Von Jean Eaglesham

NEW YORK (Dow Jones)--Microsoft hat seine Treibhausgasemissionen halbiert - mit einem Griff zum Taschenrechner. Im Jahr 2017 gab der Softwarekonzern an, dass er für 22 Millionen Tonnen Kohlenstoff verantwortlich war. Später wurde die Angabe für 2017 auf 11 Millionen Tonnen herunterkorrigiert und praktisch halbiert. Für das Geschäftsjahr 2020 per 30. Juni blieb die Angabe bei 11 Millionen Tonnen.

Zahlen wie diese gewinnen zunehmend an Bedeutung, da Unternehmen unter dem Druck von Investoren und Regulierungsbehörden ihre gesamten Kohlenstoffemissionen offenlegen müssen. Dazu gehören die Emissionen des Unternehmens selbst sowie seiner Lieferanten und Kunden. Diese sind besonders schwer zu berechnen, was auch der Grund für die neuen Zahlen von Microsoft ist.


   Microsoft aktualisierte CO2-Schätzungen für Zulieferer und Kunden 

Microsoft änderte seine Schätzungen darüber, wie viel Kohlendioxid seine Zulieferer und Kunden bei der Herstellung und Nutzung seiner Produkte ausgestoßen hatten. Bei der ersten Schätzung von 2017 wurde darauf hingewiesen, dass die Schätzungen um bis zu 50 Prozent unter- oder überzeichnet sein könnten.

Elizabeth Willmott, Microsofts Direktorin für Klimaprogramme, sagte, das Unternehmen habe bei der Berechnung seiner Emissionen "die Genauigkeit verdoppelt". Die Änderung erfolgte im vergangenen Jahr, nachdem Microsoft angekündigt hatte, bis 2030 mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen als auszustoßen. "Wir werden auch weiterhin Veränderungen in der Berichterstattung feststellen und diese transparent darstellen, wenn sich unsere Methoden verbessern", heißt es in der Erklärung weiter.

Die US-Wertpapier- und Börsenaufsicht SEC gehört zu einer Reihe von Aufsichtsbehörden weltweit, die Unternehmen zur Berichterstattung über Klimarisiken verpflichten wollen. Dazu könnten "Kennzahlen zu Treibhausgasemissionen ... und Fortschritte bei der Erreichung klimabezogener Ziele" gehören, sagte der SEC-Chef Gary Gensler in einer Rede im Juli.


   Einige ESG-Daten sind schwer zu messen und zu verifizieren 

Ein Problem für die Regulierungsbehörden und Unternehmen: Einige der wichtigsten und am weitesten verbreiteten Daten sind sowohl schwer zu messen als auch zu verifizieren. Die Kohlenstoffdaten von Zulieferern und Kunden, die Microsoft neu berechnet hat, sind als Scope-3-Emissionen bekannt - Treibhausgase, die mit den Produkten eines Unternehmens zusammenhängen, aber außerhalb der direkten betrieblichen Kontrolle liegen. Im Fall von Microsoft könnte es sich dabei um den Kohlenstoff handeln, der bei der Herstellung der Teile für eine Xbox oder bei der Stromversorgung der Spielkonsole entsteht, wenn jemand damit spielt. Sie machen oft den Löwenanteil des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens aus. Im Fall von Microsoft betrugen die Scope-3-Gase 97 Prozent der Gesamtemissionen für das Geschäftsjahr 2020, wie aus Unternehmensdaten hervorgeht.

"Die Messung, Zielsetzung und Verwaltung von Scope 3 ist ein Chaos", sagt Anant Sundaram, Finanzprofessor an der Tuck School of Business des Dartmouth College. "Es gibt eine große Bandbreite an Unsicherheiten bei der Messung von Scope-3-Emissionen ... bis zu dem Punkt, dass die Zahlen absurd daneben liegen können."

Viele Unternehmen berechnen Scope 3 gar nicht. Diejenigen, die es tun, sind im Allgemeinen gezwungen, sich auf Schätzungen und Annahmen zu verlassen. Zu den wahrscheinlichen Löchern in den Daten gehören Zulieferer, die ihre Emissionen nicht messen, sowie Schätzungen zu den Fahrtwegen der Mitarbeiter und dazu, wie genau die Kunden die Produkte nutzen und dann entsorgen.


