Washington (Reuters) - Ein Berufungsgericht hat am Freitag eine Klage von TikTok gegen ein drohendes Verbot der Kurzvideoplattform in den USA abgewiesen.

Der District of Columbia Appeals Court folgte damit der Argumentation des US-Justizministeriums, das in dem Unternehmen eine Gefahr für die nationale Sicherheit sieht. TikTok zufolge beeinträchtigt ein Verbot das verfassungsmäßige Recht auf freie Meinungsäußerung der 170 Millionen US-Nutzer. Dies entspricht der Hälfte der Einwohner der USA. Gegen den aktuellen Beschluss kann das Unternehmen Einspruch einlegen. Weder TikTok noch das Justizministerium waren zunächst für einen Kommentar zu erreichen.

Die Richter bezeichneten das Gesetz, das die chinesische TikTok-Mutter ByteDance zum Verkauf ihres US-Geschäfts bis zum 19. Januar 2025 zwingt, in ihrem Urteil als "Höhepunkt umfangreicher, parteiübergreifender Initiativen des Kongresses und aufeinanderfolgender Präsidenten". "Es war Teil einer umfassenderen Bemühung, einer gut begründeten Bedrohung der nationalen Sicherheit durch die Volksrepublik China zu begegnen."

Sollte ByteDance das US-Geschäft von TikTok nicht bis zum geforderten Termin verkaufen, wird die App landesweit gesperrt. Der scheidende US-Präsident Joe Biden kann die Frist verlängern, sofern er bis dahin zu der Ansicht gelangt, dass sich die Transaktion ihrem Abschluss nähert. Außerdem könnte sich Donald Trump, der am 20. Januar 2025 das Amt übernimmt, in das Verfahren einschalten. Er hatte zwar während seiner ersten Amtszeit vergeblich versucht, TikTok zu verbieten, sich zuletzt aber dagegen ausgesprochen. ByteDance will Insidern zufolge den US-Dienst lieber dichtmachen als sich von ihm zu trennen.

SPIONAGERISIKO CONTRA MEINUNGSFREIHEIT

Wegen ihrer Nähe zur chinesischen Regierung stehen ByteDance und die vor allem bei Jugendlichen beliebte App TikTok in zahlreichen Ländern unter Spionageverdacht. Behörden befürchten, dass die Volksrepublik persönliche Daten der Nutzer unter ihre Kontrolle bringen und die öffentliche Meinung manipulieren kann. In mehreren Ländern ist TikTok auf Diensthandys von Beamten und Regierungsvertretern tabu. Die beiden Unternehmen und die chinesische Regierung haben die Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen.

Das Verbotsverfahren hat eine hitzige Debatte um die von der US-Verfassung garantierte Meinungsfreiheit entfacht. Die Bürgerrechtsgruppe ACLU kritisierte das Vorhaben als gefährlichen Präzedenzfall für eine "übermäßige staatliche Kontrolle sozialer Medien", die weltweit Nachahmer finden könne.

In Europa steht TikTok aktuell ebenfalls unter verschärfter Beobachtung. Weil Russland über die Plattform die öffentliche Meinung in Rumänien manipuliert haben soll, muss die dortige Präsidentschaftswahl wiederholt werden. Kritiker werfen TikTok vor, gegen diese Kampagne nicht ausreichend vorgegangen zu sein.

(Bericht von David Shepardson, Chris Sanders und Mike Scarcella; geschrieben von Hakan Ersen, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)