STUTTGART (dpa-AFX) - Vorstandschef Ola Källenius will beim Autobauer Mercedes-Benz den Luxusaspekt in den Mittelpunkt rücken. Das soll bei der Marke mit dem Stern die hohen Gewinne der jüngsten Zeit verstetigen. Allerdings sehen einige Experten am Horizont dunkle Wolken aufziehen, nachdem die knappe Produktion infolge des Chipmangels den Herstellern über gestiegene Preise eher noch in die Karten gespielt hat. Mercedes legt an diesem Mittwoch (26. Oktober) seine Zahlen zum dritten Quartal vor.

DAS IST LOS BEI MERCEDES-BENZ:

Nachdem bei Mercedes im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres der Chipmangel die Produktion stark beschränkt hatte und die Verkäufe deutlich zurückgegangen waren, erholten sie sich nun wieder ein Stück weit. In den Monaten von Juli bis September lieferte die Marke Mercedes-Benz 517 800 Autos aus, das waren 21 Prozent mehr als vor einem Jahr. Bei den vollelektrischen Autos zogen die Verkäufe gar auf mehr als das Doppelte auf nunmehr rund 30 000 Autos an.

Kleiner Wermutstropfen: Bei den Top-Modellen, auf die Källenius so große Stücke setzt, gingen die Verkäufe im Jahresvergleich um ein Prozent zurück. In den USA machte die Auslieferung vom Flaggschiff S-Klasse Probleme, weil sich Zertifizierungen verzögerten. Im mittelklassigen Core-Luxury-Segment konnte Mercedes ein gutes Drittel mehr an Pkw verkaufen. Auch im Einstiegssegment gab es ein leichtes Plus.

Interessant wird zu sehen sein, wie das Management die weiteren Aussichten bei den zuletzt so stark gestiegenen Preisen einschätzt. Das hatte die bereinigte operative Umsatzrendite im ersten Halbjahr auf hohe 15 Prozent getrieben. Zudem lieferten hohe Gebrauchtwagenpreise Rückenwind für die Finanzsparte, weil Leasingrückläufer für gutes Geld weiterverkauft werden konnten.

Experten befürchten allerdings, dass es mit dem guten Preisumfeld für die Autobauer ein jähes Ende haben könnte. Laut Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer jedenfalls steht eine Trendwende ins Haus - der Automarkt kippe von einer Angebots- in eine Nachfrageschwäche. Allerdings sieht er die Märkte in China und Nordamerika weiter stark, während Europa Konjunkturprobleme bekommt. China ist für die deutschen Autokonzerne - unter anderem Mercedes-Benz - der wichtigste Markt.

Sollten die Verkaufspreise unter Druck geraten, sitzt die Branche in der Klemme, denn die Kosten für Material, Energie, Frachten und Gehälter dürften weiter zulegen. Auf Jahressicht will Mercedes-Finanzchef Harald Wilhelm das durch Preiserhöhungen kompensieren.

Die um Sondereffekte bereinigte operative Marge in der Autosparte erwarten die Stuttgarter zwischen 12 und 14 Prozent, bei den Vans sind 8 bis 10 Prozent angepeilt. Gelingen soll zudem ein leichter Absatzanstieg in beiden Sparten. Der Konzernumsatz soll sich deutlich über dem Vorjahresniveau bewegen, das Konzernergebnis vor Zinsen und Steuern leicht darüber.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Analyst Jürgen Pieper erwartet, dass Mercedes nicht nur ein starkes drittes Quartal vorzuweisen hat, sondern dass es sogar die historisch besten Zahlen für Mercedes überhaupt sein könnten. Das Preisumfeld sei weiter sehr positiv, und Effizienzgewinne sowie der schwache Euro trügen ebenso dazu bei. Während sich die Konjunkturaussichten eintrübten, könne sich das Unternehmens auf einen starken Auftragsbestand stützen. Alles in allem sollten Umsatz und Ergebnis die starken Resultate aus dem Vorquartal noch in den Schatten stellen. Pieper sieht gar eine gute Chance für eine weitere Prognoseerhöhung, zumindest in Teilbereichen.

Barclays-Experte Henning Cosman rechnet mit einer operativen Marge im Pkw-Geschäft von 15 Prozent. Damit sei auch der Weg offen für eine Prognoseanhebung auf 13 bis 15 Prozent für das Gesamtjahr - die Cosman auch erwartet.

JPMorgan-Analyst Jose Asumendi rechnet ebenfalls mit starken Zahlen - verweist aber darauf, dass Investoren nur noch auf das kommende Jahr schauten. Und da sei die Schlüsselfrage für Mercedes, wie gut die Firma die Preisdisziplin auch in einem schwächeren Wirtschaftsumfeld durchhalten kann - also auf höhere Rabatte verzichten kann. Das hätten Autobauer über viele Konjunkturzyklen hinweg nicht hinbekommen - Mercedes habe jedoch die Chance dazu.

Von den 17 Analystenstimmen, die von dpa-AFX seit der jüngsten Zahlenvorlage erfasst wurden, lauten 15 Empfehlungen auf "Kaufen". Zwei Experten sind vorsichtiger und raten zum "Halten". Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 82 Euro, während der Kurs derzeit zwischen 55 und 60 Euro liegt.

DAS MACHT DIE AKTIE (Stand 24. Oktober 12:30 Uhr):

Seit Jahresbeginn verlor der Kurs rund 15 Prozent. Damit schnitt Mercedes zwar besser ab als die VW-Vorzugsaktie (-27 Prozent), aber etwas schwächer als BMW (-13 Prozent.)

Im Tief des Corona-Crashs fiel das Mercedes-Papier im Frühjahr 2020 (um die Abspaltung von Daimler Truck im vergangenen Dezember bereinigt) unter 18 Euro. Mitte Februar 2022, also rund eine Woche vor dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine, markierte die Aktie dann ein Hoch bei 77,90 Euro - in rund zwei Jahren hat sich der Wert vom einen zum anderen Extrem mehr als vervierfacht.

Mit dem Kriegsausbruch in Osteuropa fiel der Kurs dann wieder unter 55 Euro, von wo aus sich das Papier kaum erholt hat. Damit ist Mercedes an der Börse aktuell rund 62 Milliarden Euro wert. BMW kommt in dieser Rechnung auf circa 50 Milliarden Euro.

Größte Anteilseigner bei Mercedes sind Chinesen: Der staatliche Joint-Venture-Partner BAIC ist mit einem Anteil von knapp 10 Prozent der größte Einzelaktionär. Der Gründer und Eigentümer des Autokonzerns Geely, Li Shufu, hält über ein Investmentvehikel 9,7 Prozent. Der Staatsfonds von Kuwait kommt auf 6,8 Prozent./men/ksc/he