Von Jacky Wong

PEKING (Dow Jones)--Das in China gegründete Online-Modeunternehmen Shein hat die Welt schnell mit seinen hippen Designs erobert. Nun muss der Konzern den Anlegern beweisen, dass das schnelle Wachstum auch zu höheren Gewinnen führen kann.

Shein, nach dem Umzug des Firmensitzes nun in Singapur ansässig, hat einen Börsengang in den USA beantragt. Dieser könnte im kommenden Jahr über die Bühne gehen. Bei dem IPO könnte die Gesellschaft eine Bewertung anpeilen, die über den 66 Milliarden US-Dollar der jüngsten Finanzierungsunde im Mai liegt. Damit läge der Marktwert von Shein deutlich über den 27 Milliarden Dollar von H&M, aber unter den 127 Milliarden Dollar der Zara-Mutter Inditex. Ein breites Kleidungsangebot zu günstigen Preisen hat Shein zu einer Sensation gemacht - vor allem bei der jüngeren Generation. Der Umsatz belief sich im vergangenen Jahr auf 23 Milliarden Dollar, womit das Unternehmen seinen schwedischen Rivalen H&M überholte und den Fast-Fashion-Marktführer Zara nahezu einholte. 


   Starkes Wachstum

Das Unternehmen wächst weiterhin rasant: Laut Sensor Tower stieg die Zahl der monatlich aktiven App-Nutzer im dritten Quartal 2023 weltweit um 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Shein hat den Anlegern in Aussicht gestellt, in den ersten drei Quartalen dieses Jahres Bestmarken bei Umsatz und Ergebnis zu erreichen. Ein Erfolgsfaktor ist das Netzwerk von Zulieferern in China. Das hat es dem Unternehmen ermöglicht, Designs je nach Marktnachfrage schnell auf den Weg zu bringen sowie Preise und Lagerbestände niedrig zu halten.

Und Shein hat einen guten Zeitpunkt für den Börsengang gewählt: Fast-Fashion-Aktien sind in Mode. Die Aktien von Inditex erreichten in der vergangenen Woche einen Höchststand, nachdem sie in diesem Jahr um 49 Prozent geklettert waren. H&M-Aktien haben um 55 Prozent zugelegt. Mit 66 Milliarden Dollar wäre Shein mit dem 2,9-fachen des letztjährigen Umsatzes bewertet, ähnlich dem 3,5-fachen von Inditex. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis wäre jedoch wesentlich höher: Das 83-fache gegenüber dem 28-fachen von Inditex. Die Margen waren viel niedriger: Die Nettomarge des Unternehmens lag im vergangenen Jahr bei nur 3,5 Prozent verglichen mit 13 Prozent bei Inditex. 


   Shein bietet auch andere Waren an

Das Unternehmen geht auch über den Bekleidungssektor hinaus und öffnet seine Plattform für Drittanbieter aller Arten von Waren, von Küchengeräten bis hin zu Gadgets. Als Marktplatz zu agieren ist wahrscheinlich ein Geschäft mit höherer Gewinnspanne, allerdings auch eins, bei dem andere Konkurrenten wie Amazon im Geschäft sind. Temu, die globale Plattform des chinesischen E-Commerce-Unternehmens PDD, ist ein besonders starker Wettbewerber - und auch einer, mit dem Shein bereits um die Geldbörsen der US-Käufer kämpft. Die beiden Unternehmen haben vor US-Gerichten gegeneinander geklagt: Zu den Vorwürfen gehören Kartellrechtsverstöße und Markenverletzungen. Beide Gesellschaften haben die Vorwürfe der jeweils anderen Seite zurückgewiesen.

Die Geopolitik ist ein weiteres Risiko für Shein, obwohl sich das Unternehmen von seinen chinesischen Wurzeln distanziert hat - am deutlichsten durch die Verlegung seines Hauptsitzes nach Singapur. Shein ist auch eine Partnerschaft mit Forever 21 eingegangen, unter anderem durch den Kauf einer Beteiligung an dem Betreiber der Marke. Dadurch erhält Shein Zugang zu den Einnahmen der US-Marke selbst sowie zu deren stationären Geschäften in den USA.

Shein geht derzeit viele große Wetten ein. Einige davon wie der Online-Marktplatz könnten die Margen näher an die Konkurrenz heranbringen. Wenn höhere Gewinnspannen erzielt werden und das Unternehmen sein derzeitiges halsbrecherisches Wachstumstempo beibehält, könnte es in seine Spitzenbewertung hineinwachsen.

Aber kluge und finanzstarke Konkurrenten wie PDD und Amazon, ganz zu schweigen von Modekonzernen wie Inditex selbst, werden auch nicht stillstehen. Shein hat die Modewelt bereits verzaubert, aber es muss den Investoren noch viel beweisen.

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November 28, 2023 07:33 ET (12:33 GMT)