Von Jon Swartz

NEW YORK (Dow Jones)--Die digitalen Wolken gehen auseinander, und neues Licht fällt auf die inzwischen flügge gewordenen Cloud-Computing-Aktivitäten. Einst das Revier des Duopols von Amazon und Microsoft wird Cloud Computing mehr und mehr zu einem Geschäft mit stabilem Wettbewerb. Der Grund: Kommerzielle Kunden nutzen zunehmend mehrere Cloud-Computing-Systeme parallel. Damit eröffnen sich umfangreiche Umsatzquellen, zum Beispiel für Google, Oracle und IBM.

Die Umstellung des Cloud Computings bei Unternehmen und Behörden auf einen sogenannten Multi-Cloud-Ansatz hat die milliardenschwere Branche sprichwörtlich auf den Kopf gestellt. Jedem großen Cloud-Anbieter bieten sich nun zusätzliche Chancen, weitere Verträge mit solchen Kunden abzuschließen. Das alles vollzieht sich ohne Androhung von Klagen oder Kartellgesetzen.

"Finanzdienstleistungen, Gesundheitsfürsorge, Einzelhandel, Regierungsbehörden - nahezu jede Branche setzt auf Multi-Cloud", schildert Tom Keane von Microsoft die Lage. "Es ist eine logische Fortsetzung der Verlagerung von immer mehr Dingen in die Cloud", bläst Clay Magouyrk von Oracle Cloud ins gleiche Horn. "Die Realität ist, dass 75 Prozent bis 85 Prozent der serverseitigen Datenverarbeitung noch vor Ort gespeichert sind", doch auch sie werde letztlich in die Cloud verlagert.


 Der Trend geht zur Multi-Cloud 

Eine Gartner-Studie zum Cloud-Einkaufsverhalten von Endnutzern im Jahr 2020 ergab, dass 76 Prozent der Befragten mehr als nur einen Cloud-Anbieter nutzen. Diese Quote ist steigend. "Kunden haben jetzt die Wahl. Vor vier bis fünf Jahren hatten sie nur eine oder zwei Optionen", erklärt Direktor Will Grannis vom Google Cloud Office. Ein wichtiges Kriterium sei, wie agil die Technologie reagiere und sich nutzen lasse.

"Wenn man sich an einen Anbieter hält, ist man an dessen Technologie gebunden", so Grannis. "Als ehemaliger Chef-Techexperte will man nur das Beste für die Kunden, und die wollen, dass die Cloud-Anbieter flexible Anwendungen und Dienste anbieten. Und was passiert, wenn sich der Markt verschiebt und sich die Anforderungen der Nutzer ändern?"

Gartner-Analyst Sid Nag räumt ein, dass das System von Multi-Cloud die Platzhirschen Amazon und Microsoft bis zu einem gewissen Grad beeinflusst. Er hält es aber für unwahrscheinlich, dass sich die Marktanteile radikal umkehren werden. Es seien keine seismischen Beben im Markt zu erwarten, der im nächsten Jahr wohl weltweit ein Volumen von 482 Milliarden Dollar erreicht. In diesem Jahr dürften es mit 396 Milliarden Dollar noch deutlich weniger sein.


 Amazons Cloud-Service AWS dürfte Platzhirsch bleiben 

AWS von Amazon wird seinen Status als Hauptanbieter bei den meisten Unternehmen schon deshalb halten, weil die Kosten für einen Wechsel der vorhandenen Systeme zu hoch sind. "Die anderen werden mehr Krümel abbekommen", wenn Unternehmen ihre Operationen auf spezialisierte Technologien anderer Anbieter ausweiten, sagte Nag.

Dennoch ist das Spielfeld für die Anbieter kleiner geworden. Das zeigt etwa der Wettbewerb um die Joint Warfighting Cloud Capability (JWCC), einen mehrere Milliarden Dollar schweren Vertrag des US-Verteidigungsministeriums, der zwischen Amazon, Microsoft, Google, Oracle und IBM aufgeteilt werden soll. Der Vorgängervertrag Joint Enterprise Defense Infrastructure (JEDI) war mit Microsoft an nur einen Anbieter gegangen.

"Wir kommen gerade zum Ende von Kapitel 1 der Cloud. Wie JEDI gezeigt hat, gibt es eine Verschiebung hin zu Multi-Cloud, um Risiken und Cybersicherheit anzupacken", meint Manager Howard Boville von der IBM Cloud Platform. Der egalitäre Charakter von Multi-Cloud-Geschäften ist ein Nebeneffekt der blitzartigen Innovation in diesem Bereich einerseits und des Selbsterhaltungstriebs von IT andererseits. Führungskräfte aller fünf großen Cloud-Anbieter benutzten Abwandlungen des Wortes "Risiko", um die Hauptmotivation ihrer Kunden zu beschreiben, warum sie zu mehreren Anbietern gleichzeitig wechseln. Kunden wollen Daten mit der besten verfügbaren Technologie schützen und sichern, und zwar jederzeit.


 Cybersicherheit steht ganz vorn 

Laut Keane investieren Cloud-Kunden zunehmend in Infrastruktur, um ihre Sicherheit im Cyberspace zu erhöhen und die Zusammenarbeit von Mitarbeitern mit Hilfe von flexiblen Datensystemen zu verbessern. Das Schreckgespenst Corona - und die damit verbundene Betonung der Arbeit von zu Hause aus - hat die Verbreitung der Cloud nur noch beschleunigt. "Alles dreht sich um die Optimierung und die Gestaltung von Geschäftsprozessen sowie Geschäftsmodellen", so Naresh Shanker, Chef-Techniker von Xerox. "Das zwingt dazu, mit mehreren Anbietern zusammenzuarbeiten."

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October 15, 2021 06:51 ET (10:51 GMT)