Vevey (awp) - Der Lebensmittelkonzern Nestlé publiziert am Donnerstag, 21. April, die Umsatzzahlen zum ersten Quartal 2022. Zum AWP-Konsens haben insgesamt zehn Analysten beigetragen.

Q1 2022E
(in Mio Fr.)             AWP-Konsens        Q1 2021A

Umsatz                     21'845            21'089


(in %)                                      Q4 2021A

Organisches Wachstum          5,5              7,2
Mengenwachstum (RIG)          1,4              4,0

FOKUS: Grundsätzlich dürfte Nestlé ein solides erstes Quartal präsentieren. Analysten rechnen allerdings mit einer Verlangsamung beim Mengenwachstum, unter anderem wegen dem früher abgehaltenen chinesischen Neujahrs- und dem später gefeierten Osterfest. Dafür dürfte sich aber nach Einschätzung der Experten der Preiseffekt deutlich beschleunigt haben. Firmenchef Mark Schneider hatte bereits bei der Veröffentlichung der Jahresergebnisse 2021 betont, das Unternehmen müsse die erhöhten Input-Kosten über alle Länder und Kategorien hinweg über Preiserhöhungen abfedern. Insgesamt dürfte das organische Wachstum laut AWP-Konsens bei 5,5 Prozent zu liegen kommen - und damit deutlich tiefer sein als im Gesamtjahr die 7,5 Prozent im Jahr 2021 (Q4 2021: 7,2%).

Nebst den Preiseffekten interessieren sich die Analysten aber auch für weitere Updates zum Thema Russland. Im vergangenen Geschäftsjahr erzielte Nestlé rund 2 Milliarden Franken oder 2 Prozent des Umsatzes in Russland und der Ukraine. Der Analyst von Vontobel geht nun davon aus, dass dieser Betrag im laufenden Jahr deutlich schrumpfen dürfte.

In Anbetracht der weiterhin angespannten geopolitischen Lage und der gestiegenen Inflation erwarten manche Analysten, dass Nestlé die Prognose für das Gesamtjahr aktualisieren wird. Andere gehen davon aus, dass Nestlé seine Ziele in Bezug auf das organische Wachstum gut erreichen dürfte, wegen der Russland-Sanktionen allerdings bei der EBIT-Marge etwas unter der Zielbreite liegen könnte.

ZIELE: Gemäss den jüngsten Angaben erwartet Nestlé für das Jahr 2022 ein organisches Umsatzwachstum von "rund 5 Prozent" und eine bereinigte EBIT-Marge zwischen 17 und 17,5 Prozent (2021: 17,4%). Zudem dürften der bereinigte Gewinn je Aktie bei konstanten Wechselkursen und die Kapitaleffizienz steigen. Mittelfristig geht der Konzern von einem anhaltenden organischen Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Bereich sowie einer moderaten Verbesserung der zugrunde liegenden operativen Gewinnmarge aus.

PRO MEMORIA: Der Nestlé-Konzern wird den Umsatz für das erste Quartal 2022 erstmals auf der Grundlage seiner neuen Organisationsstruktur veröffentlichen: Neu gibt es die geografischen Zonen Nordamerika (USA und Kanada), Europa, Asien, Ozeanien und Afrika, Lateinamerika, Greater China sowie die global geführten Nespresso, Nestlé Health Science und Andere Geschäfte.

Nestlé geriet in jüngster Zeit mehrfach in die Kritik. Zunächst stoppte das Unternehmen zwar die Werbeaktivitäten in dem Land, hielt aber an seinem Russland-Geschäft fest. Später teilte Nestlé mit, nur noch Grundnahrungsmittel nach Russland zu liefern und stellte danach auch einen Grossteil der Produktion in Russland - mit Ausnahme von Grundnahrungsmitteln oder medizinischer Tiernahrung - ein. Dennoch sorgte das Vorgehen des Konzerns nicht nur bei viele Konsumenten für Zorn, sondern auch beim ukrainischen Präsidenten Selenskyj, der mehrfach den Rückzug des Unternehmens aus Russland forderte. Russland finanziere mit Nestlés Steuerbeiträgen den Krieg, so die Argumentation Selenskyjs. Nestlé-Chef Mark Schneider hielt an der GV des Unternehmens vor zwei Wochen dagegen, dass das Recht auf Zugang zur Nahrung für Nestlé massgebend und das verbleibende Russlandgeschäft nicht auf Gewinn ausgerichtet seien. Er sei der Meinung, dass "universelle Werte und Prinzipien selbst zu Krisenzeiten gelten sollten".

Eine weitere Welle an Kritik kommt derzeit auch aus Frankreich. Analysen der französischen Gesundheitsbehörden wiesen vor einiger Zeit einen Zusammenhang zwischen mehreren E. coli-Fällen und dem Verzehr von Tiefkühl-Pizzen der Nestlé-Tochter Buitoni nach. Bei mehreren Kindern kam es aufgrund der Bakterien zu Nierenversagen. Das Unternehmen nahm seine Produkte der Marke "Fraîch'Up" deshalb aus dem Verkauf und schloss die Fabrik von Buitoni in Caudry. Zuvor hatten die Behörden dort bei zwei Inspektionen unter anderem Nagetiere gefunden und mangelnde Reinigung festgestellt. Vergangene Woche durchsuchte die französische Polizei auf Anordnung der Pariser Staatsanwaltschaft auch das Hauptquartier von Nestlé in Frankreich.

Erst vor wenigen Tagen wurde zudem bekannt, dass Nestlé den deutschen Gewürzhändler Ankerkraut übernommen hat. Das Unternehmen, das 2013 in Hamburg gegründet wurde, stellt mit 230 Mitarbeitenden Produkte wie Gewürzmischungen, Saucen oder Tees her und erwirtschaftet einen zweistelligen Euro-Millionenbetrag an Umsatz. Ankerkraut wurde für den Verkauf an Nestlé von vielen Fans massiv kritisiert und Influencer kündigten wegen der Übernahme ihre Kooperation mit dem Unternehmen. Die Kritiker werfen Ankerkraut vor, durch den Deal seine Werte verraten zu haben. Die beiden Gründer halten dagegen, man werde als Marke weiterhin eigenständig bleiben.

Nestlé hat ausserdem Ende März exklusive Verhandlungen mit dem französischen Investmentfonds FnB über den Verkauf der Kartoffelstock-Marke Mousline aufgenommen.

AKTIENKURS: Die Aktien von Nestlé haben im bisherigen Jahresverlauf keine besonders gute Figur gemacht. Die Titel stehen am Dienstag im frühen Handel bei 122,88 Franken und damit um mehr als 3,5 Prozent tiefer als Ende 2021. Von ihrem Jahrestief (109,56 Franken, 8. März) haben sich die Nestlé-Titel somit aber wieder deutlich erholt. Und sie sind besser unterwegs als der Gesamtmarkt gemessen am SMI, der seit Anfang Jahr über 4,5 Prozent verloren hat.

Homepage: www.nestle.com

jl/ab/tv