Von Dan Gallagher

SAN FRANCISCO (Dow Jones)--Heutzutage steht niemand mehr Schlage für das neueste Windows-Update. Dennoch spielt das legendäre Betriebssystem für Microsofts expandierendes Geschäft immer noch eine wichtige Rolle. Am Donnerstag stellte der Software-Riese Windows 11 offiziell vor - mehr als sechs Jahre nach dem letzten großen Update der omnipräsenten Basis für PC weltweit.

Das ist der längste Zeitraum, den Microsoft jemals für eine Überarbeitung hat verstreichen lassen, obwohl die Kürze der Intervalle neuer Versionen nicht immer ein Zeichen für deren Qualität war. Die weithin gescholtenen Versionen der Millenniumedition Windows Me und Vista waren kaum zwei Jahre auf dem Markt, als Microsoft schon die Nachfolger präsentierte.

Aber selbst die starken Windows-Versionen haben nicht mehr das gleiche Gewicht wie früher. Smartphones und Tablets, die auf anderen Betriebssystemen laufen, haben den Computermarkt erheblich erweitert. Und Microsofts eigene Orientierung in Richtung Cloud hat das Geschäftsmodell des Konzerns deutlich verändert.

Als Microsoft mit Windows 95 herauskam, wurde im Marketing noch richtig geklotzt. Für die Kampagne kaufte das Unternehmen die gesamte Auflage der London Times und zahlte Unsummen, um den Rolling-Stones-Hit "Start Me Up" als musikalische Promotion nutzen zu dürfen. Damals stammten etwa 28 Prozent der Gesamteinnahmen von Microsoft aus Lizenzen seines Betriebssystems an PC-Hersteller. Analysten schätzen laut Visible Alpha, dass der Umsatzanteil für das in wenigen Tagen endende Geschäftsjahr nur noch etwa 8 Prozent der prognostizierten Gesamteinnahmen ausmachen wird.


 PC mit Windows - das Arbeitspferd der Berufswelt 

Dennoch ist Windows immer noch ein wichtiger Teil von Microsofts wirtschaftlichem Gefüge. Trotz der Popularität mobiler Geräte bleiben Personal Computer die Arbeitspferde der Berufswelt. Und der überwiegende Teil davon läuft auf Microsofts Plattform. Laut den Marktforschern von Gartner wurden im vergangenen Jahr 83 Prozent der verkauften PC-Geräte mit Windows betrieben. Microsoft-CEO Satya Nadella sagte auf der Build-Konferenz seines Unternehmens im Mai, allein die aktuelle Windows-10-Version habe mehr als 1,3 Milliarden Nutzer.

Mit Windows 11 wird das ähnlich sein. Die boomenden Verkäufe der günstigen Chromebooks für den Lernbereich haben laut Gartner im vergangenen Jahr zwar den Anteil von Microsoft am gesamten Kuchen geschmälert. Aber das neue Betriebssystem scheint stark genug zu sein, um den Konzern im Spiel zu halten.

Microsoft bringt sogar Android-Apps auf die Plattform dank einer Partnerschaft mit Amazons App-Store. Der Schritt scheint mehr als nur ein subtiler Seitenhieb auf Apples geschlossenes System zu sein, das weltweit Gegenstand von Klagen ist und Wettbewerbshüter beschäftigt. "Was die Welt heute braucht, ist eine offenere Plattform", betonte Nadella während der virtuellen Veranstaltung am Donnerstag, auf der Windows 11 vorgestellt wurde.

Nachdem Microsoft in dieser Woche zu Apple in den Club jener Unternehmen aufgerückt ist, die auf einen Marktwert von zwei Billionen US-Dollar kommen, ist jede Unterstützung willkommen, die künftig ein noch reibungsloses Wachstum von Umsatz und Gewinn gewährleisten kann.

Microsoft kann es sich einfach nicht leisten, ein Geschäft zu ignorieren, das immer noch für verlässliche 23 Milliarden US-Dollar Umsatz pro Jahr sorgt und dabei Bruttomargen einfährt, die Analyst Karl Keirstead von der UBS auf 90 bis 95 Prozent schätzt. Ein Bruch mit Windows würde vor diesem Hintergrund wohl auch einem erwachsenen Mann die Tränen in die Augen treiben.

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June 25, 2021 03:37 ET (07:37 GMT)