Amsterdam (awp) - Grosser Knall beim Online-Reiseanbieter LM Group ("Lastminute"). Die Gruppe tauscht praktisch die gesamte Führungsriege aus. Das ist die Folge der seit Monaten laufenden Untersuchungen wegen möglicher Missbräuche beim Bezug von Corona-Kurzarbeitsentschädigungen.

Luca Concone soll neuer CEO werden, Yann Rousset Verwaltungsratspräsident. Ebenfalls neu in den Verwaltungsrat sollen Valentin Pitarque, Paolo Quaini, Maria Teresa Rangheri und Cyril Ranque einziehen, wie es in der Meldung vom Donnerstag heisst. An einer für den 21. Dezember einberufenen ausserordentlichen Generalversammlung werden die Aktionäre über die neuen Personalien abstimmen.

Urgesteine geben Rücktritt

Der neue CEO Concone wird damit die Nachfolge von Laura Amoretti antreten, welche den Posten infolge des Betrugsverdachts ad interim übernommen hatte. Er verfügt laut den Angaben über mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung als Unternehmer und Berater für Firmen der Technologie- und Internetbranche.

Gleichzeitig treten zwei Firmenurgesteine zurück. Firmengründer und Ex-CEO Fabio Cannavale sowie Andrea Bertoli (ehemalgier COO) treten nach Wochen in der Untersuchungshaft per sofort als exekutive Verwaltungsräte zurück. Der Verwaltungsrat nehme die Rücktritte zur Kenntnis und akzeptiere diese. Den Angaben zufolge wurden Cannavale und Bertoli inzwischen aus der Untersuchungshaft entlassen.

Cannavale als Grossaktionär

Einfach weg vom Fenster ist Firmengründer Cannavale aber nicht. Über den Hauptaktionär Freesailors bleibt er stark an der LM Group beteiligt. Gemäss einer Beteiligungsmeldung vom 8. Juli 2022 besitzt Freesailors 52,94 Prozent der Gruppe. Und Angaben von Ende Juni zufolge werden 72,4 Prozent von Freesailors direkt oder indirekt von Cannavale kontrolliert (10,9% von Lastminute, 4,8% von Sealine 2, 5,4% von den Sterling Active Fund, 5,4% von andere Investoren).

Angesichts der jüngsten Ereignisse hat Freesailors nun Aktienrückkäufe verschoben. Die verschiedenen Investoren der Holdinggesellschaft hätten sich darauf geeinigt, die Absegnung des Rückkaufs von Minderheitsanteilen zur Unterstützung des Management-Incentiveplans bis Mitte nächsten Jahres zu verschieben. Dies verschaffe dem Unternehmen Flexibilität bei der Verwendung seiner finanziellen Ressourcen, heisst es.

Rückstellung von 34 Mio Euro

Nach dem Start der Ermittlungen der Tessiner Staatsanwaltschaft im Juli 2021 habe der Verwaltungsrat zudem zwei Untersuchungen eingeleitet, eine interne und eine durch eine Prüfungsgesellschaft. Basierend auf den vorläufigen Ergebnisse der Untersuchungen sei nun eine Rückstellung von 34 Millionen Euro für eine mögliche Rückerstattung des gesamten Betrags erhaltener Kurzarbeitsentschädigungen und damit verbundener Rechtskosten gebildet worden.

Die Gruppe spricht von einer "konservativen" Rückstellung. Der Betrag dürfte die maximale finanzielle Verpflichtung aus den laufenden Verfahren in der Covid-Sache darstellen, heisst es.

Platz für den Neuanfang

Noch VR-Präsident Laurent Foata sieht in dem personellen Tabula Rasa den richtigen Schritt. Der Neustart mit einer neuen Führung sei "im besten Interesse des Unternehmens und seiner Stakeholder", wird er im Communiqué zitiert.

Foata hat zusammen mit Paola Garzoni, Roberto Italia und Javier Perez-Tenessa denn auch den Rücktritt aus dem Verwaltungsrat bekanntgegeben. Sollten die Aktionäre allerdings ihr Verbleiben vorziehen, würden sie eine solche Wahl annehmen. Bei einem angenommenen Rücktritt würden sie der Gruppe weiter als externe Berater zur Verfügung stehen, heisst es.

Interims-CEO Laura Amoretti soll derweil bis zur ausserordentlichen Generalversammlung weiter die Geschicke der Gruppe leiten. Danach werde sie Chief Operating Officer ad interim und in dieser Funktion weiterhin die Hauptverantwortung für die Führung der Geschäfte in allen Regionen tragen.

An der Börse kommen die News nicht gut an. Die Aktie eröffnete am Donnerstag gut 2 Prozent im Minus. Seit Anfang Jahr summieren sich die Verluste auf gegen 45 Prozent.

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