(neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Kurs, Analystenstimme)

DARMSTADT (dpa-AFX) - Der Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck KGaA nimmt trotz der Corona-Pandemie Fahrt auf und wird noch optimistischer für das laufende Jahr. Die florierende Laborsparte gab dem Dax-Konzern im dritten Quartal weiter Rückenwind und profitierte auch von Aufträgen im Zusammenhang mit Covid-19. Aber auch das Halbleitergeschäft sprang deutlich an. Damit habe sich das Jahresviertel stärker als erwartet entwickelt, teilte der Dax-Konzern am Donnerstag in Darmstadt mit. Konzernchef Stefan Oschmann sprach von einem "hervorragenden Geschäftsergebnis".

An der Börse lag die Merck-Aktie zuletzt entgegen dem schwächeren Trend im Dax mit knapp eineinhalb Prozent im Plus bei 133,60 Euro. Das Papier gehört bisher in diesem Jahr zu den größten Favoriten im deutschen Leitindex - erst zu Wochenbeginn hatte der Kurs einen Rekord bei mehr als 140 Euro erreicht.

Konzernweit steigert Merck seinen Umsatz im Berichtszeitraum zwischen Juli und September zum Vorjahr um 9,7 Prozent auf knapp 4,45 Milliarden Euro. Wegen eines Sonderertrags wuchs das bereinigte Betriebsergebnis (Ebitda) überproportional stark um 53 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro. Der Konzern hatte nach einem gewonnenen Patentstreit mit dem US-Konzern Biogen Rückstellungen von 365 Millionen Euro aufgelöst. Aber auch ohne diesen Effekt betrug der Zuwachs noch knapp ein Fünftel. Das Konzernergebnis wurde mit 800 Millionen Euro mehr als verdoppelt.

Damit steuert Merck bisher recht unbeschadet durch die Pandemie. Deren Auswirkungen hatten die Südhessen vor allem im zweiten Quartal zu spüren bekommen. Auch im dritten Quartal schwächelte etwa noch das Geschäft mit Farbpigmenten wegen der mauen Nachfrage aus der Auto- und Kosmetikindustrie. Die meisten Geschäftsbereiche aber konnten sich erholen. Analysten sprachen von einem besseren Quartal als gedacht. Der erhöhte Konzernausblick entspreche aber den Erwartungen, schrieb Warburg-Analyst Ulrich Huwald in einer ersten Reaktion.

Die wegen der Corona-Krise im Frühjahr gedämpften Ziele polierte Merck ein zweites Mal auf. Für das Gesamtjahr engte der Vorstand den Prognosekorridor ein und erwartet jetzt einen Umsatzanstieg auf 17,1 bis 17,5 (Vorjahr: 16,2) Milliarden Euro. Zuvor waren noch 16,9 bis 17,7 Milliarden anvisiert.

Dass Merck die Prognose gleichzeitig auch am oberen Ende stutzt, erklärte Finanzchef Marcus Kuhnert in einer Telefonkonferenz mit dem zunehmenden Gegenwind von der Währungsseite. Neben dem US-Dollar hätten zuletzt insbesondere die zunehmenden Wechselschwankungen lateinamerikanischer Währungen auf die Erlöse gedrückt, da bei der Umrechnung in Euro weniger herauskommt. Auch für das Gesamtjahr stellt sich der Vorstand nun auf höhere Belastungen durch die Wechselkurse ein als zuvor.

Das bereinigte Ebitda wird bei 5,05 bis 5,25 Milliarden Euro erwartet nach rund 4,4 Milliarden ein Jahr zuvor. Nicht berücksichtigt sind in diesen Prognosen allerdings mögliche wirtschaftliche Folgen durch die Pandemie und eventuelle neue Lockdowns.

Die Laborsparte blieb auch im dritten Quartal mit einem Umsatzplus von mehr als elf Prozent der Fels in der Brandung. Sie profitierte von den anhaltend guten Geschäften rund um Produkte und Dienstleistungen für die Arzneimittelherstellung. Die Sparte liefert inzwischen Laborbedarf für mehr als 50 Projekte für Corona-Impfstoffe sowie Produkte und Reagenzien für Diagnostik. Die Nachfrage werde hier länger anhalten, zeigte sich Oschmann überzeugt. Auch in der Zusammenarbeit mit akademischen Laboren holte Merck auf, nachdem viele im Sommer geschlossen hatten.

Die Sparte für Spezialmaterialien steigerte ihre Umsätze dank Zukäufen um gut 43 Prozent. Größtes Zugpferd war das Halbleitergeschäft. Der Konzern will die Sparte nach Problemen in den vergangenen Jahren stärker auf die mehr Wachstum versprechende Elektronikindustrie ausrichten. 2019 verleibte sich Merck daher den US-Halbleiterzulieferer Versum Materials und den kalifornischen Materialspezialisten Intermolecular ein. Die Übernahmen machen sich bisher mit hohen Wachstumsbeiträgen bezahlt. Aber auch ohne die beiden Konzernneulinge konnte der Halbleiterbereich im Berichtszeitraum zulegen.

Dagegen musste Merck im seit einigen Jahren problematischen Geschäft mit Bildschirm-Lösungen abermals Einbußen verkraften. Diese fielen aber nicht so stark aus wie im Vorquartal, als die Pandemie die Nachfrage noch deutlich stärker gedämpft hatte. Der Bereich kämpft abseits der Corona-Krise bereits seit geraumer Zeit mit asiatischer Konkurrenz bei Flüssigkristallen, die beispielsweise für Displays und Smartphones verwendet werden.

In der Pharmasparte lagen die Erlöse zwischen Juli und September hingegen leicht unter dem Vorjahr. Hier belasteten zum einen negative Wechselkursffekte, da bei der Umrechnung aus der Fremdwährung in Euro weniger herauskam. Zudem fielen durch den zum Jahresstart erfolgten Verkauf des Allergiegeschäfts Umsätze weg. Steil nach oben gingen die Verkäufe mit Mercks wichtigen Hoffnungsträgern, der Multiple-Sklerose-Tablette Mavenclad und dem Krebsmittel Bavencio, das von einer weiteren Zulassung in den USA profitierte.

Auch das Geschäft mit Fruchtbarkeitsmedikamenten lief wieder an, es hatte im ersten Halbjahr noch unter die Schließung vieler Kliniken gelitten./tav/eas/jha/