FRANKFURT (dpa-AFX) - Daimler und der abgespaltene Lastwagenhersteller Daimler Truck gehen nun auch an der Börse getrennte Wege. Daimler Truck gab am Freitag sein Debüt an der Frankfurter Börse. Vorstandschef Martin Daum sprach von einem historischen Tag: Das Lkw- und Busgeschäft sei erstmals seit 125 Jahren unabhängig und börsennotiert. "Mit dem heutigen Tag beginnt für uns eine neue Zeitrechnung", ergänzte Daimler-Konzernchef Ola Källenius.

Daimler Truck mit mehr als 100 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist aus eigener Sicht der weltweit größte Hersteller von Lastwagen und Bussen. Er wurde zu Monatsbeginn aus dem Daimler-Konzern herausgelöst.

Anleger bekamen für je zwei Daimler-Aktien einen Anteil des abgespaltenen Unternehmens ins Depot gebucht. Die Aktie startete mit 28 Euro und kletterte zeitweise auf mehr als 30 Euro. Am Nachmittag waren es dann wieder 28,20 Euro.

Die Papiere von Daimler selbst notierten mit 74,55 Euro deutlich niedriger als am Vortag. Nimmt man die Aktienkurse beider Unternehmen aber zusammen und berücksichtigt, dass Anleger je zwei Daimler-Papieren ein Truck-Papier bekommen hatten, ergab sich insgesamt ein Kursplus.

Mit dem Kurs erreichte Daimler Truck einen Marktwert von fast 24 Milliarden Euro - inklusive des noch von der Daimler AG gehaltenen Anteils von 35 Prozent der Truck-Aktien. Damit ist Daimler Truck deutlich mehr wert als die VW-Nutzfahrzeugholding Traton mit rund 10,8 Milliarden Euro. Im Vergleich mit den aktuellen Dax-Mitgliedern steht Daimler Truck damit auch gut da - die Deutsche Bank und Beiersdorf liegen bei etwa 23 Milliarden Euro, die VW-Dachholding Porsche SE bei knapp 26 Milliarden.

Daimler Truck soll nun bei der nächstmöglichen Gelegenheit in den deutschen Leitindex einziehen. Für die Indexzusammensetzung ist vor allem der Wert der frei handelbaren Aktien, also des Free Floats, wichtig. Zieht man etwa nur die 35 Prozent Anteil der Daimler AG an Daimler Truck ab, so kommt Daimler Truck hier auf rund 15,6 Milliarden Euro. MTU, Covestro und einige weitere Dax-Mitglieder sind mit Blick auf den Streubesitz hier weniger hoch bewertet.

Daimler-Truck-Finanzvorstand Jochen Goetz machte deutlich, dass sich die Versorgungsengpässe bei Mikrochips auch im kommenden Jahr ernsthaft auswirken dürften. "Der Mangel in der Industrie ist weiterhin da", sagte er. "Wenn wir keine Engpässe in der Halbleiterindustrie hätten, dann würden wir wirklich hervorragende Jahre in 2021 und in 2022 sehen." Der Tiefpunkt bei den Chip-Engpässen sei wohl zwischen Juli und Ende September erreicht worden. Die Nachfrage nach Fahrzeugen sei in Europa und Nordamerika - den wichtigsten Märkten für das Unternehmen - sehr gut.

Die Aufspaltung Daimlers wird vielfach positiv gesehen. Der Konzern habe erkannt, "dass das Pkw- und das Lkw-Geschäft keinerlei Gemeinsamkeiten mehr haben", kommentierte der Analyst der NordLB, Frank Schwope. Auch die Arbeitnehmerseite bei Daimler hatte die Aufstellung mit zwei unabhängigen Unternehmen gut geheißen.

Konzernchef Källenius sagte, die Aufspaltung solle "das volle Potenzial beider Unternehmen freisetzen und entscheidenden Mehrwert für alle Seiten schaffen". Er hatte bereits angekündigt, bei den Autos Mercedes-Benz als Luxusmarke zu profilieren. "Wir konzentrieren uns voll und ganz darauf, die begehrenswertesten Autos der Welt zu bauen und bei Elektromobilität und Fahrzeugsoftware die Führung zu übernehmen." Zum 1. Februar soll der Autokonzern in Mercedes-Benz Group AG umbenannt werden. Der Fokus auf den Luxus-Aspekt der Traditionsmarke mit dem Stern soll die Renditen in den kommenden Jahren steigern.

Källenius schwebten bei seinem Entschluss also zwei "pure play"-Unternehmen vor, bei denen Anleger gezielt in unterschiedliche Geschäftsmodelle investieren können. So setzen Investoren bei großen Mischkonzernen häufig einen Bewertungsabschlag an, weil die Geschäfte von Konglomeraten manchmal wenig miteinander zu tun haben, sich aber oft gegenseitig stützen müssen./cb/men/DP/mis