NEUBIBERG (dpa-AFX) - Trotz der hohen Nachfrage nach Elektronikchips trübt sich auch für den Halbleiterkonzern Infineon das Bild ein. Sowohl das Management als auch die Analysten erwarten für das zweite Geschäftsquartal (Ende März) schwächeres Wachstum. Rückenwind dürfte es derweil vom schwachen Euro geben, der Infineon in die Karten spielt. Wie es weiter geht, hängt nach wie vor davon ab, wie lang die hohe Nachfrage nach Chips anhält - und ob Infineon sie bedienen kann. Was bei dem Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI INFINEON:

Im April ist bei Infineon eine kleine Ära zu Ende gegangen. Reinhard Ploss, Vorstandschef seit beinahe zehn Jahren, hat wie geplant seinen Hut genommen. Sein Nachfolger, der bisherige operative Vorstand Jochen Hanebeck, steht dabei für Kontinuität. Hanebeck ist - wie vor ihm Ploss - ein Eigengewächs und arbeitete schon für Infineon, als das Unternehmen noch zu Siemens gehörte. Ein Mann von der technischen Seite, der die zurückliegenden Weichenstellungen mit verantwortet hat.

Hanebeck will sich vor allem der Profitabilität widmen. Denn Infineon und anderen Chipherstellern werden die Chips zwar sprichwörtlich aus den Händen gerissen. Dem stehen aber auch teure Investitionen in die eigene Kapazität entgegen. Erst Mitte April hatte Infineon bekannt gegeben, die Produktionsfläche seiner Autochipsparte mit einer Übernahme in Indonesien auszuweiten. Und ein weiteres Werk soll für zwei Milliarden Euro in Malaysia entstehen.

Auch wenn Infineon die boomende Nachfrage nicht komplett bedienen konnte, läuft es gut für das Unternehmen. Im ersten Quartal profitierte Infineon von guten Geschäften in der wichtigen Automobil-Sparte. Der Konzernumsatz lag fünf Prozent über dem Vorquartal, auch wegen günstiger Wechselkurse. Ob Infineon diesen Anstieg im zweiten Quartal wiederholen konnte, scheint fraglich.

Das Unternehmen selbst hat für das zweite Jahresviertel einen Umsatz von 3,2 Milliarden Euro auf dem Zettel, was einer Steigerung von gut einem Prozent zum ersten Quartal entspräche. Bei Chipherstellern wird wegen der stark schwankenden Nachfrage meist die Entwicklung zum Vorquartal und nicht zum Vorjahreswert beachtet. Die Marge für das Segmentergebnis, der Messgröße für das operative Ergebnis des Konzerns, soll etwa 22 Prozent betragen und damit etwas weniger als im Quartal zuvor.

Allerdings fußt Infineons Prognose auf einem Wechselkurs von 1,15 US-Dollar je Euro. Dass der Euro zuletzt deutlich schwächer notierte, dürfte dem Konzern wie bereits im ersten Quartal zugutekommen. Der Konzern erzielt rund zwei Drittel seiner Erlöse in Dollar, seit er den US-Konzern Cypress übernommen hat.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Auch von Infineon befragte Analysten haben für das zweite Quartal eine kleine Umsatzsteigerung auf dem Zettel. Sie erwarten im Schnitt Erlöse in Höhe von 3,22 Milliarden Euro und damit zwei Prozent mehr als im Vorquartal. Das Segmentergebnis dürfte ihnen zufolge leicht auf 712 Millionen Euro zurückgehen. Die entsprechende Marge wäre dann 22,1 Prozent nach 22,7 im Quartal zuvor.

Der Halbleiterzyklus sei bereits weit fortgeschritten, gibt Janardan Menon vom Analysehaus Jefferies mit Blick auf die Branche zu Bedenken. Damit spielt er auf die Gefahr einer baldigen Sättigung der Nachfrage an, der Infineon wegen seiner Tätigkeit in Wachstumsmärkten allerdings gelassen entgegensieht. In den anstehen Quartalsberichten dürften die europäischen Halbleiterunternehmen die Erwartungen allerdings übertreffen, schreibt Menon - vor allem beim Umsatz.

