Vevey (awp) - Der weltgrösste Nahrungsmittel-Hersteller Nestlé veröffentlicht am Donnerstag, 29. Juli das Geschäftsergebnis für das erste Semester 2021. Insgesamt 13 Analysten haben zum AWP-Konsens beigetragen.

H1 2021E
(in Mio Fr.)            AWP-Konsens          H1 2020A 

Umsatz                    41'940               41'152   
EBIT adj.*                  7323                 7156   
- Marge adj. (in %)         17,5                 17,4  
Reingewinn                  5890                 5883  


Q2 2021E                                     Q1 2021A 
(in %)
Organisches Wachstum         7,1                  7,7   


* Trading Operating Profit

FOKUS: Nestlé dürfte punkto Wachstum ein starkes Halbjahr abliefern. Nach dem fulminanten Start ins Jahr erwarten Analysten auch für das zweite Jahresviertel ein anhaltend gutes Verkaufsmomentum. Nicht ganz einig sind sich die Experten darin, ob Nestlé das hohe Tempo aus dem ersten Quartal (+7,7%) halten oder gar übertreffen kann oder ob es nicht doch eher abflachen wird. Dabei reichen die Schätzungen von 4,4 bis 8,6 Prozent.

Die Optimisten argumentieren dabei mit der tiefen Vergleichsbasis aus dem Vorjahr, der Dekonsolidierung des lahmenden nordamerikanischen Wassergeschäfts, möglichen Preiserhöhungen und der Erholung des Ausserhaus-Geschäftes. Skeptischere Analysten verweisen aber darauf, dass die Erholung im Ausserhausgeschäft auf Kosten des deutlich wichtigeren Heimkonsums gehen könnte. Mit der Normalisierung in Bezug auf die Pandemie erwarten sie auch eine Normalisierung der Umsätze hin zu etwas flacheren Wachstumsraten.

Ausser Frage steht allerdings, dass Nestlé nun die Jahresziele präzisieren bzw. leicht anheben wird. Die Leistung im ersten Halbjahr dürfte schon fast ein Wachstum über 5 Prozent garantieren, heisst es. Die Finanzgemeinde rechnet damit, dass Nestlé ein Wachstum im Bereich der Mittelfristziele von 4 bis 6 Prozent in Aussicht stellen wird.

Vorsichtiger zeigen sich die Branchenbeobachter indes bei ihren Margenerwartungen. Sie stellen zum Teil in Frage, ob Nestlé das Ziel der moderaten Margenausweitung bestätigen kann. Bekanntlich steigen derzeit nämlich weltweit die Kosten für Verpackung, Logistik sowie Agrarrohstoffe. Konkurrentin Unilever hat bereits die Margenprognose auf Vorjahresniveau gesenkt. Die Kosteninflation dürfte auch Nestlé etwas bremsen, wobei die meisten Analysten dem Konzern durchaus zutrauen, dies durch ein gutes Kostenmanagement sowie Preiserhöhungen abfangen zu können. Dabei dürften besonders die Aussagen von Nestlé für die zweite Jahreshälfte interessieren, da dann die höheren Kosten stärker zum Tragen kommen werden.

ZIELE: Nestlé hat Anfang Jahr zunächst eine eher vorsichtige Guidance für 2021 präsentiert: Das organische Wachstum solle sich gegenüber dem Vorjahr (+3,6%) beschleunigen. Allerdings deutete Nestlé-Chef Mark Schneider anlässlich der fulminanten Wachstumszsahlen zum ersten Quartal an, dass diese Latte noch angehoben werden könnte. Er wolle noch mindestens das zweite Quartal abwarten, sagte er im April. Damit sollte auch das Mittelfristziel in Griffnähe liegen: Dieses sieht ein Wachstum im mittleren einstelligen Bereich - sprich 4 bis 6 Prozent - vor.

Weiter stellt Nestlé für das Gesamtjahr auch weitere Verbesserungen beim Gewinn in Aussicht: So soll sich die bereinigte operative Ergebnismarge kontinuierlich moderat verbessern, wobei auch eine Verbesserung beim bereinigten Gewinn je Aktie zu konstanten Wechselkursen und der Kapitaleffizienz angestrebt wird.

PRO MEMORIA:

M&A: Die grossen Verkäufe hat Nestlé inzwischen hinter sich. Ende März und damit pünktlich auf das zweite Quartal hin schloss Nestlé den Verkauf des nordamerikanischen Wassergeschäfts für 4,3 Milliarden Dollar ab. Damit fällt nicht nur Umsatz von rund 3,4 Milliarden weg, sondern auch ein gewichtiger Bremsklotz für Wachstum und Profitabilität: Im ersten Quartal schrumpfte das ganze Wassergeschäft organisch um 5,6 Prozent. Und auch die Profitabilität lag mit 10,0 Prozent (2020) deutlich unter dem Gruppenwert von 17,7 Prozent.

Wie angekündigt, hat Nestlé nun zuletzt vermehrt zugekauft: Ende April meldete der Konzern die Übernahme des in den USA ansässigen Vitaminherstellers Bountiful. Dessen Kernmarken lässt sich Nestlé 5,75 Milliarden Dollar kosten. Der Deal dürfte im zweiten Halbjahr abgeschlossen werden, hiess es damals. Im letzten Geschäftsjahr 2020/21 erzielte Bountiful einen Umsatz von 1,87 Milliarden Dollar, die EBITDA-Marge lag bei 18,3 Prozent.

Im Mai kündigte Nestlé den nächsten Neuzugang in seiner Gesundheitssparte an: Das im Sportgetränkebereich tätigte US-Unternehmen Nuun, das eine breite Palette von Brausetabletten und Pulvern anbietet, die zusätzliche Mineralien und Vitamine enthalten. Der Abschluss der Transaktion wird für das dritte Quartal 2021 erwartet. Finanzielle Details wurden damals nicht bekanntgegeben.

PRODUKTE & TRENDS: Nestlé hat sich auf die Fahnen geschrieben, nachhaltiger zu werden. Dafür investiert der Konzern bis 2025 3,2 Milliarden Franken. Diesen Betrag will Nestlé durch Kostensenkungen wieder auffangen, wie Nestlé mehrfach schon betonte. Neben Bemühungen zur Reduktion oder der besseren Wiederverwertbarkeit von Verpackungsmaterial soll auch das Sortiment nachhaltiger werden. Zuletzt etwa stellte Nestlé eine vegane Milch auf Erbsenbasis vor.

Lebensmittel, die als weniger gesund gelten, dürften jedoch nicht so bald völlig aus dem Sortiment verschwinden: Erst noch Anfang Juli kündigte Nestlé an, in eine Tiefkühlkost-Fabrik in den USA zu investieren.

AKTIENRÜCKKAUF: Nestlé hat Anfang 2020 ein neues Aktienrückkauf-Programm über 20 Milliarden Franken gestartet, das bis 2022 laufen soll. Zuletzt hat Nestlé das Rückkauf-Tempo etwas gedrosselt. Per 20. Juli waren Aktien für knapp 9,7 Milliarden Franken zurückgekauft, wobei im Durchschnitt 102,70 Franken bezahlt wurden.

AKTIENKURS: Nach unerklärlichen Kursverlusten in den ersten beiden Monaten des Jahres haben die Nestlé-Aktien seit März wieder kräftig zugelegt und kürzlich bei 117,44 Franken ein neues Allzeithoch erreicht. Aktuell notieren die Titel mit 114,10 Franken auf Jahressicht rund 10 Prozent im Plus, während der Leitindex SMI rund 13 Prozent zugelegt hat.

jg/tt/uh