DANBURY/PULLACH (dpa-AFX) - Vorstandschef Steve Angel trimmt Industriegase-Konzern Linde derzeit auf mehr Profitabilität. Zuletzt kündigte Angel einen Stellenabbau in Deutschland an, um Kosten bei dem Dax-Konzern zu sparen, der aus der alten Linde AG und dem US-Konkurrenten Praxair entstanden ist. Im vergangenen Jahr konnte der deutsch-amerikanische Gaskonzern trotz schwacher Konjunktur dank Einsparungen mehr Gewinn machen. Nun belastet die Coronavirus-Pandemie weltweit die Wirtschaft. Wie geht es weiter bei Linde? Die wichtigsten Punkte für das Unternehmen, was die Experten sagen und wie es für die Aktie läuft:

DAS IST LOS BEI LINDE:

Linde ist weltweit breit aufgestellt und beliefert alle Branchen der Öl-, Chemie- und Metallindustrie genauso wie Lebensmittelhersteller und Krankenhäuser. Den Löwenanteil seiner Umsätze und Gewinne erwirtschaftet Linde in Amerika, jeweils gut 20 Prozent der Erlöse kommen aus Europa und Asien. Die Linde AG und der kleinere, aber profitablere US-Konkurrent Praxair hatten sich 2018 zum Weltmarktführer für Industriegas zusammengeschlossen. Sie überholten damit wieder den französischen Konkurrenten Air Liquide, der sich mit dem Zukauf von Airgas 2016 zwischenzeitlich auf den ersten Platz vorgeschoben hatte.

Seit dem Zusammenschluss trimmt Vorstandschef Steve Angel den Gasekonzern auf Profitabilität. Dies kam Linde im vergangenen Jahr zugute - trotz schwacher Konjunktur machte das Unternehmen mehr Gewinn. Auch im laufenden Jahr will Linde mehr verdienen. Um noch profitabler zu werden, will Angel im deutschen Gasgeschäft Stellen abbauen, wie er bei der Vorlage der Jahreszahlen im Februar ankündigte. Bayerns IG-Metall-Chef Johann Horn befürchtet, dass bis Ende nächsten Jahres 850 der 7000 Stellen in Deutschland gestrichen werden. Der Linde-Chef wollte auf diese Zahlen nicht eingehen.

Es gebe Stellenkürzungen, weil die deutsche Industrie und damit das hiesige Gasgeschäft schwächer seien, sagte Angel. Pullach dagegen sei zwar mit 3300 Arbeitsplätzen dreimal größer als jeder andere Standort des Konzerns, aber hier sitze der Anlagenbau, und der habe gerade "ein historisch gutes Jahr gehabt", sagte Angel. Hier würden eher Stellen aufgebaut. Linde legt an diesem Donnerstag (7. Mai) Zahlen für das erste Quartal vor.

Steve Angel und Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle hatten durch Abbau regionaler Überlappungen und mehr Effizienz bis Ende 2021 Synergien in Höhe von 1,1 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt. Um die Erlaubnis der Kartellbehörden für die Fusion zu erhalten, hatten die beiden Unternehmen große Geschäftsteile in Europa und Amerika an Konkurrenten und Finanzinvestoren verkauft. Angel sagte: "Bei der Integration sind wir fast fertig." Die laufenden Fusionskosten gingen zurück. Weltweit beschäftigt die neue Linde plc 80 000 Mitarbeiter. Hauptaktionäre sind angelsächsische Investoren.

Das neue Unternehmen heißt zwar nach wie vor Linde, doch der ehemalige Praxair-Chef Steve Angel, der weiter aus Danbury im US-Bundesstaat Connecticut arbeitet, führt den Gasekonzern nach amerikanischem Stil: Die neue Linde schüttet jedes Quartal eine Dividende an ihre Aktionäre aus und bilanziert in US-Dollar. Zudem läuft seit Mai ein zweiter Aktienrückkauf. Der Konzern will in den nächsten zwei Jahren Anteilsscheine in einem Volumen von bis zu sechs Milliarden Dollar erwerben.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den 13 bei dpa-AFX seit Mitte Februar gelisteten Experten empfehlen neun die Anteilsscheine zum Kauf. Vier Analysten sprechen sich dafür aus, die Papiere zu halten. Bei keinem Experten lautet der Rat, die Aktie zu verkaufen.

Der Gewinn je Aktie (EPS) dürfte im ersten Quartal am unteren Ende der vom Industriegasekonzern avisierten Zielspanne landen, schrieb Analyst Rikin Patel von der Privatbank Berenberg jüngst in einer Studie. Er rechnet mit einer deutlichen Verlangsamung des Handelsvolumens im zweiten Quartal, das Linde durch bessere Geschäfte im Gesundheitswesen und Kosteneinsparungen ausgleichen könne.

Im Fokus steht bei der Zahlenvorlage nach Ansicht von Patel vor allem die Entwicklung in Europa und der Region Amerika. Zudem erwartet er Aussagen vom Linde-Management zum Kosteneinsparprogramm und wie es den weiteren makroökonomischen Gegenwind abmildern will. Aber auch das Gesundheitsgeschäft steht Patel zufolge im Zentrum des Interesses.

Analyst Jeffrey Zekauskas von der US-Bank JPMorgan rechnet wegen der Corona-Pandemie mit deutlichen Rückgängen beim operativen Ergebnis im ersten Quartal in Europa und in der Region Asien-Pazifik. Von Zuwächsen geht er hingegen im Auftaktquartal in Amerika und im Anlagenbau aus. Das zweite Quartal wird seiner Ansicht nach deutlich stärker von den Auswirkungen der Lungenkrankheit betroffen sein.

SO LIEF DIE AKTIE ZULETZT:

Im Zuge des vierwöchigen Corona-Crashs bis Mitte März musste auch die Linde-Aktie kräftig Federn lassen. Von ihrem kurz zuvor erreichten Rekordhoch bei 208,60 Euro knickte sie um 38 Prozent bis auf 130,45 Euro ein. Mit diesem Rückschlag auf das tiefste Niveau seit Herbst 2018 wurde ein Großteil der seit dem Frühjahr desselben Jahres laufenden Kursrally in dem Papier in kürzester Zeit wieder zunichte gemacht.

Doch der harte Einschlag in den Depots der Linde-Anleger ist inzwischen bereits wieder Geschichte. Dank schrittweiser Normalisierung im Pandemie-Shutdown und steigendem Optimismus für eine schnelle Wirtschaftserholung haben die Linde Papiere mit aktuell fast 170 Euro rund die Hälfte der Crashverluste aufgeholt./mne/tav/fba