Von Dan Gallagher

NEW YORK (Dow Jones)--Die Chip-Unternehmen stehen vor der nächsten Runde der Quartalszahlen vor einer schwierigen Aufgabe. Überzeugende Zahlen könnten die Befürchtungen der Investoren, dass die Spitze kurz bevorsteht, nur noch verstärken. Die Chip-Verkaufszahlen sind in die Höhe geschnellt. Der Verband der Halbleiterindustrie (SIA) berichtete vergangene Woche, dass der weltweite Umsatz der Branche im Mai einen monatlichen Rekord von 43,6 Milliarden US-Dollar erreicht hat. Das ist ein Plus von 26 Prozent gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres.

Und es ist der zweite Monat in Folge mit einem Wachstum von mehr als 20 Prozent - während einer weltweiten Knappheit, die wahrscheinlich einige Verkäufe in spätere Zeiträume verschoben hat. Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) erklärte zuletzt, dass der Umsatz im Quartal, das am 30. Juni endete, im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent emporgeschnellt ist, was einer Beschleunigung gegenüber den vergangenen beiden Quartalen entspricht. TSMC stellt mehr als 90 Prozent der modernsten Chips der Welt her.


   Halbleiter sind immer schon zyklisches Geschäftsfeld 

Chip-Aktien haben jedoch eine Verschnaufpause eingelegt. Der PHLX-Semiconductor-Index (SOX) ist in diesem Jahr weit hinter dem breiteren Markt zurückgeblieben und war bis zum Börsenschluss zuletzt die einzige große Untergruppe im Technologiesektor, die in den vergangenen drei Monaten einen Rückgang verzeichnet hat. Und das, nachdem sie den S&P 500 in den vergangenen beiden Jahren jeweils um mehr als 30 Prozentpunkte übertroffen hat. Warum die Diskrepanz? Die Halbleiterindustrie ist seit langem ein zyklisches Geschäft. Laut SIA-Daten sind die jährlichen Chipverkäufe in drei der vergangenen zehn Jahre gesunken. Investoren haben sich daher angewöhnt, genau auf Anzeichen von zyklischen Spitzenwerten zu achten, damit sie rechtzeitig aussteigen können. Der SOX-Index fiel in den Jahren 2015 und 2018 vor den vergangenen beiden Umsatzeinbrüchen der Branche.

Nach einigen Maßstäben scheint der Verkaufsimpuls dieses Mal zu früh zu kommen. Während des vergangenen großen Aufschwungs in den Jahren 2017/18 stiegen die monatlichen Chipverkäufe 15 Monate in Folge um mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und da die Knappheit immer noch das Angebot begrenzt, während die Nachfrage lebhaft bleibt, wird erwartet, dass die Verkäufe für den Rest dieses Jahres und bis weit ins nächste hinein stark bleiben. Die SIA geht davon aus, dass der weltweite Gesamtumsatz mit Halbleitern in diesem Jahr um fast 20 Prozent steigt und damit zum ersten Mal die 500-Milliarden-Dollar-Marke überschreitet - mit einem weiteren Zuwachs von 9 Prozent im Jahr 2022.


   Vorlaufzeiten erreichten zuletzt Höhepunkt 

Aber die Knappheit verändert dieses Mal einige Dynamiken. Die Vorlaufzeiten - ein Hinweis auf die Zeitspanne zwischen der Bestellung eines Chip-Kunden und der Lieferung - erreichten im Juni durchschnittlich 19,3 Wochen, was fünf Wochen länger ist als auf dem Höhepunkt des vergangenen Zyklus Mitte 2018, so Christopher Rolland von Susquehanna. Lange Vorlaufzeiten können Chip-Einkäufer dazu veranlassen, Lagerbestände aufzubauen und sogar doppelt zu bestellen, was spätere Umsatzrückgänge noch verschärfen kann. Rolland sieht Vorlaufzeiten von mehr als 16 Wochen als "Gefahrenzone" für Chiphersteller an.

Chiphersteller könnten auch Druck auf ihre Gewinne erleben, da die Kosten, um wettbewerbsfähig zu bleiben, weiter zulegen. Micron warnte Investoren Anfang des Monats vor einem Anstieg der "Kapitalintensität", da das Unternehmen teure sogenannte Produktionswerkzeuge mit extrem ultravioletter Strahlung (EUV) in seine Fertigung einführt. Und TSMC meldete für das Juni-Quartal einen Rückgang der Bruttomargen um 2 Prozentpunkte und begründete dies zum Teil mit den Kosten für seine neuesten Fertigungsprozesse. Außerdem berichtete das Wall Street Journal zuletzt, dass Intel einen Deal zum Kauf des Chipherstellers Globalfoundries für rund 30 Milliarden Dollar prüft.


   Höhepunkt für Chip-Werte noch nicht so recht in Sicht 

Tim Arcuri von der UBS meint, dass Lieferengpässe die Umsatzprognosen der Chiphersteller belasten könnten, gerade wenn sich die Gewinndynamik verlangsame. Das wäre typischerweise ein schlechter Zeitpunkt für Chip-Aktien, obwohl er in einem Bericht vergangene Woche auch anmerkte, dass sie "typischerweise nicht so früh im Zyklus ihren Höhepunkt erreichen, wenn die Vorlaufzeiten noch nicht einmal begonnen haben, zu sinken". Dieser Chip-Höhepunkt scheint sich immer noch eher schemenhaft am Horizont abzuzeichnen.

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July 16, 2021 10:39 ET (14:39 GMT)