(neu: Analysteneinstufungen, aktualisierte Kursreaktion)

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Rückversicherer Munich Re hat im vergangenen Jahr trotz Naturkatastrophen und Pandemie den höchsten Gewinn seit 2015 erzielt. Auch die Erstversicherungstochter Ergo legte deutlich zu, wie der Dax-Konzern am Mittwoch in München mitteilte. Vorstandschef Joachim Wenning will den Schwung und das Marktumfeld nutzen und kündigte für das laufende Jahr eine weitere Steigerung des Konzerngewinns auf 3,3 Milliarden Euro an. Doch an der Börse zündeten die Nachrichten nicht.

Die Munich-Re-Aktie büßte bis zum Nachmittag 2,27 Prozent auf 251,60 Euro ein und war damit einer der schwächsten Titel im Leitindex. Analysten fanden das Gewinnziel des Vorstands für 2022 zu niedrig. Sie hatten durchschnittlich mit 3,4 Milliarden Euro gerechnet. Das wäre der höchste Überschuss seit dem Jahr 2007. Die vom Vorstand angepeilten 3,3 Milliarden Euro entsprechen etwa dem Konzerngewinn von 2013.

Drei Analysten, die ihre Einschätzung zur Munich-Re-Aktie am Mittwoch bereits erneuert haben, raten weiterhin zum Kauf des Papiers. So haben die Experten von Goldman Sachs, JPMorgan und Jefferies für Kursziele von 300 Euro und mehr auf dem Zettel.

Dabei bereitet der eskalierende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine dem Munich-Re-Vorstand im eigenen Versicherungsgeschäft derzeit keine großen Sorgen. "Wir sind direkt in der Ukraine mit Versicherungsrisiken nur sehr geringfügig vertreten, Sie können sagen, vernachlässigbar", sagte Wenning. "Das gilt im Übrigen auch für Russland."

Aus dem jetzt auf Eis gelegten Gasprojekt Nord Stream 2 hat sich Munich Re wie andere Versicherer nach eigenen Angaben schon vor über einem Jahr zurückgezogen. Der Vertrag sei gekündigt, sagte Wenning. Einem Munich-Re-Sprecher zufolge ist dem Konzern kein anhängiges Verfahren bekannt, das sich gegen die von ihm ausgesprochene Vertragskündigung richtet. Munich Re hatte nach eigener Aussage den Bau der Pipeline mitversichert.

Bereits am Vortag hatte der Konzern angekündigt, die Dividende für 2021 auf elf Euro je Aktie anzuheben. Außerdem will der Konzern zwischen den Hauptversammlungen 2022 und 2023 Aktien im Wert von einer Milliarde Euro zurückkaufen. Diese Neuigkeiten hatten den Kurs nach der Eskalation im Russland-Ukraine-Konflikt gestützt.

Im abgelaufenen Jahr verdiente Munich Re unter dem Strich gut 2,9 Milliarden Euro. Das war fast zweieinhalb Mal so viel wie im pandemiebelasteten Vorjahr und mehr als die 2,8 Milliarden Euro, die sich das Management zum Ziel gesetzt hatte. Zudem übertraf der Rückversicherer die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten leicht.

Wenning sieht den Konzern nach dem ersten Jahr seines mittelfristigen Strategieprogramms "bestens auf Kurs". So sei die Eigenkapitalrendite mit 12,6 Prozent "schon jetzt auf einem Niveau angekommen, das wir uns für 2025 vorgenommen hatten".

Zu der guten Entwicklung trug auch die Düsseldorfer Konzerntochter bei: Ergo steigerte ihren Gewinn trotz der Flutkatastrophe im Juli um 17 Prozent auf 605 Millionen Euro. Damit habe sie ihr vor mehreren Jahren gesetztes Mittelfristziel erreicht, sagte Munich-Re-Finanzchef Christoph Jurecka.

Tief musste Munich Re im abgelaufenen Jahr für die Zerstörungen durch Hurrikan "Ida" in den USA in die Tasche greifen: 1,2 Milliarden Euro wurden dafür fällig. Die verheerende Flutkatastrophe durch Sturmtief "Bernd" in Deutschland und mehreren Nachbarländern kostete den Rückversicherer rund eine halbe Milliarde Euro.

Insgesamt gingen die bei Munich Re versicherten Großschäden im Jahresvergleich um acht Prozent auf 4,3 Milliarden Euro zurück. Die Konzernführung sieht auch keinen Grund, ihr Geschäft rund um Stürme, Hochwasser, Waldbrände und andere Naturkatastrophen zu verringern - im Gegenteil. "Die Versicherung von Naturkatastrophen ist eines unserer profitabelsten Geschäftsfelder", sagte Wenning.

Derweil kam die Pandemie den Rückversicherer 2021 erneut teuer zu stehen. Hatte Munich Re im ersten Corona-Jahr 2020 noch vor allem für den Ausfall versicherter Großveranstaltungen geradestehen müssen, machten sich diesmal die vielen Corona-Toten etwa in den USA, in Indien und Südafrika in den Zahlen bemerkbar. Der Rückversicherer verbuchte deshalb im vergangenen Jahr eine Belastung von 785 Millionen Euro - fast viermal so viel wie zunächst gedacht. Man habe sich dies in dieser Größenordnung anfangs nicht vorstellen können, räumte Finanzvorstand Jurecka ein.

Für ihn ist klar: "Die Pandemie ist immer noch nicht vorüber." Für das laufende Jahr plant die Munich Re in diesem Geschäft eine coronabedingte Belastung von rund 300 Millionen Euro ein. Je nachdem, wie sich die Pandemie weiter entwickelt, muss das aber noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Denn eine weitere Infektionswelle im kommenden Herbst und Winter sei in der Summe noch nicht berücksichtigt, sagte Jurecka.

Unterdessen will der Rückversicherer sein Geschäft weiter ausbauen. Nachdem die Beitragseinnahmen im vergangenen Jahr bereits um 8,5 Prozent auf fast 59,6 Milliarden Euro gestiegen sind, sollen sie 2022 auf den Rekordwert von 61 Milliarden Euro zulegen.

Rückenwind brachte dabei die jüngste Vertragserneuerung in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung. Dabei baute Munich Re das Geschäft mit Erstversicherern wie Allianz und Axa zum Jahreswechsel um 14,5 Prozent aus und setzte im Schnitt 0,7 Prozent höhere Preise durch. Auch für die kommenden Vertragserneuerungen in diesem Jahr rechnet Vorstandschef Wenning mit Prämienerhöhungen - zumal dann mehr Naturkatastrophen-Geschäft zur Neuverhandlung ansteht./stw/cho/he