Von Leslie Scism

NEW YORK (Dow Jones)--Die Hurrikan-Saison ist fast vorbei, vermutlich droht nur noch ein weiterer Sturm Richtung Florida. Doch für die Versicherer sind die Sorgen Ende November nicht vorbei - sie stecken mitten in Verhandlungen mit den Rückversicherern, die versuchen, die Tarife um 10 bis 30 Prozent zu erhöhen. Nahezu zwei Drittel der US-Sachversicherungen gegen Katastrophenschäden werden jedes Jahr am Anfang Januar erneuert, darunter auch die vieler großer diversifizierter US-amerikanischer und europäischer Versicherer. Es ist noch zu früh, um zu wissen, ob die Rückversicherer bekommen, was sie wollen. Die Versicherer könnten weniger Rückversicherungen kaufen, um den Kostenanstieg zu begrenzen, selbst mehr Risiken stemmen und möglicherweise die Prämienerhöhungen begrenzen, die sie an ihre Kunden weitergeben würden. So haben die Versicherer bereits ihre Prämien für Geschäfts-, Hausrat- und Kfz-Versicherungen aufgestockt, um den vor allem inflationsbedingten Kostenanstieg zu bewältigen.

Die Rückversicherer reagieren auf die seit fünf Jahren überdurchschnittlich hohen Katastrophenschäden und die wachsende Besorgnis, dass der Klimawandel unter anderem die Risiken durch Stürme und Waldbrände verschärft. Der Hurrikan Ian, bei dem mehr als 130 Menschen ums Leben kamen, wird die Versicherer schätzungsweise zwischen 40 und 70 Milliarden US-Dollar kosten und ist damit die zweitteuerste Naturkatastrophe der Nation für die Versicherungsbranche. Der Hurrikan Katrina kostete in heutigen Dollar mehr als 90 Milliarden. Trotz der hohen Kosten haben die großen börsennotierten Sachversicherer den Hurrikan Ian finanziell passabel weggesteckt, wie aus ihren Berichten für das dritte Quartal hervorgeht. Ihre Gewinne wurden zwar stark beeinträchtigt, aber Moody's Investors Service stellt fest, dass sie über beträchtliche Ressourcen verfügen, auf die sie zurückgreifen können. Dutzende meist private, kleine bis mittelgroße Versicherer mit Schwerpunkt Florida werden den Aufsichtsbehörden bald detaillierte Quartalsberichte vorlegen. In der Zwischenzeit könnte der subtropische Sturm Nicole im Laufe dieser Woche über die Ostküste des Bundesstaates hereinbrechen und möglicherweise weitere Katastrophenschäden verursachen.


   Rückversicherer leiden unter dem Klimawandel 

Viele der großen nationalen Versicherer und alle Florida-spezifischen Versicherer verlassen sich auf Rückversicherer - eine weltumspannende Gemeinschaft von Giganten wie Munich Re, Swiss Re, Lloyd's of London und Berkshire Hathaway sowie kleinere Akteure - die einen Teil des Risikos der von ihnen verkauften Policen auf sich nehmen. Die Rückversicherungen begrenzten auch die Verluste der Versicherer durch den Hurrikan Ian. Der Auto- und Hausratversicherer Allstate beziffert seine Brutto-Katastrophenschäden im Zusammenhang mit Ian auf geschätzte 671 Millionen Dollar vor Steuern. Aber die Rückversicherung reduzierte den Betrag, den Allstate zahlen muss, um 305 Millionen Dollar auf 366 Millionen Dollar.

Allstate-Chef Thomas Wilson sieht die von den Rückversicherern angestrebten Preiserhöhungen im Zusammenhang mit den jüngsten Verlusten, den Sorgen über den Klimawandel und der jüngsten Aufwertung des Dollars. Letztere schade einigen Rückversicherern, da sie Deckungen in Dollar verkaufen, ihr Kapital aber in einer anderen Währung halten. "Die Kombination dieser drei Dinge wird für einen wirklich engen Rückversicherungsmarkt sorgen. Ich halte es für wahrscheinlich, dass der Preis im nächsten Jahr steigt." Allstate wird nicht auf einen Schlag betroffen sein, da das Rückversicherungsprogramm die Erneuerungen über drei Jahre verteilt.

Rasch steigende Zinssätze schaden den Rückversicherern ebenfalls. Höhere Zinsen verringern den Wert der Anleihen, die sie halten. Wenn die Unternehmen mit Auszahlungen konfrontiert werden, zum Beispiel bei einer schnellen Abfolge von schweren Wirbelstürmen, müssen sie möglicherweise einige ihrer Anleihen mit Verlust verkaufen. Die Inflation, mit der die Versicherer konfrontiert sind, treibt auch die Preise für Rückversicherungen in die Höhe. Angesichts der vielen Probleme ist dies das schwierigste Erneuerungsjahr seit Katrina, sagt David Flandro von der Howden Group, einem in London ansässigen Makler. In der Erneuerungsperiode im Januar 2022 lag der Preisanstieg in der Sachversicherung gegen Katastrophenschäden laut Howden-Daten weltweit bei 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.


   Branche erwartet radikale Preissprünge nach oben 

Die Rückversicherer haben sich mit den erwarteten Preiserhöhungen nicht zurückgehalten. Finanzchef John Dacey von Swiss Re erklärte zuletzt, dass "die Preise keine evolutionäre Anpassung, sondern eher eine ziemlich radikale Anpassung nach oben zeigen werden". In den gesamten USA stellen sie sich definitiv auf Preiserhöhungen ein, so Chris Dittman von Reinsurance Solutions über die Versicherungskunden des Unternehmens. In diesem Sommer haben die auf Florida spezialisierten Hausratversicherer ihre Verträge erneuert, wobei die Preise in vielen Fällen um 25 bis 30 Prozent nach oben schnellten, wie das Ratingunternehmen Demotech demonstriert.

Eine Ungewissheit ist, wie es mit dem Markt für Katastrophenanleihen weitergeht, die eine Alternative zur Rückversicherung bedeuten. Als die Zinssätze niedrig waren, kauften Pensionspläne, Stiftungen und andere institutionelle Anleger Katastrophenanleihen unter anderem aus Gründen der Renditesteigerung. Da die Zinsen jetzt höher sind, könnten die Anleger ihre Begeisterung für diese Wertpapiere verlieren. Wenn eine große Zahl von Anlegern den Markt für Katastrophenanleihen verlässt, würde dieser Trend die Preise für Rückversicherungen in die Höhe treiben, so Makler und Analysten. Vor dem Hurrikan Ian war 2022 ein relativ mildes Jahr für die US-Versicherer. Rückversicherer, die mit globalen Risiken konfrontiert sind, hatten ein härteres Jahr. Laut Swiss Re gab es ungewöhnlich heftige Winterstürme in Europa, beispiellose Überschwemmungen in Australien sowie Südafrika und schwere Hitzewellen, die Waldbrände in Südwesteuropa auslösten.

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November 08, 2022 09:22 ET (14:22 GMT)