Eine Gefahr bestehe für Infineon zudem in dem russischen Angriff auf die Ukraine, schreibt Analyst Stacy Rasgon vom US-Analysehaus Bernstein Research. Die Region sei wichtig als Ursprung für mehrere wichtige Materialien wie etwa Neongas, von dem die Ukraine bislang bis zu 25 Prozent der Weltproduktion abgedeckt habe. Trotzdem räumt Rasgon dem Konzern insgesamt noch Luft nach oben ein.

Auch Andrew Gardiner, Analyst bei der US-Bank Citigroup, blickt optimistisch auf den Quartalsbericht des Chipkonzerns. Die Resultate und Signale der Wettbewerber Texas Instruments, STMicroelectronics, ON Semiconductor und NXP Semiconductor ließen Gutes erahnen, schreibt der Analyst.

Gardiner reiht sich damit in die Mehrheit der Analysten ein, die mit Zuversicht auf Infineon blicken. Zehn der dreizehn von dpa-AFX erfassten Analysten raten zum Kauf der Infineon-Aktie. Ihr durchschnittliches Kursziel liegt mit knapp 43 Euro etwa die Hälfte über dem aktuellen Kurs.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Wie so viele Tech-Werte ließen Infineon-Aktien zu Jahresbeginn kräftig Federn, nachdem Anleger die Chance zur Gewinnmitnahme genutzt hatten. Seit dem Jahreswechsel verbuchte der Kurs ein Minus von rund einem Drittel und gehört damit auch im Dax zu den schlechteren Werten - unter denen sich vor allem die ehemaligen "Pandemie-Gewinner" aus Lieferdienst-, Pharma- und Technologie-Branche tummeln.

Anfang März kostete das Papier zeitweise weniger als 26 Euro und so wenig wie seit November 2020 nicht mehr. In den folgenden Wochen setzte das Papier dann zu einer Erholung an und erreichte Ende März ein Zwischenhoch von über 33 Euro. Allerdings ging dem Kurs schnell wieder die Puste aus, und in den vergangenen Wochen gab er nahezu all seine Gewinne aus dem März wieder ab. Aktuell notiert die Aktie bei um die 27 Euro.

Wer den Blick weiter zurückwirft, sieht allerdings eine Geschichte des Aufstiegs. Als Ploss im Oktober 2012 die Leitung übernommen hatte, wurden Infineon-Aktien teils für unter fünf Euro gehandelt. In den folgenden Jahren ging es stetig aufwärts, ehe der Konzern Ende 2017 bei der Marke von gut 25 Euro ein erstes Plateau erreichte. Von da an ging es für den Kurs zunächst abwärts; anderthalb Jahre lang fehlten die entscheidenden Impulse. Dann kam die Pandemie. Getrieben vom Mangel an Halbleitern kletterte der Kurs von rund zehn Euro im März 2020 auf fast 44 Euro im November 2021.

In der Amtszeit von Ploss hatte sich der Kurs damit in etwa versechsfacht, während sich der Dax, in dem Infineon seit dem spektakulären Börsengang im Jahr 2000 so gut wie immer vertreten war, in etwa verdoppelte. Eine erste Gelegenheit für einen Ausbruch aus dem aktuellen Kurstief bietet sich für Infineon am Montag. Da will der Konzern die Zahlen für das zweite Quartal vorlegen.

Die Aktie der früheren Siemens-Tochter Infineon wurde bereits wenige Monate nach der Erstnotiz in die erste Börsenliga aufgenommen. 2009 war das Papier allerdings für einige Monate nicht im Dax gelistet, da der Kurs wegen der Insolvenz der Speicherchip-Sparte Qimonda bis auf 34 Cent gefallen war. Damals war Infineon selbst auch in schwerem Fahrwasser und die Geschichte des Technologie-Vorzeigeunternehmens schien am Ende.

Infineon gilt auch als ein Symbol der Blase von Technologieaktien in Deutschland. Das Unternehmen wurde im März 2000 von Siemens an die Börse gebracht. Die Nachfrage damals war unter anderem wegen des großen Interesses von Privatanlegern riesig. Am ersten Handelstag verdoppelte sich der Kurs der für 35 Euro je Aktie platzierten Anteile. Bis zum Sommer ging es auf um Kapitalmaßnahmen bereinigte 84 Euro nach oben - kurz danach platzte die sogenannte Dotcom-Blase./jcf/zb/men