Vevey (awp) - Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé publiziert am Mittwoch, 20. Oktober, die Zahlen zu den ersten neun Monaten 2021. Insgesamt haben acht Analysten zum AWP-Konsens beigetragen.

9M 2021E
(in Mio Fr.)           AWP-Konsens   9M 2020

Umsatz                    62'746      61'912

(in %)
Organisches Wachstum        6,4         3,5
RIG Wachstum                5,0         3,3


Q3 2021E                             Q2 2021

(in %)
Organisches Wachstum        3,8         8,6           
RIG Wachstum                2,1         7,3           

FOKUS: Nestlé dürfte auch im dritten Quartal gewachsen sein. Experten erwarten jedoch aufgrund der starken Vergleichsbasis eine tiefere Wachstumsrate als in den letzten beiden Quartalen, als der Lebensmittelriese ein organisches Wachstum von 7,7 Prozent (Q1) beziehungsweise 8,6 Prozent (Q2) verzeichnete. Solche Wachstumsraten hatte Nestlé zuletzt vor 10 Jahren erreicht. Im Q3 gehen die Analysten laut Konsens von einem Wachstum von 3,8 Prozent aus, wobei die Schätzungen mit 2,8 bis 4,7 Prozent eine grössere Spanne aufweisen. Der eigene von Nestlé erhobene Konsens liegt leicht darunter.

Wachstumstreiber dürften nach Einschätzung der Analysten die altbekannten Boom-Produkte Kaffee und Tierfutter sein. Aber auch die vegetarischen und pflanzlichen Lebensmittel - allen voran die Fleischersatz-Marke Garden Gourmet - haben wohl deutlich zugelegt. Diese Annahme wird durch ein am Montag veröffentlichtes Zeitungsinterview mit Nestlé-Firmenchef Mark Schneider untermauert, wonach sich "etwas Gewaltiges" im Bereich der Fleischersatzprodukte und der vegetarischen Fertiggerichte tue. Das Real Internal Growth (RIG; das Mengenwachstum ohne Preisanpassungen) wird im Schnitt auf 2,1 Prozent geschätzt, was Preiserhöhungen von etwa 1,7 Prozent ergeben würde.

Analysten schauen mit Spannung darauf, wie sich die Preisinflation und damit verbunden die höheren Inputkosten bei Nestlé ausgewirkt haben und wie der Konzern bezüglich Pricing darauf reagiert hat. Die Experten rechnen damit, dass die rekordhohen Kosten die Marge deutlich drücken dürften und der Konzern damit wie bereits angekündigt keine Margenerhöhung erreichen dürfte. Gewinnzahlen veröffentlicht das Unternehmen zu den ungeraden Zahlen zwar keine, Investoren erhoffen sich aber genauere Aussagen zum Thema. Nachdem Nestlé die Investoren mit einer Margenzielsenkung anlässlich der Halbjahreszahlen noch etwas verschreckt hat, richten sich nun die Blicke bereits auf 2022. Dann sollte das Unternehmen wieder profitabel wachsen.

ZIELE: Nestlé strebt für das Gesamtjahr ein organisches Wachstum zwischen 5 und 6 Prozent an und eine operative Marge von ungefähr 17,5 Prozent. Experten gehen davon aus, dass der Nahrungsmittelriese beim organischen Wachstum im Rahmen der Zielbanbreite abscheiden und hier die Zielsetzung am Mittwoch bestätigt wird.

Dass die operative Marge im Gesamtjahr trotz zunehmendem Wachstum unter Vorjahr ausfallen dürfte, führt der Konzern unter anderem auf die höheren Inputkosten zurück. Im Vorjahr lag die Marge bei 17,7 Prozent.

Mittelfristig soll die Marge sich jedoch moderat verbessern. An diesem Ziel hält Nestlé fest. Beim Umsatz strebt Nestlé mittelfristig ein Wachstum im mittleren einstelligen Bereich - sprich 4 bis 6 Prozent - an.

PRO MEMORIA:

STRATEGIE: Nestlé will sich mit Blick auf die geografische Ausrichtung neu aufstellen. Unter anderem erhalten Nordamerika und Greater China ab dem neuen Jahr jeweils ihre eigene Zone. Grund dafür ist, dass Nestlé die Marktorientierung und so die Wettbewerbsfähigkeit in den beiden Märkten steigern will. Ausgebaut wird auch die Zone Asien, Ozeanien und Subsahara-Afrika (AOA), in der künftig auch die Märkte im Nahen Osten und Afrika integriert werden. In diesem Zusammenhang sorgte der Rücktritt von Chris Johnson, dem bisherigen Leiter der Zone AOA, für Gesprächsstoff. Der 60-Jährige war während 38 Jahren für Nestlé tätig. Sein Nachfolger und Leiter der erweiterten Zone wird der bisherige Marktchef Naher Osten und Nordafrika, Remy Ejel.

