Der scheidende Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hat die Kritik am Urteil der Karlsruher Richter zu den EZB-Anleihekäufen zurückgewiesen.

"Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Entscheidung für Europa eine gute Entscheidung ist, weil sie die Bindung an das Recht stärkt. Das wird sich mittelfristig und langfristig zeigen," sagte Voßkuhle der Wochenzeitung "Die Zeit" laut einem Vorabbericht vom Mittwoch. "Wir sehen, dass unser Urteil viele bedrückt, und das freut uns nicht." Verfassungsgerichte seien legitimiert und verpflichtet, in seltenen Ausnahmefällen bei besonders gravierenden Kompetenzverletzungen der europäischen Institutionen einzuschreiten.

Die Karlsruher Verfassungsrichter hatten die billionschweren Aufkäufe von Staatsanleihen der Euro-Länder durch die Europäische Zentralbank (EZB) als teilweise verfassungswidrig eingestuft. Mit ihrem Urteil stellten sie sich gegen den Europäischen Gerichtshof (EuGH), der Ende 2018 in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis kam, dass die Käufe nicht gegen EU-Recht verstoßen. Die EU-Kommission schließt nach dem Karlsruher Urteil ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland nicht aus. Sie kann gemäß den EU-Verträgen rechtliche Schritte in Form solcher Verfahren gegen EU-Länder einleiten, die EU-Recht nicht umsetzen.

Ein solches Verfahren gegen Deutschland würde aus Sicht von Verfassungsrichter Peter Huber allerdings den Konflikt verschärfen. Dies brächte "eine er­heb­li­che Es­ka­la­ti­on, die Deutsch­land und an­de­re Mit­glied­staa­ten in ei­nen schwer auflösbaren Ver­fas­sungs­kon­flikt stür­zen könn­te", sagte Huber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Mittwochausgabe). Der schranken­lo­se Vor­rang des Uni­ons­rechts sei mit der Ewigkeitsgaran­tie des Grund­ge­set­zes und vie­len an­de­ren Verfassun­gen nicht ver­ein­bar. "Auf lan­ge Sicht wür­de das die Euro­päi­sche Uni­on schwä­chen oder ge­fähr­den", warnte er.