Interview mit Gerald Grüll, Head of Retail bei der IMMOFINANZ zur Zukunft des Retail Marktes.

Wie stark ist das Fachmarktgeschäft von der Pandemie Covid 19 betroffen?

Gerald Grüll: Corona hat sich auf die meisten Mieter von Einzelhandelsimmobilien ausgewirkt - allerdings in sehr unterschiedlichem Ausmaß und vor allem mit unterschiedlichen langfristigen Auswirkungen. Als größter Retail-Park-Eigentümer und -Betreiber in Mittel- und Osteuropa sehen wir, dass vor allem Discounter in allen Branchen aufgrund des steigenden Preisbewusstseins der Konsumenten in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit sehr erfolgreich waren. Nach Schließungen sahen wir durchgehend eine schnelle und starke Rückkehr der Besucherzahlen und höhere Durchschnittsumsätze pro Einkauf. Wir haben auch festgestellt, dass der Umsatz im Gesamtportfolio in unseren Fachmarktzentren im Jahr 2020 etwas höher war als im Jahr 2019, wenn man von den Lockdown-Phasen absieht. Dies zeigt uns, dass Fachmarktzentren als Geschäftsmodell auch während der Pandemie hervorragend funktioniert haben und sich unser Fokus auf kosteneffiziente Formate als relativ krisenresistent erwiesen hat.

Haben sich die unterschiedlichen staatlichen Ansätze zu Restriktionen unterschiedlich auf das Geschäft ausgewirkt?

Grüll: Wir haben Fachmarktzentren in neun Ländern in ganz CEE und natürlich wurden wir auf lokaler Ebene mit sehr unterschiedlichen Lösungen und Antworten auf die Pandemie konfrontiert, die einerseits Subventionen, andererseits aber auch Restriktionen beinhalteten. Dies führte zu einer sehr intensiven Zusammenarbeit mit unseren Mietern, um Lösungen zu finden, die für alle Beteiligten von Vorteil sind. Einer unserer Hauptvorteile war unser großes Portfolio mit großen Einzelhandelsketten, die bis zu 70-80 Mal in unseren verschiedenen Fachmarktzentren vertreten sind. Mit diesen Mietern konnten wir Rahmenverträge auf HQ-Ebene für alle beteiligten Standorte und Lockdowns finden. Das hat uns geholfen, den Prozess zu vereinfachen und gute Lösungen für alle beteiligten Parteien zu finden.

In manchen Ländern geht der Trend weg von großen Einkaufszentren hin zu kleineren Formaten, und die Pandemie scheint ihn noch zu verstärken. Ist dies der vorherrschende Trend in der gesamten CEE-Region und können wir sagen, dass die aktuelle Gesundheitskrise diese Veränderungen nur beschleunigt hat?

Grüll: Das allgemeine Umfeld für Einzelhändler hat sich durch die Pandemie verändert. Ein Aspekt ist ein erhöhtes Sicherheitsgefühl in Bezug auf die Gesundheit und damit ein höherer Anspruch an die frische Luft. Wir beobachten eine Nachfrage nach Einkaufsmöglichkeiten die viel Frischluft bieten wie etwa die sogenannten Open-Air-Malls. Immer mehr Einzelhändler wollen ihre Geschäfte in Fachmarktzentren eröffnen - mit gutem Grund. Im letzten Jahr haben wir festgestellt, dass Einkaufszentren und klassischen Shopping Center unter einer geringeren Nachfrage litten, weil die Besucherzahlen sanken und der Umsatz zurückging.

Aber das ist nicht überall der Fall. Wir haben auch festgestellt, dass Einkaufszentren an abgelegenen Standorten in Rumänien im Januar dieses Jahres die gleiche Besucherfrequenz wie im Vorjahr hatten. Das deutet darauf hin, dass ein gewisser Teil der Infrastruktur immer von Einheimischen genutzt werden wird.

Trotz Covid werden Fachmarktzentren immer noch gehandelt. Hat die aktuelle Krise im Einzelhandel die Preise verändert und ist jetzt die Zeit zum Kaufen oder übersteigt die Nachfrage das Angebot?

