Von Carol Ryan

NEW YORK (Dow Jones)--Bill Gates und Jeff Bezos haben den Staffelstab bei ihren Unternehmen an erfahrene Führungskräfte aus der jeweiligen Branche übergeben. Dagegen setzen die milliardenschweren Gründer der weltweit führenden Luxusgüter-Konzerne eher auf Familienmitglieder. Die Chefs mehrerer großer Luxusunternehmen zählen bereits mehr als 80 Jahre, darunter der reichste Mann der Welt, LVMH-Moët-Hennessy-Louis-Vuitton-Gründer Bernard Arnault. Auch Cartier-Eigentümer Johann Rupert sowie das Ehepaar an der Spitze von Prada, Miuccia Prada und Patrizio Bertelli, gehören ebenfalls zu dieser Altersklasse. Die Brüder Alain und Gerard Wertheimer, die hinter der nicht-börsennotierten Chanel stehen, sind über 70 Jahre alt.

Da die Gründerfamilien von börsennotierten Luxusunternehmen in der Regel die Stimmrechte kontrollieren, haben Minderheitsaktionäre nur wenig Mitspracherecht bei der Nachfolgeregelung. Selbst bei Richemont nutzt Rupert eine Zwei-Klassen-Aktienstruktur, um mit einem geringen wirtschaftlichen Anteil von 10 Prozent die Entscheidungsfindung zu dominieren.

Dies ist umso wichtiger, als mehrere Luxusunternehmen ihre Übergabepläne zu beschleunigen scheinen. Prada hat kürzlich eine angesehene Führungskraft aus der Branche als Chef der Marke eingestellt, bis der 34-jährige Familienerbe Lorenzo Bertelli in der Lage ist, in die Leitungsrolle zu schlüpfen. In diesem Monat ernannte Arnault seine Tochter Delphine zur Chefin von Christian Dior, einer der wichtigsten Marken im Portfolio von LVMH.

Bei Richemont sind die Dinge etwas unübersichtlicher. Obwohl der Sohn von Rupert im Verwaltungsrat sitzt, wird nicht erwartet, dass er beim Unternehmen mal ans Steuerruder kommt. Einige der ursprünglichen Gründer haben den Investoren gute Dienste geleistet. Seit LVMH in den 1980er Jahren an die Börse ging, hat die Aktie eine durchschnittliche Gesamtrendite von 17 Prozent pro Jahr erzielt und ist heute das wertvollste börsennotierte Unternehmen Europas. Die langfristige Bilanz von Richemont ist mit einer Rendite von 14 Prozent ebenfalls gut. Prada ist die Ausnahme. In den fast zwölf Jahren, in denen das Unternehmen an der Börse notiert ist, hat es nur eine Rendite von 3 Prozent pro Jahr erwirtschaftet.


Nachfolger sind oft weniger erfolgreich als Gründer 

Die Frage ist, ob die zweite Generation mit der Vision der Gründer mithalten kann und ob die Marken, die sie erbt, weiterwachsen. Passable Renditen zu erzielen, könnte mit der Zeit immer schwieriger werden. Laut einer Analyse des französischen Fondsmanagers Carmignac haben die Aktien von Familienunternehmen, die die erste Generation managte, zwischen Januar 2004 und Oktober 2022 fast doppelt so stark zugelegt wie die von der fünften Generation geführten. Beruhigend ist, dass es ein Beispiel für eine erfolgreiche Übergabe bei Guccis Eigentümer Kering gibt. Seit François-Henri Pinault 2005 die Leitung des Unternehmens von seinem Vater übernommen hat, schaffte er es, die gleichen Renditen zu erzielen wie der Gründer.

Die jüngsten Einstellungen von talentierten Führungskräften an der Seite von Familienmitgliedern bei Prada und LVMH sind ein ermutigendes Zeichen für Investoren. LVMH beförderte den Chef von Christian Dior, Pietro Beccari, zum Leiter von Louis Vuitton. Die Kombination aus einem engagierten Ankeraktionär und externen Managern kann die Intransparenz verhindern, die die Aktien einiger Familienmarken wie Tod's und Salvatore Ferragamo belastet hat. Bei LVMH herrscht ein gesunder Wettbewerb zwischen den fünf Erben des Gründers und familienfremden Managern. Bis zur Umbildung in diesem Monat hatte Arnault die Leitung der wertvollsten Marken des Unternehmens noch nie jemandem aus der Familie anvertraut. Seine Tochter erhielt den Posten bei Dior, nachdem sie sich mehr als 20 Jahre lang in der Branche bewährt hatte.

Unternehmen ohne klare Nachfolgeregelung könnten schließlich geschluckt werden. Die Gründer des nicht-börsennotierten Unternehmens Tom Ford und des Schuhherstellers Christian Louboutin haben in den vergangenen Jahren ihre Marken ganz oder teilweise verkauft. Derweil lässt der achtundachtzigjährige Giorgio Armani die Branche im Unklaren darüber, was er mit seiner gleichnamigen Marke vorhat. Obwohl Richemont darauf besteht, dass das Unternehmen nicht zur Disposition steht, könnte ein Verkauf sinnvoll sein, wenn niemand aus der Familie des Gründers die Marke übernehmen will. Luxus-Investoren konzentrieren sich heute zu Recht darauf, wie sich wohlhabende Verbraucher verhalten, wenn sich die Weltwirtschaft verlangsamt. Doch sie sollten auch die Familien hinter den Marken im Auge behalten.

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January 19, 2023 10:18 ET (15:18 GMT)