(Im vierten Absatz, letzter Satz, wurde ein Schreibfehler behoben: Grünen-Chef rpt Chef.)

BERLIN (dpa-AFX) - Die Ampel-Koalition will in den nächsten Tagen eine Entscheidung über neue Entlastungen für die von hohen Energiepreisen betroffenen Bürger treffen. Für die Reform der Gasumlage, die Privatleute und Unternehmen zur Unterstützung angeschlagener Gasimporteure zahlen sollen, nannte das Wirtschaftsministerium am Montag dagegen noch keinen Zeitplan. Angesichts der beiden Herausforderungen wirkt die Stimmung in der Koalition von SPD, Grünen und FDP zunehmend gereizt.

Nach Ansicht von Grünen-Chefin Ricarda Lang sollte die Koalition noch in der laufenden Woche das geplante dritte Entlastungspaket auf den Weg bringen. Das sagte Lang am Rande eines Treffens des Grünen-Bundesvorstands bei Hannover. Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hatte eine zügige Entscheidung "in wenigen Tagen" angekündigt. Die Befürchtung ist groß, dass es ohne Entlastungen bei einem Energiemangel im Winter zu gesellschaftlichen Verwerfungen kommen könnte. Deutschlands Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben wegen der hohen Inflation derzeit trotz Lohnsteigerungen weniger Geld in der Tasche. Nach Berechnung des Statistischen Bundesamts ergab sich im zweiten Quartal ein Reallohnverlust von 4,4 Prozent.

Vorschläge, was das Hilfspaket enthalten sollte, kamen von Sozialdemokraten wie Grünen: Ein Beschlussentwurf der SPD-Fraktion vor einer Fraktionsklausur sieht Direktzahlungen für Menschen mit wenig oder mittlerem Einkommen, Familien, Rentner, Studierende und Auszubildende vor. Außerdem soll es eine Preisbremse für den Grundbedarf an Energie und ein bundesweites 49-Euro-Ticket geben. Mieter sollen vor Kündigung, Strom- und Gassperren geschützt werden, wenn sie die Nebenkosten nicht zahlen können.

Die Grünen hatten zuvor ebenfalls ein bundesweites 49-Euro-Ticket vorgeschlagen. Lang machte sich auch für Direktzahlungen für Familien, Rentner und Studierende stark. Zur Finanzierung schlagen beide Koalitionspartner eine Sondersteuer auf hohe Gewinne von Energiekonzernen vor. "Und aus diesen Geldern können wir ganz konkret die Menschen entlasten, die es brauchen", sagte Lang. "Das ist dann der gelebte Winter der Solidarität." Grünen-Chef Omid Nouripour betonte, zudem müsse die Schuldenbremse, die der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen setzt, ausgesetzt bleiben.

Unterschiedliche Verbände formulierten ebenfalls Forderungen: Der Deutsche Mieterbund unterstützt die Idee eines Kündigungsmoratoriums. Der Sozialverband VdK verlangte Hilfen für Rentner mit wenig Geld, die deutsche Elektroindustrie Steuersenkungen am Strommarkt. Unter anderem müsse die Mehrwertsteuer auf Strom auf sieben Prozent runter - ähnlich, wie das für Gas gelten soll. Wichtig sei zudem, den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln. Zuletzt war durch die hohen Gaspreise automatisch auch der Strompreis stark gestiegen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plant bereits eine Reform.

Ebenfalls in seiner Hand liegt die angekündigte Änderung der Gasumlage - wo es dem Anschein nach nicht nennenswert vorangeht. "Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Details zum Zeitplan gebe es aber nicht. Habeck hatte nach heftiger Kritik eine Korrektur der geplanten Umlage zugesagt. Damit soll verhindert werden, dass von der Abgabe der Privathaushalte und Industrie auch Unternehmen profitieren, die dies wirtschaftlich nicht benötigen.

"Deswegen muss man jetzt hart an dem Problem arbeiten. Und das tun wir auch", sagte der Grünen-Politiker am Sonntagabend im ZDF-"heute journal". "Wir werden dieses Problem lösen." Die FDP forderte ein Ergebnis bis zur Regierungsklausur an diesem Dienstag. Auch SPD-Parteichef Lars Klingbeil dringt weiter auf Korrekturen.

Dabei wird der Ton in der Koalition zunehmend scharf. Nachdem Klingbeil und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai Habeck handwerkliche Fehler geworfen hatten, kritisierte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz auf Twitter offen den Regierungsstil von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). "Die schlechte Performance des Bundeskanzlers, seine miesen Umfragewerte, Erinnerungslücken bei #Warburg und seine Verantwortung bei #Northstream2 werden durch unloyales Verhalten und Missgunst in der Koa nicht geheilt werden", schrieb von Notz.

Nouripour schrieb die Verantwortung für die gereizten Äußerungen seines Parteifreunds der SPD zu. "Es ist uns allen bekannt, dass schlechte Gewohnheiten haften. Die SPD hatte zwölf Jahre Groko und hat einen anderen Umgangston gepflegt innerhalb der Koalition", sagte er mit Blick auf die langjährige Koalition von SPD und Union. Dies räche sich nun. Am Montagmorgen habe Klingbeil nun "ganz andere Töne" angeschlagen, weshalb man sehr entspannt sei.

Habeck geht außerdem davon aus, dass die Gaspreise bald wieder sinken. Die Gasspeicher seien recht gut gefüllt, man sei besser vorangekommen als das Gesetz vorschreibe, sagte er in Hamburg. Bereits Anfang September werde der eigentlich erst für Anfang Oktober vorgeschriebene Wert von 85 Prozent erreicht. Das führe dazu, "dass wir nicht mehr für jeden Preis einkaufen werden. Dadurch werden sich die Märkte beruhigen und runtergehen", sagte Habeck. An der umstrittenen Gasumlage wolle er dennoch festhalten, "weil wir als Gesellschaft den Preis tragen müssen, dass wir uns zu lange in die russische billige Gasabhängigkeit begeben haben"./tam/DP/nas