Grüll: Sicherlich haben Fachmarktzentren mehr Aufmerksamkeit bekommen als vor der Pandemie, da internationale Investoren aus guten Gründen mehr Interesse zeigen. Die Besucherfrequenz in unseren STOP SHOPs hat schnell wieder das Vorkrisenniveau erreicht und unsere Fachmarktzentren bieten niedrige Miet- und Betriebskosten für die Mieter. Zudem ermöglichen die Fachmarktzentren den Besuchern, die Geschäfte direkt von den Parkplätzen aus zu betreten, um Kontaktpunkte zu reduzieren. All dies macht die Fachmarktzentren im Vergleich zu anderen Investitionsmöglichkeiten in diesem Bereich attraktiver.

Generell ist das vergangene Jahr aber kaum ein Indikator für die Zukunft, da durch staatliche Subventionen, präventive Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit und steigende Staatsverschuldung ein künstliches Umfeld für die Branche geschaffen wurde, dass viele wirtschaftliche Themen vorerst abgeschwächt. Unsere STOP SHOP-Fachmarktzentren mit ihrer Fokussierung auf Discounter gelten als begehrtes und krisenresistentes Investment.

Wie interessiert sind Investoren (vor allem aus dem Ausland), sich an diesem Sektor zu beteiligen?

Grüll: Investoren schauen immer auf Renditen, Erträge und andere finanzgetriebene Indikatoren. Derzeit gibt es viel Liquidität auf dem Markt und Investitionsalternativen sind im Bereich der Gewerbeimmobilien rar. Daher ist die Nachfrage nach Fachmarktzentren gestiegen. Im Moment bietet die CEE-Region die attraktivsten Renditen und Preise im Einzelhandel.

Wie wurde das Fachmarktzentrum-Format auf die spezifischen Bedürfnisse der CEE-Märkte zugeschnitten und gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Ländern?

Grüll: STOP SHOP ist unsere Marke für Fachmarktzentren in Zentral- und Osteuropa. Sie befindet sich in Einzugsgebieten von 30.000 bis 150.000 Einwohnern und bietet ein breites Sortiment mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Wir kooperieren mit bekannten Einzelhandelsmarken und bieten ideale Verkehrsanbindungen sowie umfangreiche Parkmöglichkeiten. Unsere Fachmarktzentren konzentrieren sich auf preisbewusste 'Smart Shopper', die eine gute Erreichbarkeit und gerade in der heutigen Zeit einen direkten Zugang zu den Geschäften von den Parkplätzen aus schätzen, was eine geringere Anzahl von Kontaktpunkten zu anderen Personen ermöglicht. Unser Konzept ist darauf ausgelegt, in mehreren Ländern zu funktionieren und hat sich auch in Zeiten einer Pandemie als stabil erwiesen. Deshalb planen wir, unser STOP SHOP-Fachmarktportfolio kontinuierlich zu erweitern. Mittelfristig planen wir eine Aufstockung auf 140 STOP SHOP-Standorte. Dabei haben wir unsere Märkte in CEE und in Südosteuropa sowie in Österreich und selektiv den Markteintritt in weiteren westeuropäischen Staaten im Visier.

Wie sehen Sie die Zukunft der Fachmarktzentren nach dem Abklingen der aktuellen Gesundheitskrise?

Grüll: Wir haben gesehen, dass sich Fachmarktzentren als krisenresistent erwiesen haben und wir glauben, dass dieses Format eine solide Zukunft hat. Ein Trend ist der Aufstieg des E-Commerce und die Veränderung des Verbraucherverhaltens. Deshalb haben wir ein Pilotprojekt gestartet, um einen Kanal für die digitale Kundenkommunikation zu etablieren. Wir nennen die neue App 'STOP SHOP Wallet'. Sie ermöglicht Kunden den Zugang zu Sonderaktionen ihrer Lieblingsmarken direkt auf ihrem Mobiltelefon. Natürlich kommt dieses Tool auch unseren Mietern als digitales Verkaufs- und Marketinginstrument zugute. Die Verbraucher sind online und wir müssen sie dort abholen wo sie sind.

Auch die Themen Nachhaltigkeit und Produktherkunft werden eine Rolle spielen, denn die Verbraucher legen immer mehr Wert auf regionale Herkunft. Dieser Trend hat sich auch durch die Verknappung bestimmter Produkte aus z.B. Asien während der Corona-Krise verstärkt.
Und es gibt einen konstanten Aspekt, der ein Trend im Verbraucherverhalten bleiben wird:
Das Bedürfnis nach Produktentdeckung und menschlicher Interaktion, die nur beim persönlichen Einkauf stattfindet.

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Immofinanz AG published this content on 25 May 2021 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 25 May 2021 19:58:00 UTC.