Um gegen die Lebensmittelverschwendung anzukämpfen, hat sich Nestlé der Allianz gegen Lebensmittelverschwendung angeschlossen. Zudem arbeitet das Unternehmen an der Umstellung auf eine "regenerative Landwirtschaft", die bis 2030 einen Beitrag zur Erreichung der Ziele zur nachhaltigen Entwicklung leisten soll. Bislang sind mehr als 500'000 Bauern in das Projekt involviert.

M&A: Die Nestlé-Gesundheitssparte Nestlé Health Science hat die Übernahme der Kernmarken von The Bountiful Company im August abgeschlossen. Für 5,57 Milliarden Dollar hat Nestlé das Geschäft und seine 4000 Mitarbeitenden vom US-Finanzinvestor KKR übernommen. Durch den Kauf wurde Nestlé Health Science laut eigenen Angaben zum Branchenführer bei Vitaminen, Mineralien, Kräutern und Nahrungsergänzungsmitteln (VMHS) im Massendetailhandel, im Fachhandel, im E-Commerce und im Direktvertrieb in den USA.

PRODUKTE & TRENDS: Laut Nestlé-Chef Mark Schneider liegt grosses Potenzial in vegetarischen und veganen Produkten. Mit den Fleischersatzprodukten erziele der Konzern inzwischen einen Umsatz von rund 200 Millionen Franken, sagte er gegenüber dem "Tages-Anzeiger". Rechne man pflanzliche Fertiggerichte hinzu, steige dieser Betrag auf über 700 Millionen Franken. Das Wachstum liege bei beiden Kategorien im starken zweistelligen Bereich. Demensprechend hat Nestlé zuletzt pflanzliche Shrimp- und Eialternativen lanciert.

Beim Schweizer Wassergeschäft will sich Nestlé künftig auf die Marke Henniez konzentrieren. Das Cristalp-Wasser sowie dessen Produktion in der Fabrik in Saxon im Kanton Wallis werden eingestellt. Ende September musste das Unternehmen für seine Marke Nespresso eine juristische Niederlage hinnehmen: Es kann die Form von der Kaffee-Kapseln nicht schützen lassen. Das Bundesgericht hat eine entsprechende Beschwerde von Nestlé gegen einen Entscheid der Waadtländer Justiz abgewiesen.

RECHTSFÄLLE: Nestlé ist ins Visier der französischen Wettbewerbsbehörden geraten. Man habe von dieser eine Mitteilung mit Beschwerdepunkten erhalten, teilte Nestlé vergangene Woche mit. Die französische Wettbewerbsbehörde wirft laut Nestlé insgesamt 14 Handelsorganisationen und 101 Unternehmen eine Einschränkung des Wettbewerbs vor, darunter einigen Tochtergesellschaften von Nestlé. Laut Konzernangaben weisen die Vorwürfe der Wettbewerbsbehörden auf eine "untergeordnete Rolle" von Nestlé hin. Eine Bewertung von möglichen finanziellen Auswirkungen sei derzeit nicht möglich. Weiter weist Nestlé die Vorwürfe "vehement zurück" und will sie "energisch anfechten".

Ende September erlitt Nestlé zudem noch eine juristische Niederlage: Die Form der Nespresso-Kapseln kann nicht durch das Markenrecht geschützt werden. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde des Nahrungsmittelmultis gegen einen Entscheid der Waadtländer Justiz abgewiesen.

AKTIENRÜCKKAUF: Nestlé hat Anfang 2020 ein neues Aktienrückkauf-Programm über 20 Milliarden Franken gestartet, das bis 2022 laufen soll. Per 12. Oktober waren Aktien für rund 11,5 Milliarden Franken zurückgekauft, wobei im Durchschnitt 104,40 Franken bezahlt wurden. Das entspricht beinahe 60 Prozent des gesamten geplanten Rückkaufvolumens.

AKTIENKURS: Nach einem nicht erklärbaren Kurseinbruch Ende Februar haben sich die Nestlé-Titel inzwischen erholt. Das Allzeithoch vom Juli bei 117,44 Franken haben sie bisher aber nicht wieder eingeholt. Aktuell notieren die Titel mit 115 Franken auf Jahressicht gut 10 Prozent im Plus, während der Leitindex SMI knapp 12 Prozent zugelegt hat.

jg/jl/tv