OMV ist eines der wenigen und bei weitem das wichtigste österreichische Öl- und Gasunternehmen – aber gleichzeitig mit einer Marktkapitalisierung von „nur“ 16 Mrd. Euro das kleinste der westeuropäischen Ölmajors (die entspricht in etwa einem Siebtel des Börsenwerts von Total). Die spanische Repsol, die wir an dieser Stelle bereits vorgestellt haben, ist knapp grösser.

 

Chart OMV AG

 

Wie die gigantischen Ölkonzerne Total, Royal Dutch Shell oder Exxon verfügt auch OMV über ein vertikal integriertes Geschäftsmodell mit den Bereichen Upstream (Exploration und Produktion) und Downstream (Lagerung, Raffination und Verteilung). Mit dieser breiten Abdeckung des Öl- und Treibstoffgeschäfts kann das Unternehmen potentielle negative Konsequenzen aus stark steigenden oder fallenden Ölpreisen abfedern.

Im historischen Vergleich liegen sowohl die Margen als auch die Kapitalrendite des Unternehmens deutlich unter dem Industriedurchschnitt. Diese suboptimale Leistung kann möglicherweise ganz oder teilweise durch die Aktionärsstruktur begründet werden. Diese wird nämlich seit geraumer Zeit von politisch motivierten Interessensvertretern dominiert, wie von der Tatsache unterstrichen wird, dass die österreichische Regierung und einer der Staatsfonds Abu Dhabis zusammen ca. die Hälfte der Anteile kontrollieren.

Seit dem Jahr 2015 verbessert sich die Situation bei OMV jedoch merklich. Der Hauptgrund dafür liegt in der Anstellung des energiegeladenen Managers Rainer Seele als CEO. Dieser kam mit den Vorschusslorbeeren der erfolgreichen Restrukturierung der Wintershall Holding – des Öl- und Gasbereichs von BASF – zu OMV.  Mit Hilfe der ihm entgegengebrachten Anerkennung konnte Seele umgehend eine umfangreiche Umorganisation der über die Jahre eingefahrenen Strukturen des Unternehmens durchführen.

OMVs Portfolio an Rohstoffbesitz wurde unter der Führung des neuen Vorstandsvorsitzenden überarbeitet: Ein großer Teil von OMVs Rohstoffvorkommen in der Nordsee sowie das Tankstellennetzwerk in der Türkei wurden veräußert. Gleichzeitig wurde mit dem Erwerb einer 25%igen Beteiligung (für $ 1,9 Milliarden) am Gasfeld Yuzhno Russkoye, welches von Gazprom kontrolliert und betrieben wird, in den russischen Markt investiert. Darüberhinaus wurden neue Explorationsprogramme im Iran gestartet und die Produktion in Libyen vorsichtig wieder hochgefahren.

In einer Form von unternehmerischem Realismus nutzt  das Unternehmen die politische Neutralität Österreichs, um sich in sensiblen Regionen zu entwickeln. OMVs CEO Rainer Seele macht keinen Hehl aus diesem Ansatz wie sich an diesem Zitat zeigt: „Am Ende hängt der geschäftliche Erfolg in unserer Branche sehr von politischen Beziehungen ab“. Damit folgt Seele offensichtlich der Devise von Jean-Claude Gandur « Trouble is my business » und macht sich die wirtschaftlichen Defizite in bestimmten Regionen zu Nutzen, indem man zu attraktiven Preisen investiert. 

Mit der Umschichtung des Rohstoffportfolios  gepaart mit einem umfangreichen Kostensenkungsprogramm (vor allem bei den Verträgen mit Dienstleistern gab es deutlichen Spielraum) zielt man darauf ab, den OMV Konzern für einen dauerhaft niedrigen Ölpreis zu positionieren.

Es ist durchaus bemerkenswert, dass die Betriebskosten pro Barrel (die reinen Extraktionskosten, ohne Berücksichtigung der mit der Planung und Bohrung verbundenen Kosten) unter 9 Dollar gebracht werden konnten. Damit konnte das Unternehmen ein regelrechtes Kunststück vollbringen. Zum Vergleich, die effizientesten US-Produzenten aus dem Bakken oder Permian Becken extrahieren ihr Erdöl zu Kosten von ca. 15 Dollar pro Barrel. Rainer Seeles Ambititonen reichen sogar noch weiter. Er hat die Marke von 7 Dollar als Ziel für die Betriebskosten ausgerufen.

