Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Eine global uneinheitliche Erholung von Corona ist eine schlechte Nachricht für große Lebensmittelkonzerne wie Nestle und Unilever. Ein entscheidender Punkt ist auf kurze Sicht ihr starkes Engagement in Schwellenländern, welches für langfristige Investoren ein absoluter Pluspunkt bleibt.

Die Gesundheitssituation in einigen Schwellenländern ist ernst. Indien kämpft mit einem der bisher schlimmsten Ausbrüche der Covid-19-Pandemie, während Brasilien kürzlich mehr als 400.000 Todesfälle verzeichnete und damit nach den USA die zweithöchste Zahl zu beklagen hat. Die schleppende Impfkampagne wird die Probleme wahrscheinlich noch vergrößern. Nur 30 Prozent der Bürger in Schwellenländern werden sich bis Ende 2021 impfen lassen, verglichen mit mehr als 90 Prozent in wohlhabenderen Ländern, so schätzt es UBS.


 US-Lebensmittelkonzerne eher heimisch und Europas eher global aufgestellt 

Große europäische Lebensmittelkonzerne sind stärker in Schwellenländern aktiv als US-Konkurrenten wie Kraft Heinz, die tendenziell mehr Geschäfte im eigenen Land betreiben. Nestle und Unilever erwirtschaften jeweils 42 Prozent und 60 Prozent ihres Umsatzes in Entwicklungsländern. Die Umsätze in diesen Märkten übertrafen im ersten Quartal bei beiden Unternehmen die Erlöse in den Industrieländern und kehrten damit einen ungewöhnlichen Trend des vergangenen Jahres um. Zu jener Zeit stammte die stärkste Nachfrage von europäischen und US-amerikanischen Verbrauchern, die Waren auf Vorrat kauften.

Insgesamt könnten die Bedingungen in den Schwellenländern in diesem Jahr rau sein. Mit der bemerkenswerten Ausnahme von China sind die Verbraucher in weniger wohlhabenden Volkswirtschaften stärker von der Pandemie betroffen. In allen Schwellenländern, mit Ausnahme Chinas, wird erwartet, dass das Pro-Kopf-Einkommen zwischen 2020 und 2022 um 20 Prozent gegenüber dem Niveau vor der Pandemie nachgeben wird. Das wäre fast doppelt so stark wie in den Industrieländern, zeigen Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF). Dutzende Millionen Menschen sind aus der Mittelschicht herausgefallen, besonders in Asien, und die Verbraucherausgaben in Ländern, die vom Tourismus abhängig sind, wie zum Beispiel Thailand, könnten Jahre brauchen, um sich zu erholen.


 Nestle und Unilever leiden unter Stärke auf Schwellenländermärkten 

Von Armut bedrohte Käufer greifen bereits jetzt zu billigeren Waren. Nestle-Chef Mark Schneider klagte erst kürzlich, dass die Pandemie "einen Großteil unseres Fortschritts" in den aufstrebenden Märkten zunichte gemacht habe, und fügte hinzu, dass die Kaffee- sowie Tierpflegemarken des Unternehmens betroffen sein könnten. Beide Kategorien verzeichneten vor der Pandemie ein starkes Wachstum, da die Verbraucher ihre Katze oder ihren Hund nicht mehr mit Essensresten fütterten, sondern ihnen industriell hergestellte Tiernahrung gaben, und auf Kaffee der gehobenen Klasse umstiegen.

Große Lebensmittelunternehmen, die in Schwellenländern tätig sind, haben auch mit Wechselkursschwankungen zu kämpfen. Der brasilianische Real, der mexikanische Peso und die indische Rupie gehörten zu den abwertenden Währungen, die den Umsatz von Nestle im Jahr 2020 um 7,9 Prozent schmälerten. Obwohl das Umsatzwachstum in den Schwellenländern beeindruckend sein kann, gehen die Gewinne oft verloren, wenn sie in die Berichtswährung der Unternehmen zurückgerechnet werden.


 Langfristig spricht aufstrebende Mittelschicht für Schwellenländer 

Langfristig bleiben die Schwellenländer ein attraktiver Standort für Unternehmen, die Lebensmittel und andere Konsumgüter verkaufen. Das Wachstum der Mittelschicht ist ein tief verwurzelter Trend, der zurückkehren sollte. Und in Schwellenländern ist es manchmal einfacher, höhere Kosten an die Verbraucher weiterzugeben als in wohlhabenderen Regionen wie Europa, wo konsolidierte und mächtige Lebensmitteleinzelhändler sich Preiserhöhungen widersetzen können. Dies wird wichtig sein, da die Konsumriesen in diesem Jahr eine ungewöhnlich hohe Rohstoffinflation ausgleichen müssen.

US-Lebensmittelkonzerne wie Campbell Soup und Kraft Heinz sind nicht in nennenswertem Umfang in Schwellenländern engagiert und müssen sich daher keine Sorgen um Gesundheitskrisen in weit entfernten Ländern machen. Die Aussichten für den amerikanischen Markt sind rosig, da die Verbraucher anscheinend mehr als sonst zu Hause essen, selbst wenn die Bundesstaaten wieder öffnen. Während Europas Lebensmittelnamen immer noch bessere langfristige Wachstumsaussichten bieten, könnten Investoren dieses Jahr versucht sein, US-Konzernen die Stange zu halten, die vor Ort bleiben.

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May 05, 2021 11:30 ET (15:30 GMT)