VEVEY (dpa-AFX) - Die Hamsterkäufe wegen der Corona-Pandemie haben dem Lebensmittelkonzern Nestle im ersten Quartal ein überraschend kräftiges Absatzplus beschert. Wie sich das Geschäft weiter entwickelt, wagt die Konzernspitze allerdings nicht wirklich einzuschätzen. Auch wenn es zu früh sei, die vollen Auswirkungen von Covid-19 zu beurteilten, "halten wir an unserem ursprünglichen Ausblick für das Gesamtjahr 2020 vorläufig fest", teilte das an der Börse wertvollste Unternehmen Europas am Freitag im schweizerischen Vevey mit.

Am Finanzmarkt kamen die Nachrichten gut an. Mit einem Kursplus von 1,57 Prozent auf 106,34 Franken war die Nestle-Aktie am Morgen der einzige Gewinner im schweizerischen Leitindex SMI und zweitstärkster Wert im europäischen Auswahlindex Stoxx Europe 50.

Der Nestle-Kurs hatte sich bereits in den vergangenen Wochen vom Tief im Corona-Crash von knapp über 83 Franken erholt. Seit der frühere Fresenius-Chef Mark Schneider Anfang 2017 die Führung des Herstellers etwa von Nespresso, Nescafé, Maggi, Wagner-Pizza und Mövenpick-Eis übernommen hat, ist der Aktienkurs um rund 45 Prozent gestiegen. Mit umgerechnet rund 296 Milliarden Euro ist Nestle an der Börse inzwischen mehr wert als die Pharmakonzerne Roche (283 Mrd) und Novartis (207 Mrd).

Mit seiner breiten Produktpalette profitierte der Konzern in der Corona-Krise bisher davon, dass sich Menschen in vielen Ländern in Europa und Nordamerika angesichts von Ausgangssperren und Kontaktverboten mit Vorräten eindeckten. In den ersten drei Monaten des Jahres legte das Nestle-Geschäft stärker zu als von Experten erwartet. Vor allem Fertiggerichte, Kaffee und Heimtierbedarf waren gefragt, ebenso Produkte aus dem Gesundheitssegment. Süßwaren und Speiseeis verkauften sich hingegen weniger gut.

Wenn man Währungsschwankungen und den Kauf und Verkauf von Unternehmensteilen herausrechnet, wuchsen die Erlöse um 4,3 Prozent auf 20,8 Milliarden Franken (rund 20 Mrd Euro). Von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragte Experten hatten mit einem Anstieg von drei Prozent gerechnet. Allerdings zehrte der Anstieg des Schweizer Franken die Zuwächse komplett auf. Zudem wirkte sich der Verkauf von Sparten aus, so dass der berichtete Umsatz um 6,2 Prozent zurückging.

Überall hätten sich die Verkäufe vom Außer-Haus-Konsum zum Heimkonsum verschoben, hieß es. So haben Restaurants in vielen Ländern noch immer geschlossen. Die Erlöse bei Nestle Professional, Wasserprodukten und den Nespresso-Boutiquen gingen den Angaben zufolge deutlich zurück, während der Online-Handel um fast 30 Prozent anzog und erstmals mehr als 10 Prozent des Konzernumsatzes erreichte.

Eine neue Prognose für 2020 traut sich die Konzernführung um Schneider aber noch nicht zu. Die finanziellen Folgen der Pandemie seien weiter schwierig zu beziffern und hingen von der Dauer und den gesamtwirtschaftlichen Folgen der Krise ab. Vorläufig rechnet das Management daher weiter damit, dass Nestle den Umsatz 2020 ohne Währungs- und Übernahmeeffekte steigern und die operative Marge auf vergleichbarer Basis nach oberen treiben kann. Zudem soll auch der um Sondereffekte bereinigte Gewinn je Aktie steigen.

Unterdessen denkt das Management darüber nach, sich von der Yinlu-Sparte mit Erdnussmilch und Reisporridge-Konserven zu trennen. Das bestehende Nescafé-Geschäft mit trinkfertigem Kaffee will der Konzern hingegen behalten und weiterentwickeln. Im Januar hatte Nestle bereits sein US-Geschäft mit Speiseeis an sein bestehendes Gemeinschaftsunternehmen mit PAI Partners verkauft, das unter dem Namen Froneri firmiert. Bis Ende Juni will der Konzern auch seine 60-prozentige Beteiligung an Herta Charcuterie, die Aufschnitt und Fleischwaren herstellt, an Casa Tarradellas loswerden.

Zukäufe gibt es in anderen Bereichen. Bis Jahresmitte soll der Kauf des Magen-Darm-Medikaments Zenpep über die Bühne gehen, und gerade erst hat Nestle den Tierfutter-Hersteller Lily's Kitchen übernommen./stw/zb/eas/jha/