DARMSTADT (awp international) - Merck lässt sich trotz einer Ergebnisdelle zum Jahresauftakt nicht von seinen Wachstumszielen in diesem Jahr abbringen. Anders als bisher sieht der Pharma- und Spezialchemiekonzern nun sogar positive Währungseffekte auf seiner Seite, wie das Dax-Unternehmen am Dienstag in Darmstadt mitteilte.

Im vergangenen Jahr hatte Merck der starke Euro noch zugesetzt. Da zuletzt etwa der Dollar aber gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung an Wert verlor, profitierte der Konzern im ersten Quartal bei der Umrechnung seiner hohen Umsätze in den USA in die Heimatwährung. Zudem hatten sich einige lateinamerikanische Währungen besser entwickelt als noch zu Jahresbeginn befürchtet, wie Konzernchef Stefan Oschmann auf einer Telefonkonferenz erläuterte. Der Vorstand rechnet deshalb für das Gesamtjahr nun mit zusätzlichen Schub von der Währungsseite - anstatt wie bisher mit Bremseffekten.

Seine Wachstumsambitionen muss Merck aber auf das restliche Jahr vertagen. Zum Jahresauftakt erlitten die Hessen einen Ergebnisrückgang. Analysten hatten die Rückgänge erwartet, aber nicht in diesem Mass. Auch an der Börse zeigten sich die Investoren wenig überzeugt. Die Aktie rutschte bis zum frühen Nachmittag weiter ab und verlor zuletzt mehr als zwei Prozent.

Der Umsatz der Darmstädter kletterte zwar im Jahresvergleich um 7,5 Prozent auf rund 3,75 Milliarden Euro. Das um Sonderposten bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) fiel aber um 4 Prozent auf 929 Millionen Euro. Dies war vornehmlich der Pharmasparte geschuldet, die im Vorjahr noch eine Meilensteinzahlung vom US-Unternehmen Biomarin beflügelt hatte. Unter dem Strich brach der Gewinn um mehr als 40 Prozent auf 189 Millionen Euro ein.

Grösster Wachstumstreiber mit einem Umsatzplus von knapp 12 Prozent blieb zum Jahresauftakt die Laborsparte - sie profitiert weiter von der Übernahme des US-Ausrüsters Sigma-Aldrich 2015. So verdiente Merck gut an Technologien, die die aufwändige Herstellung von Biotech-Medikamenten vereinfachen sollen. In der Spezialchemiesparte wuchs der Umsatz derweil kräftig um gut 7 Prozent. Rund lief es etwa mit Materialien, die organische Leuchtdioden (OLED) verwenden. Zugleich zahlte sich bei den Flüssigkristallen etwa für Fernsehbildschirme weiterhin aus, dass internationale Hersteller ihre Produktionskapazitäten in China aufbauen.

Im Pharmageschäft verloren ältere Kassenschlager hingegen weiter an Boden. Neue Arzneien wie die Multiple-Sklerose-Tablette Mavenclad und das Krebsmittel Bavencio brachten aber steigende Umsätze. Der Vorstand setzt 2019 vor allem auf sein brummendes Laborgeschäft sowie die neuen Medikamente in der Pharmasparte. Deutlichen Schub erhofft sich Merck etwa vom Marktstart von Mavenclad in den USA - die Genehmigung für das Mittel war zum Quartalsende erteilt worden. Zudem hat der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) seit dem zweiten Quartal mit der Überweisung einer Meilensteinzahlung begonnen. Merck hat durch die im Februar vereinbarte Krebspartnerschaft zunächst einen Anspruch auf 300 Millionen Euro.

Auch der Umbau des Geschäfts mit Spezialmaterialien soll sich auszahlen. 2019 soll die Sparte die Talsohle erreichen, wie Oschmann bekräftigte. Der Konzern hatte zur Stärkung des Geschäfts jüngst die Übernahme des Halbleiterzulieferers Versum Materials für umgerechnet fast 5,8 Milliarden Euro vereinbart. Dabei setzte sich Merck in einem Bieterrennen gegen den US-Spezialchemiekonzern Entegris durch.

Zunächst müssen die Aktionäre der Amerikaner formal noch auf einer ausserordentlichen Hauptversammlung am 17. Juni zustimmen. Zudem fehlen in einigen Ländern ausserhalb der USA noch die kartellrechtlichen Genehmigungen. Der Kauf soll im zweiten Halbjahr abgeschlossen sein.

Merck leidet im Spezialchemiegeschäft unter wachsender Konkurrenz aus Asien bei Flüssigkristallen für Smartphones und TV-Displays. Die lange unangefochtene Stellung als Weltmarktführer bröckelt deshalb. Mit Versum will sich der Konzern stärker auf das Geschäft mit Halbleitern und Elektronikmaterialien ausrichten. Angesichts der Digitalisierung mit immer leistungsfähigeren Smartphones, Fernsehern sowie mit vernetzten Fabriken in der Industrie sieht der Vorstand Wachstumschancen. Um daran teilzuhaben, kaufte Merck zuletzt für umgerechnet etwa 55 Millionen Euro auch den US-Materialspezialisten Intermolecular.

Im laufenden Jahr erwartet Merck steigende Umsätze auf 15,3 bis 15,9 Milliarden Euro. Das bereinigte Ebitda soll noch stärker auf 4,15 bis 4,35 Milliarden Euro wachsen. Diese Prognose klammert etwaige Beiträge von Versum und Intermolecular aus. Ob Merck nach Vollzug der Übernahmen an den Finanzzielen noch einmal Hand anlegt, bleibt vorerst offen. Oschmann begründete dies mit dem schwer vorhersagbaren weiteren Zeitplan für die Zukäufe./tav/nas/jha/