DARMSTADT (awp international) - Der Darmstädter Merck-Konzern sieht sich in der Zielgeraden für den erhofften baldigen Aufschwung. Eine vielversprechende Medikamentenpipeline, das überdurchschnittlich rentable Laborgeschäft und der bereits begonnene Umbau in der Sparte mit Spezialmaterialien stimmen die Führungsspitze um Konzernchef Stefan Oschmann für 2019 zuversichtlich. "Wir haben richtungsweisende Entscheidungen getroffen, die im kommenden Jahr zu profitablem Wachstum führen werden", sagte Oschmann am Dienstag auf einem Kapitalmarkttag in Darmstadt. Merck stehe kurz vor dem Übergang von seiner Investions- in die Ertragsphase, versicherte der Manager.

Oschmann bestätigte die Prognosen für 2018 und die bisherigen Wachstumsziele für 2019. Im kommenden Jahr will Merck bei Umsatz, operativem Gewinn (bereinigtes Ebitda) und operativer Marge wieder zulegen - nach erwarteten Rückgängen in diesem Jahr. Treiber sollen zunächst die Pharmasparte und der Laborbereich sein, während die Performance Materials (Spezialmaterialien) noch eine Durststrecke zu überwinden haben. Dort soll es erst nach 2019 wieder aufwärts gehen und ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum zwischen 2 und 3 Prozent erreicht werden, wie Spartenchef Kai Beckmann bekräftigte.

Performance Materials bietet Lösungen für Displays, Computerchips und Oberflächen aller Art. Im ersten Halbjahr musste der Bereich einen Umsatz- und Gewinnrückgang verkraften. Merck kämpft in der Sparte mit einem schwächelnden Geschäft mit Flüssigkristallen etwa für Smartphone-Displays, das unter asiatischer Konkurrenz leidet. Um die Probleme in den Griff zu kriegen, hat der Konzern den gesamten Geschäftsbereich umstrukturiert und fast das gesamte Führungsteam ausgewechselt.

Beckmann, der die Leitung der Sparte im September 2017 übernahm, will den Geschäftsbereich künftig zu einem führenden Lieferanten für die Elektronikindustrie machen. Dabei setzt er verstärkt auf das Geschäft mit Halbleitermaterialien. In den vergangenen vier Monaten haben Beckmanns Mitarbeiter das Forschungsportfolio nun auf Chancen und Risiken überprüft. Herausgekommen seien rund 200 Wachstum versprechende Projekte, an denen die Darmstädter weiterarbeiten wollen, erläuterte der Manager.

"Wir konzentrieren uns nun auf solche Themen, für die es aktuell bereits eine Nachfrage am Markt gibt." Merck erhofft sich, deshalb die Früchte möglicher Erfolge schneller als bisher anvisiert ernten zu können. Gleichzeitig schloss der Spartenchef die Trennung von weniger erfolgversprechenden Randbereichen nicht aus. Zudem wolle Merck in einigen Bereichen den Schulterschluss mit Partnern suchen, etwa im Geschäft mit organischen Leuchtdioden (OLED) oder bei Flüssigkristallfenstern. Der OLED-Markt sei stark fragmentiert, "und die meisten können es nicht alleine schaffen", sagte Beckmann. OLEDs finden neben der Displaytechnologie beispielsweise in Lampen Anwendung.

In der Pharmasparte setzt Merck auf seine Medikamentenpipeline, die Oschmann abermals als vielversprechend lobte. Umsatzrückgänge etwa bei seinem ehemaligen Kassenschlager Rebif hofft der Konzern mit neuen Medikamenten mehr als ausgleichen zu können. Bis 2022 sollen es die Innovationen - wie bereits bekannt - auf 2 Milliarden Umsatz bringen.

Zu den grössten Hoffnungsträgern gehören hier die Krebstherapie Bavencio (Avelumab) oder die bei Multipler Sklerose angewendeten Tabletten Mavenclad (Cladribin). Avelumab ist aktuell für zwei seltenere Krebsarten zugelassen. "Um unsere Ziele zu erreichen, brauchen wir aber mindestens noch zwei weitere Zulassungen", räumte Finanzchef Marcus Kuhnert ein. Aktuell wird das Mittel an zahlreichen weiteren Krebsarten getestet. Einen deutlichen Schub erwartet Merck von der erhofften Zulassung für Mavenclad in den USA. Eine Entscheidung werde für das zweite Quartal 2019 erwartet.

In der Laborsparte profitiert Merck vom dynamisch wachsenden Gesamtmarkt und der Integration des 2015 übernommenen US-Ausrüsters Sigma-Aldrich. Für den Geschäftszweig, der in den vergangenen drei Jahren bereits schneller als der Markt zulegte, strebt der Konzern dank neuer und innovativer Produkte weiterhin überdurchschnittliches profitables Wachstum an. 2018 sollen die bereits eingeplanten Synergien durch den Sigma-Zukauf in Höhe von 280 Millionen Euro erreicht werden.

Unterdessen bereitet sich Merck angesichts der bislang erfolglosen Brexit-Verhandlungen auf den Ernstfall eines ungeregelten Austritts der Briten aus der EU vor. Der Konzern habe bereits einige vorsorgliche Massnahmen auf den Weg gebracht, um etwa seine Lieferketten und Handelswege abzusichern. Vom Brexit wären nach Unternehmensangaben Produktumsätze im niedrigen einstelligen Prozentbereich betroffen sowie rund 1500 Mitarbeiter an 14 Standorten und eine Vielzahl erfolgreicher Forschungskooperationen.

Der Handelsstreit zwischen den USA und China hat laut Merck bislang nur minimale Effekte insbesondere auf chemische Produkte. Gleichzeitig stellte Oschmann klar, dass es sich um zwei sehr wichtige Märkte für den Konzern handele, die insgesamt 36 Prozent des Umsatzes im vergangenen Jahr ausgemacht hätten./tav/jsl/fba