Zürich/Tokio/Frankfurt (Reuters) - Die Schieflage des US-Hedgefonds Archegos Capital sorgt für ein Beben bei zahlreiche Großbanken.

Der Schweizer Credit Suisse und der japanischen Investmentbank Nomura drohen Milliardenverluste. Die Deutsche Bank gab dagegen Entwarnung. Auch die US-Investmentbank Goldman Sachs kommt wohl ohne größere Blessuren davon. Bei der Credit Suisse dürfte sich der Verlust durch die Probleme des Hedgefonds internen Schätzungen zufolge mindestens auf eine Milliarde Dollar belaufen, wie zwei mit der Sache vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Montag sagten. Einer der Insider erklärte, der Verlust könne sogar auf bis zu vier Milliarden Dollar klettern. Auch die "Financial Times" nannte diese Obergrenze. Die Credit Suisse selbst warnte lediglich vor einem Verlust, der "sehr bedeutend und wesentlich" für der Ergebnis des ersten Quartals sein könnte. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) hat sich in der Sache eingeschaltet.

Die japanische Nomura bezifferte den Fehlbetrag auf zwei Milliarden Dollar. Die beiden Banken nannten den Namen des in Schieflage geratenen Hedgefonds zwar nicht, doch laut Finanzkreisen handelt es sich um den von Bill Hwang geführten Fonds Archegos. Die Deutsche Bank kommt nach eigenen Angaben ungeschoren durch die Turbulenzen. Die Bank habe ihr Engagement deutlich reduziert, ohne Verluste erlitten zu haben, erklärte Deutschlands größtes Geldhaus. Die verbliebenen kleineren Positionen baue das Frankfurter Institut ab und erwarte daraus keine Verluste.

An der Börse sorgte die Nachrichten für eine massive Verunsicherung der Anleger. Die Aktien der Credit Suisse stürzten in Zürich um 17 Prozent ab - das ist der größte Tagesverlust seit dem Börsencrash vom Frühjahr 2020. Die Nomura-Anteile waren in Tokio um 16 Prozent eingebrochen. Die Titel der Deutschen Bank gaben in Frankfurt um drei Prozent nach.

ARCHEGOS BLIEB SICHERHEITEN SCHULDIG

Das zweitgrößte Schweizer Geldhaus erklärte, ein bedeutender Hedgefonds sei Nachschusspflichten - sogenannte Margin-Calls - nicht nachgekommen. Da der Investor kein Geld einschoss, seien die Credit Suisse und andere Banken dabei, Wertpapier-Positionen aufzulösen. Ein Insider sagte am Samstag, auch Goldman Sachs sei beteiligt gewesen. Am Montag erklärte eine weitere mit der Situation vertraute Person, dass die Verluste für die US-Investmentbank unerheblich seien. Auch die Agentur "Bloomberg" und die Zeitung "Financial Times" berichteten am Samstag, dass Goldman Aktien im Wert von mehr als zehn Milliarden Dollar abgestoßen habe. Der "Financial Times" zufolge habe Morgan Stanley am Freitag in zwei Wellen Aktien im Wert von rund acht Milliarden Dollar verkauft.

Bei einem Margin-Call fordert eine Bank einen Kunden auf, mehr Sicherheiten zu stellen, wenn ein Geschäft, das teilweise mit geliehenem Geld finanziert wurde, stark an Wert verloren hat. Können diese Sicherheiten nicht beigebracht werden, veräußern die Kreditgeber üblicherweise die Wertpapiere, um an das geschuldete Geld zu gelangen.

Am Freitag hatte ein Ausverkauf von Aktien in den USA zu markanten Kursverlusten bei einer Reihe von Unternehmen geführt, die einem Insider zufolge mit Archegos in Verbindung stehen. Die Papiere der Medienkonzerne ViacomCBS und Discovery hatten jeweils 27 Prozent an Wert verloren. Die in den USA notierten Anteile der chinesischen Konzerne Baidu und Tencent Music waren im Laufe der Woche um ein Drittel beziehungsweise knapp 50 Prozent abgesackt.

Investoren halten systemische Risiken zum jetzigen Zeitpunkt zwar für unwahrscheinlich, zeigten sich allerdings nervös über das Ausmaß der Auflösung von Archegos-Positionen und mögliche weitere Verkäufe. Das Unternehmen, geführt von Bill Hwang, ging aus dem Hedgefonds Tiger Asia hervor. Der Manager einigte sich 2012 mit der US-Börsenaufsicht SEC gegen Zahlung von 44 Millionen Dollar auf die Einstellung von Ermittlungen zu Insiderhandel. Archegos, auf der Firmen-Internetseite als Family Office bezeichnet, soll Medienberichten zufolge rund zehn Milliarden Dollar verwalten. Hwang war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

NEUER RÜCKSCHLAG FÜR CREDIT SUISSE

Die Verlustwarnung ist ein erneuter Rückschlag für die Credit Suisse, die bereits in den Strudel der insolventen Finanzfirma Greensill geraten ist. "Wenn die Zahlen, die man über die Credit Suisse lesen kann, stimmen, gibt es eindeutig ein großes Problem im Risikomanagement", sagte Jerome Legras, Chefanalyst bei Axiom Alternative Investments. Die Großbank erwägt Investoren zu entschädigen, die vom Zusammenbruch von Fonds betroffen sind, die Greensill verbunden sind. Insidern zufolge könnte dies zumindest hunderte von Millionen Franken kosten.

2020 hatte die Credit Suisse einen Gewinnrückgang von 22 Prozent auf 2,7 Milliarden Franken verbucht. Unter anderem hatte ein Wertverlust auf einer Beteiligung am Hedgefonds-Anbieter York Capital ins Kontor geschlagen.