Quartal, wobei bei einigen Konkurrenzsysteme abgelöst worden seien, ist gängige Praxis in diesem verbalen Schlagabtausch.

Dass Kunden von einem zum anderen Anbieter wandern, ist nicht ungewöhnlich, nicht nur im Softwaresektor. Insgesamt sieht sich SAP im Saldo dieser Wechsel aber auf der positiven Seite, wie aus dem Unternehmen verlautete.

Ein belastbarer Vergleich ist indes schwierig: Denn ist die Zahl der gewonnenen Kunden entscheidender oder das Volumen der Aufträge oder zählen die Systeme jenseits der Kern-ERP wie Software für Beschaffung, Personal, Reisekostenabrechnung etc auch dazu?

Wie das SAP-Management wiederholt hervorgehoben hat, ist die Erweiterung der Angebotspalette durch das sogenannte Erfahrungsmanagement für die weitere Entwicklung besonders wichtig. Dieses hat sich der Konzern mit Qualtrics für viel Geld eingekauft und baut es stetig aus. Durch den Börsengang eines Minderheitsanteils an der US-Tochter will SAP deren Technologie auch für Kunden und Anbieter außerhalb des eigenen Kosmos öffnen.

Klar scheint vor allem, dass der Konkurrenzkampf läuft und wohl weiter das Geschäft beleben wird. Letztlich werden sowohl Oracle als auch SAP mit ordentlichen Wachstumsraten vorankommen, nicht nur durch Wechsel-, sondern auch und gerade durch Neukunden. Denn die Digitalisierung und der Drang in die Cloud ist und bleibt das Thema nicht nur für Unternehmen.

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March 11, 2021 04:20 ET (09:20 GMT)