(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz zu Spartenentwicklung, Gewinn- und Umsatzzielen konzernweit, Aktienkurs, Analystenstimme.)

DARMSTADT (dpa-AFX) - Der Darmstädter Merck-Konzern will sein schwächelndes Geschäft mit Spezialmaterialien wieder auf Wachstumskurs bringen. Der Unternehmensbereich Performance Materials, zu dem auch das abflauende Geschäft mit Flüssigkristallen gehört, soll seine Durststrecke nach dem Jahr 2019 endlich hinter sich lassen. Große Hoffnungen setzt Spartenchef Kai Beckmann in das Geschäft mit der Elektronikindustrie, wie er am Dienstag in Darmstadt klarmachte.

An der Börse kamen die Nachrichten gut an. Die Merck-Aktien gewannen am Morgen zeitweise fast zwei Prozent an Wert und waren damit Spitzenreiter im Dax. Um die Mittagszeit lagen sie mit einem Plus von 1,35 Prozent auf 85,44 Euro schließlich nur noch im Mittelfeld des Leitindex. Auch auf längere Sicht sieht es nicht so gut aus. Seit einem Jahr haben die Papiere fast ein Fünftel an Wert verloren.

Laut Analyst Peter Spengler von der DZ Bank liegen die mittelfristigen Ziele des Unternehmens zwar unter der durchschnittlichen Markterwartung. Allerdings entsprächen sie seinen eigenen Schätzungen. Sein Kollege Ulrich Huwald von Warburg Research erwartet, dass die Bereiche Healthcare und Life Science die schwache Entwicklung von Performance Materials in diesem Jahr ausgleichen.

Diese Hoffnung hat die Merck-Führung auch mit Blick auf das kommende Jahr. Merck werde 2019 dank der beiden übrigen Sparten bei Umsatz, operativem Gewinn (bereinigtes Ebitda) und der operativen Marge wieder zulegen, kündigte Finanzvorstand Marcus Kuhnert an.

Bei Performance Materials dürfte 2019 allerdings noch ein geringerer Anteil vom Umsatz als operativer Gewinn hängen bleiben als im laufenden Jahr. Erst danach soll der Bereich seine Erlöse jährlich wieder im Schnitt um 2 bis 3 Prozent steigern. Ab 2020 soll auch das operative Ergebnis in diesem Bereich wieder zulegen.

Der Pharma- und Spezialchemiekonzern traut den Spezialmaterialien dauerhaft noch eine operative Marge (bereinigtes Ebitda) von rund 30 Prozent zu. In den vergangenen Jahren hatte sie über 40 Prozent gelegen. Merck räumte ein, dass das ausgegebene Ziel die neue untere Grenze sein solle. "Auch ein weiterer Rückgang der Flüssigkristalle und der Margen in diesem Geschäft wird uns nicht unter 30 Prozent fallen lassen", hieß es in der Telefonkonferenz. Merck sieht diesen Wert immer noch als gut an. Vergleichbare Unternehmen kämen in diesem Geschäft nur auf etwa 22 Prozent.

Performance Materials steht für rund 16 Prozent des Konzernumsatzes von zuletzt 15,3 Milliarden Euro. 2017 verbuchte der Bereich einen Umsatzrückgang von 2,6 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro. Die Sparte bietet Lösungen für Displays, Computerchips und Oberflächen aller Art an. Sie beliefert unter anderem die Automobil- , Kosmetik- und Elektronikindustrie.

Probleme bereitet den Darmstädtern schon seit längerem das Geschäft mit Flüssigkristallen. Der Konzern war hier lange Jahre unangefochtener Marktführer, verliert aber Anteile vor allem an chinesische Konkurrenten. Der Marktrückgang werde in den kommenden Jahren andauern, schätzt Merck. Mehr als ausgleichen will der Konzern die zu erwartenden Umsatzrückgänge in diesem Bereich mit Zuwächsen bei organischen Leuchtdioden (OLED) und Fotolacken.

Ein wesentlicher Treiber soll auch das Geschäft mit Halbleitermaterialien sein. Vor allem seine Stellung als Lieferant für die Elektronikbranche will Merck weiter stärken. Wachstumspotenzial sieht Beckmann bei Innovationen wie Flüssigkristallfenstern. Flüssigkristallfenster bieten zum Beispiel die Möglichkeit, Fenster auf Knopfdruck zu verdunkeln oder die Lichtdurchlässigkeit zu verringern. Anwendungsgebiete sind unter anderem Sonnen- oder Sichtschutz.

Um die Umsatz- und Gewinnziele zu erreichen, setzt der Manager verstärkt auch auf das Geschäft in China. Dort hat das Unternehmen im Juni ein neues Zentrum für die OLED-Technologie eröffnet.

Der Konzern hatte nach den Problemen vor allem bei Flüssigkristallen im vergangenen Jahr die Reißleine gezogen. Der Bereich Performance Materials wurde neu in die drei Einheiten Display Solutions, Semiconductor Solutions und Surface Solutions gegliedert. Außerdem wechselte Merck fast das gesamte Führungsteam aus./stw/men/jha/