Villach (Reuters) - Der Halbleiterhersteller Infineon rechnet mit deutlichen Preissteigerungen bei Halbleitern.

Infineon-Chef Reinhard Ploss sagte am Freitag bei der Eröffnung eines neuen Werks im österreichischen Villach, sein Unternehmen habe derzeit mit gestiegenen Kosten bei Zulieferern und einem erhöhten Investitionsbedarf zu tun, die an die Kunden weitergegeben werden müssten. "Wir gehen in Summe von erheblich steigenden Preisen aus", sagte er. Derzeit sei die Industrie bereit, "fast schon Mondpreise" zu zahlen. "Aber: Man trifft sich immer zweimal im Leben", fügte er hinzu.

In der Fabrik im österreichischen Bundesland Kärnten will das Unternehmen dank der boomenden Nachfrage höhere Erlöse einfahren als bisher geplant. Bei Vollauslastung der Fabrik in drei bis vier Jahren sei mit einem zusätzlichen Umsatzvolumen von rund zwei Milliarden Euro pro Jahr zu rechnen, erklärte Infineon. Bisher wurde ein Umsatzpotenzial von jährlich 1,8 Milliarden Euro angekündigt.

"Der Zeitpunkt, neue Kapazitäten in Europa zu schaffen, könnte angesichts der weltweit wachsenden Nachfrage nach Leistungshalbleitern nicht besser sein", sagte Ploss. Er geht davon aus, dass der Bedarf angesichts der beschleunigten Digitalisierung in den kommenden Jahren weiter zunehmen werde.

Die Knappheit bei Halbleiterbauteilen macht vor allem der Autobranche derzeit massiv zu schaffen. Mit Entspannung wird erst im kommenden Jahr gerechnet. Produktionsvorstand Jochen Hanebeck verwies darauf, dass sich die Lage in den Fabriken in Malaysia entspanne, die zuletzt unter Corona-Ausbrüchen gelitten hatten. Inzwischen seien weit über 90 Prozent der Mitarbeiter in Malakka geimpft. Zu schaffen macht Infineon allerdings derzeit ein Stromausfall in Dresden. Dort war die Stromversorgung am Montag für 20 Minuten unterbrochen. In den kommenden beiden Wochen solle untersucht werden, welche Schäden die Unterbrechung verursacht habe, sagte Ploss. Die Auswirkungen seien aber nicht so schlimm wie im US-Werk Austin, wo die Produktion nach einem schweren Wintersturm und langanhaltenden Stromausfällen lahmgelegt wurde.

NEUES WERK LÖST CHIP-ENGPASS IN AUTOMOBILBRANCHE NICHT

In Villach wurde neben der bestehenden Fertigung auf 60.000 Quadratmetern ein neues vollautomatisiertes Werk für die Produktion von sogenannten 300-Millimeter-Dünnwafern hochgezogen. Die Investitionskosten beliefen sich auf 1,6 Milliarden Euro. Nach zwei Jahren Bauzeit sei das Werk nun drei Monate früher als geplant betriebsbereit. Die ersten Wafer sollen noch diese Woche die Fabrik verlassen. Die Halbleiter kommen dann in Elektroautos, Rechenzentren sowie bei der Solar- und Windenergie zum Einsatz. Allein die für Industrie-Halbleiter eingeplante Kapazität reiche zur Ausstattung von Solaranlagen aus, die in Summe mehr als 1500 Terawattstunden elektrische Energie pro Jahr produzieren könnten - das entspricht in etwa dem dreifachen des jährlichen Stromverbrauchs in Deutschland.

Bei Infineon zeigt man sich erfreut über die Fertigstellung. "Als Mitte 2018 die Entscheidung für den Bau getroffen wurde, wurden wir noch belächelt und jetzt wollen alle bauen", sagte Infineon-Österreich-Chefin Sabine Herlitschka. Grund dafür sei die riesige Nachfrage, doch solch ein High-Tech-Werk lässt sich nicht von einem Tag auf den anderen errichten. Den aktuellen Chipmangel in der Autoindustrie löst das neue Werk allerdings laut der Managerin nicht: Schließlich werden in Villach Leistungshalbleiter gefertigt und nicht die in der Autobranche händeringend benötigten Mikroprozessoren.