Tamás Pletser, ein auf den Öl- und Gassektor spezialisierter Analyst, fasst die Veränderung von OMV so zusammen: Das operationelle Risiko wurde durch ein geopolitisches Risiko ersetzt.

OMV geht somit eine gewagte Wette ein, denn der langfristige Erfolg des Unternehmens hängt zu einem großen Teil von der Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU, den USA, Russland und dem Iran ab. Allerdings stammt die Hälfte der Produktion (Gas und Öl kombiniert) immer noch aus Mitteleuropa, d.h. vor allem Österreich, Rumänien und der Nordsee.

Darüberhinaus richtet Rainer Seele das Unternehmen mehr auf den Downstreambereich  mit Raffination, Petrochemie usw. aus. Dieser Geschäftsbereich ist stabiler als die Erdölproduktion und auch durchaus profitabel, falls der Rohölpreis unter 50- 60 Dollar verbleibt. Für zusätzliche Details zur strategischen Ausrichtung des OMV Konzerns raten wir Ihnen, die sehr vollständige Aktionärspräsentation aus dem Mai 2017 einzusehen.

Die OMV Gruppe ist im Jahr 2016 in die Gewinnzone zurückgekehrt, wobei ein freier Cashflow von 800 Mio. Euro erzielt werden konnte. Der vom Management präsentierte Betrag von 1,1 Mrd. Euro (im Einklang mit den gängigen Buchhaltungsvorgaben) ist ein bisschen irreführend, denn es werden die Erlöse aus dem Verkauf von Vermögenswerten mit einberechnet.

Die Verschuldung belief sich zum Jahresschluss auf  ca. 7 Mrd. Euro (Nettoverschuldung plus Rückstellungen) gegenüber 13 Mrd. Euro Eigenkapital. Der CEO Seele hat bereits angekündigt, dass das Unternehmen nicht mehr wie in der Vergangenheit Schulden machen wird, um die Dividendenausschüttungen an die Aktionäre zu erhöhen. Eine sehr sinnvolle Massnahme.

 

 

 

Die positiven Entwicklungen seit dem Jahr 2015 wurden vom Markt gut aufgenommen. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass sich der Aktienkurs seit dem Jahr 2015 verdoppelt hat - dem schwierigen Marktumfeld in der Ölindustrie zum Trotz.

Noch bemerkenswerter ist die Tatsache, dass man das Jahr 2017 mit Höchstgeschwindigkeit begonnen hat: Der Cash-Flow im ersten Quartal lag bei ca. 600 Mio. Euro, ausschließlich dem Verkauf von Vermögenswerten, und die Verbindlichkeiten wurden um 1,3 Mrd. Euro reduziert. Falls sich diese Tendenz fortsetzt, wird das Unternehmen aktuell mit weniger als dem Siebenfachen des Jahresergebnisses bewertet.

Wir schlagen unseren Lesern vor, OMV darüberhinaus mit einer Sum-of-the-Parts (der Summe der Werte der einzelnen Geschäftsreiche) Bewertung zu betrachten, so wie wir es auch im Fall von Repsol getan haben. Beide Unternehmen befinden sich in vielerlei Hinsicht in einer sehr ähnlichen Situation – allerdings hat Repsol keinen so profilierten CEO wie Rainer Seele.

Den Wert des Upstream Geschäftsbereichs kann man über die Menge der vorhandenen Reserven beurteilen. Bei einem Wert von 9 Euro pro Barrel (s. Repsol) kommt man auf einen Betrag von ca. 9 Mrd. Euro für OMVs Rohstoffvorkommen.

Bei der Bewertung des Downstream Geschäftsbereich kann man sich auf den Gewinn vor Steuern und Zinsen stützen, welcher sich im vergangenen Jahr auf 1,5 Mrd. Euro belief (Vorsicht: Dieses Ergebnis profitiert von den niedrigen Ölpreisen). Wenn man auf diesen Gewinn einen recht konservativen Faktor von 12x ansetzt, erhält man einen Marktwert von ca. 18 Mrd. Euro für diesen Geschäftsbereich.

Nach Abzug der langfristigen Verbindlichkeiten von ca. 7 Mrd. Euro erhält man eine Unternehmensbewertung von ca. 20 Mrd. Euro. Damit ergibt sich Bewertungsabschlag von ca. 20% auf den Nettovermögenswert

Vorausgesetzt, dass größere geopolitische Differenzen ausbleiben, so dass der Restrukturierungsplan des Unternehmens nicht gefährdet wird, bietet die OMV Aktie eine attraktive Anlagechance für ein gut diversifiziertes Portfolio.