NÜRNBERG (dpa-AFX) - Für den ohnehin angeschlagenen Kabel- und Bordnetzspezialisten Leoni kommt es gerade knüppeldick. Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie treffen die Franken hart, umfangreiche Staatshilfen sollen nun das Aufrechterhalten der Geschäftstätigkeit sichern. Bereits vor Beginn der Krise hatte Leoni Sorgen und neben der schwachen Autokonjunktur auch unter hausgemachten Problemen gelitten. Was momentan beim Zulieferer los ist, wie Analysten die weiteren Perspektiven einschätzen und wie sich die Aktie entwickelt hat.

DAS IST LOS BEI LEONI:

Konzernchef Aldo Kamper steht vor einer Mammutaufgabe. Er muss das taumelnde SDax-Unternehmen durch eine Phase steuern, in der die Zukunft völlig ungewiss erscheint. Leoni steckte im vergangenen Jahr tief in den roten Zahlen und befindet sich mitten in einem kostspieligen Umbau. Die von Kamper schon vor der Virus-Krise eingeleiteten umfangreichen Sparmaßnahmen sollten Leoni perspektivisch eigentlich wieder auf Kurs bringen. Durch den angedachten Verkauf der Kabelsparte wollten die Franken sich künftig zudem auf die größere, zuletzt aber klar defizitäre Bordnetzsparte konzentrieren.

Doch dieses Vorhaben ist in Anbetracht der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Unsicherheiten an den Finanzmärkten erst einmal auf Eis gelegt worden. Erst kürzlich hatte Leoni ein Sanierungsgutachten vorgelegt, demzufolge der Konzern laut Unternehmensangaben ohne die Covid-19-Folgen eine Perspektive gehabt hätte. Insofern erhofft sich das Leoni-Management nun, dass der Antrag auf Liquiditätsspritzen bei der Bundesregierung und beim Freistaat Bayern positiv beschieden wird. Der Konzern braucht Hunderte Millionen Euro Hilfe.

Die seit geraumer Zeit anhaltende Schwäche der globalen Automärkte hatte Leoni im vergangenen Jahr enorm zu schaffen gemacht, hinzu kamen Probleme mit Großprojekten und beim Produktionsanlauf in einem Werk in Mexiko. 2019 verbrannte Leoni mit einem Mittelabfluss von 308 Millionen Euro noch mehr Geld als im Jahr davor.

Die Corona-Krise erwischt den Konzern zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt und bremst die Sanierungspläne. Leoni erwartet deutlich negative Abweichungen von seinen ursprünglichen Zielen für das laufende Geschäftsjahr. Die konkrete Höhe der Belastungen sei derzeit aber noch nicht absehbar, hieß es kürzlich. Vorübergehende Werksschließungen in Europa, Nordafrika und Amerika sowie die Einführung von Kurzarbeit sollen die finanziellen Folgen des Produktionsstopps der Autohersteller abfedern, Sach- und Personalkosten erheblich sinken.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Das Urteil der Marktexperten fällt eindeutig aus. Gleich sieben der insgesamt zehn im dpa-AFX-Analyser erfassten Analysten raten zum Verkauf der Leoni-Papiere, dreimal lautet die Empfehlung, die Aktie zu halten. Eine Kaufempfehlung spricht in Anbetracht der sich zuspitzenden Lage niemand von ihnen aus.

Mit einem Kursziel von nur noch 4,00 Euro hat das Analysehaus Warburg Research einen der niedrigsten Werte auf dem Zettel und liegt damit noch deutlich unter dem derzeitigen Kursniveau. Die aktuelle Corona-Krise habe die ohnehin bereits schwierige Lage beim Autozulieferer weiter verschlechtert, befand Analyst Marc-Rene Tonn. Noch pessimistischer ist Analyst Alexander Wahl vom Investmenthaus Mainfirst. Er strich sein Kursziel nun auf 1,20 Euro zusammen. Leoni brauche dringend eine Geldspritze, befürchtet er.

JPMorgan-Experte Jose Asumendi kürzte derweil binnen kurzer Zeit schon zum zweiten Mal seine Gewinnschätzungen für den europäischen Autosektor und rechnet mittlerweile mit einem Rückgang der globalen Autoproduktion von 19 Prozent im Jahresvergleich. Hauck & Aufhäuser-Analyst Christian Glowa erachtet eine Kapitalspritze für Leoni als dringend erforderlich und attestiert dem Autozulieferer überdies strukturelle Probleme.

Während Michael Punzet von der DZ Bank davon ausgeht, dass die Covid-19-Pandemie Leoni wahrscheinlich nicht nur in diesem Jahr erheblich belasten dürfte, geht es für Leoni aus Sicht von Christoph Laskawi von der Deutschen Bank derzeit nur noch um Liquidität.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die seit geraumer Zeit anhaltende Talfahrt am Kapitalmarkt ist für Leoni-Aktionäre ein Desaster. 2019 war das Papier im Zuge der Auto-Branchenkrise sowie der eigenen Probleme mit einem Minus von rund 66 Prozent der größte Verlierer im Nebenwerteindex SDax. Und: die Talfahrt ging weiter. Aktuell ist die Aktie nur noch rund 6 Euro wert.

Anfang des Jahres 2018 kosteten die Papiere phasenweise noch mehr als 66 Euro, bevor der seither ungebremste Abwärtstrend einsetzte. Die Bilanz: ein Minus von rund 90 Prozent.

Insgesamt ist Leoni an der Börse aktuell nur noch weniger als 200 Millionen Euro wert./eas/men/mis