   Apple aktualisiert Klimamodelle jährlich 

Apple gibt eine Reihe von Zahlen für seinen jährlichen CO2-Fußabdruck für 2015 bis 2020 an. Dies spiegelt "die potenziellen Abweichungen wider, die mit der Modellierung produktbezogener Kohlenstoffemissionen einhergehen", so das Unternehmen in seinem jüngsten Umweltbericht.

Vergangenes Jahr teilte Apple mit, dass es genauere Daten über den Stromverbrauch bei der Herstellung einer Reihe von Komponenten erhalten habe. Dies habe zur Folge gehabt, dass sich der CO2-Fußabdruck für 2019 um 7 Prozent erhöhte. "Wir aktualisieren unsere Klimamodelle jedes Jahr auf der Grundlage besserer Daten", sagte eine Apple-Sprecherin.


   Scope-3-Daten manchmal veraltet 

Scope-3-Daten können zumindest teilweise auf veralteten Daten beruhen. Der Konsumgüterriese Procter & Gamble Co. hat Zahlen aus den Jahren 2016 und 2017 verwendet, um einige Elemente seiner Scope-3-Emissionen für das Geschäftsjahr per Ende Juni 2020 zu berechnen. Die alten Daten bezogen sich laut Umweltbericht des Unternehmens auf Emissionen aus Treibstoff- und Energieaktivitäten, von Berufspendlern und Investitionsgütern. Das Unternehmen konzentrierte sich auf die Aktualisierung anderer Emissionskategorien, die zusammen 99 Prozent der gesamten Scope-3-Emissionen ausmachten, heißt es in dem Bericht. Ein P&G-Sprecher sagte, dass die früheren Schätzungen für Bereiche verwendet wurden, die für unseren Fußabdruck weniger wichtig sind".


   ESG-Daten oft nur sporadisch und uneinheitlich erhoben 

Börsennotierte Unternehmen sind verpflichtet, einen externen Wirtschaftsprüfer hinzuzuziehen, um zu prüfen, ob ihre Abschlüsse korrekt sind und den Rechnungslegungsstandards entsprechen. Die SEC könnte Ähnliches für Umweltdaten verlangen, indem sie beispielsweise vorschreibt, diese als Teil der testierten Unterlagen eines Unternehmens zu veröffentlichen. Angesichts der derzeitigen freiwilligen Überprüfung von Klimadaten könnte sich dies für viele Unternehmen als schwierig erweisen.

Das CFA Institute, das geprüfte Finanzanalysten vertritt, schrieb im Juli an die SEC, dass ein Großteil der von den Unternehmen gemeldeten Umwelt-, Sozial- und Governance-Informationen (ESG) sporadisch erhoben und uneinheitlich dargestellt wird. Das "macht die Zuverlässigkeit, ganz zu schweigen von der Nützlichkeit solcher Daten, in vielen Fällen fragwürdig", heißt es in dem Schreiben.

Etwas mehr als die Hälfte der US-Unternehmen im S&P 500, also 264 Unternehmen, nutzen einen externen Dienstleister, um zumindest einige ihrer ESG-Zahlen zu verifizieren, so das Center for Audit Quality in einem Bericht vergangenen Monat.

McDonald's teilte im vergangenen Jahr mit, man warte vor der Überprüfung seiner Klimadaten erst einmal auf ausgereiftere Verifizierungsstandards und/oder -prozesse. Einer Unternehmenssprecherin zufolge arbeitet das Unternehmen kontinuierlich an der Weiterentwicklung der Datenerfassung und Buchhaltung.


   ESG-Prüfung weniger streng als Finanz-Audit 

Die ESG-Prüfung ist im Allgemeinen weniger streng als die für die Finanzberichterstattung erforderlichen externen Audits. Es werden nur bestimmte Angaben überprüft - und dazu gehört möglicherweise nicht Scope 3. Bei den Zahlen, die überprüft werden, wird in der Regel nur konstatiert, dass es keine Belege dafür gibt, dass die Zahlen falsch sind. Der Wirtschaftsprüfer wird nicht bescheinigen, dass die Zahlen tatsächlich richtig sind.

Es gibt keinen festen Standard dafür, wie und von wem Klimadaten überprüft werden sollten. Dem US-Center for Audit Quality zufolge haben die meisten der S&P 500-Unternehmen, die ihre Klimadaten überprüfen ließen, ein Ingenieurs- oder Beratungsunternehmen beauftragt und nicht etwa ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen.

Kontakt zur Autorin: unternehmen.de@dowjones.com

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September 03, 2021 08:54 ET (12:54 GMT)