- von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz

Aufsichtsratschefin Martina Merz solle vorübergehend den Posten von Kerkhoff übernehmen, bis dessen Nachfolge geregelt sei, teilte Thyssenkrupp in der Nacht zum Mittwoch mit. Großaktionär Cevian begrüßte die Ankündigung und forderte Tempo beim Umbau der Ruhrkonzern mit seinen rund 160.000 Beschäftigten. "Wir erwarten, dass die neue Führung den von Thyssenkrupp so dringend benötigten Transformationsprozess beschleunigen und die Qualität der Umsetzung maßgeblich verbessern wird", sagte Cevian-Gründungspartner Lars Förberg. Cevian und der Finanzinvestor Elliott sprechen sich schon länger dafür aus, den über 200 Jahre alten Traditionskonzern effizienter aufzustellen.

Die gerade aus dem Dax in die zweite Börsenliga abgestiegene Thyssen-Aktie verlor am Mittwoch zeitweise mehr als zwei Prozent an Wert. Einige Analysten drückten die Sorge aus, dass es in der Übergangszeit von Merz zu einer Lähmung kommen könnte. Es bestehe das Risiko, dass der geplante Verkauf der lukrativen Aufzugssparte sich verzögere, erklärten die Experten von Credit Suisse. Der Konzern will damit die klammen Kassen füllen. An der Sparte, deren Wert auf zwölf bis 17 Milliarden Euro beziffert wird, haben eine Reihe von Finanzinvestoren und Strategen Interesse angemeldet, darunter der finnische Konkurrent Kone.

EIN BERG AN PROBLEMEN

Kerkhoff, bis dato Finanzchef, hatte im Juli 2018 die Nachfolge des damals überraschend zurückgetretenen Heinrich Hiesinger angetreten. Von Beginn an stand Kerkhoff in der Kritik einiger Investoren, die im ihm keinen Reformer, sondern eher einen Bremsklotz und Vertreter der alten Garde sahen. In den Folgemonaten nahm der Druck stetig zu wegen einer Reihe von Strategiewechseln und Gewinnwarnungen. So machte Kerkhoff die angekündigte große Konzernaufspaltung rückgängig, denn die geplante Fusion der Stahlgeschäfte mit Tata Steel war am Widerstand der Brüsseler Wettbewerbshüter gescheitert. Geschäfte wie der Anlagenbau oder Automotive schwächeln ebenso wie die Stahlsparte, Verluste und Schulden steigen. Der Aktienkurs hat in Kerkhoffs Amtszeit fast die Hälfte an Wert verloren.

Nun zog der Personalausschuss des Aufsichtsrates die Reißleine: Die ehemalige Bosch-Managerin Merz, die erst seit Februar das Kontrollgremium leitet, soll für maximal ein Jahr an die Vorstandsspitze rücken. In der Zwischenzeit soll der ehemalige Siemens-Manager Siegfried Russwurm die Funktion des Aufsichtsratschefs übernehmen. Russwurm war vor gut einem Jahr schon einmal als Nachfolger Hiesingers gehandelt worden. Der gesamte Aufsichtsrat muss dem Stühlerücken noch zustimmen, was in Kürze der Fall sein soll.

Der größte Einzelaktionär von Thyssenkrupp, die Krupp-Stiftung, sagte Merz bereits Unterstützung zu. "Martina Merz hat das volle Vertrauen der Stiftung." Auch die Arbeitnehmervertreter forderten von ihr - wie Cevian - eine schnellere Umsetzung der beschlossenen Strategie. "An der Strategie ändert sich durch den Wechsel gar nichts", sagte Konzernbetriebsratschef Dirk Sievers - und versprach eine konstruktive Zusammenarbeit.

Auch der neue Aufsichtsratschef Russwurm genießt bei den Arbeitnehmervertretern einen guten Ruf. Die Gewerkschafter und Betriebsräte stellen die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats. Sie spielen damit neben den Großaktionären Krupp-Stiftung und Cevian eine Schlüsselrolle bei den Entscheidungen im Konzern. Neu einziehen soll in den Vorstand Klaus Keysberg mit Ressortverantwortung für die Business Areas Materials Services und Steel Europe.