Chiasso (awp) - Der Schweizer Online-Reiseanbieter LM Group ("Lastminute") ist seit Monaten wegen mutmasslicher Betrügereien mit Corona-Geldern in den Schlagzeilen. Fast die gesamte Führungsriege wird jetzt ausgetauscht.

Seit Juli 2022 steht die Firma mit Firmenzentrale im Tessin unter Verdacht, in der Schweiz beim Bezug von Kurzarbeitsentschädigungen betrogen zu haben. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin startete eine Untersuchung. Mehrere Top-Manager kamen in Untersuchungshaft.

Besonders brisant: Einer von ihnen war Firmengründer, Hauptaktionär und Ex-Chef Fabio Cannavale. Seit kurzem ist er zwar wieder auf freiem Fuss, doch die LM Group vermeldete am (heutigen) Donnerstag seinen sofortigen Rücktritt als exekutiver Verwaltungsrat.

Der lange Schatten des Ex-Chefs

Dennoch wirft der Firmengründer noch immer einen langen Schatten auf den Internet-Reiseanbieter. Weiter offen bleibt, ob er und andere ehemalige Führungsmitglieder verurteilt werden. "Die Untersuchungen befinden sich noch immer in einer frühen Phase", so Finanzchef Sergio Signoretti vor den Medien.

Zudem ist Cannavale noch immer wichtigster Aktionär der Gesellschaft. Früheren Angaben zufolge kontrolliert der Ex-CEO gut 72 Prozent des Hauptaktionärs Freesailors, der wiederum 52 Prozent an der Gruppe hält. Daran dürfte sich so schnell auch nichts ändern.

"Freesailors bleibt unser Hauptaktionär und Cannavale dürfte weiter seine Anteile an Freesailors halten", sagte VR-Mitglied Javier Pérez Tenesa vor den Medien. Gleichzeitig betonte Tenesa, dass die Unternehmensleitung vollkommen unabhängig von allen Aktionären operiere.

Komplett neue Führungsriege

Und diese Unternehmensleitung soll schon bald ganz anders daherkommen. An einer für den 21. Dezember einberufenen ausserordentlichen Generalversammlung stehen den Aktionären Yann Rousset als neuer Verwaltungsratspräsident sowie Luca Concone als designierter neuer CEO und vier weitere neue Kandidaten zur Wahl in den Verwaltungsrat.

Das personelle Tabula Rasa überschattete am (heutigen) Donnerstag denn auch, dass es beim Online-Reiseanbieter im laufenden Jahr aufwärts geht. In der Corona-Krise war das Geschäft wie in der gesamten Reisebrachen auch bei Lastminute regelrecht zusammengebrochen.

Im dritten Quartal, also von Juli bis September, lag nun aber der Umsatz mit 82,0 Millionen Euro fast 50 Prozent über dem Vorjahreszeitraum und zum Vor-Corona-Jahr 2019 fehlte damit nicht mehr allzu viel.

Im Sommer erlebte das Geschäft zwar angesichts von Rezession und Ukraine-Krieg ein Verlangsamung. Das Management ist aber zuversichtlich, dass es weiter aufwärtsgeht. Und ab 2024 soll endgültig wieder das Vor-Krise-Niveau erreicht werde, zumindest im wichtigsten Markt Europa, wie Finanzchef Signoretti vor den Medien erklärt.

Verlust wegen Rückstellung

Und dennoch: Unter dem Strich machte Lastminute in den ersten neun Monaten 2022 einen Verlust von fast 9 Millionen Euro. Auch das hat mit den laufenden Rechtsfall zu tun. Die Gruppe hat deswegen nämliche eine Rückstellung von 34 Millionen Euro gebildet, welche das Ergebnis ins Minus drückte.

Die Gruppe spricht von einer "konservativen" Rückstellung. Der Betrag dürfte die maximale finanzielle Verpflichtung aus den laufenden Verfahren in der Covid-Sache darstellen, teilte sie mit.

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