METZINGEN (dpa-AFX) - Der Modehersteller Hugo Boss leidet unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Geschlossene Läden und eine allgemeine Kaufzurückhaltung der Kunden machen dem Unternehmen derzeit das Leben schwer. Bereits vor der Krise lief bei dem vor allem für seine Anzüge bekannten Unternehmen aus dem schwäbischen Metzingen viel schief. Und mitten in all den Wirren muss sich Hugo Boss nun auch noch einen neuen Chef suchen. Mark Langer geht überraschend Ende September. Was beim Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

LAGE BEI HUGO BOSS:

Die Ausbreitung des Coronavirus macht Hugo Boss erheblich zu schaffen. Bereits zu Jahresbeginn verzeichnete der Konzern in China, Hongkong und anderen asiatischen Ländern erhebliche Geschäftsrückgänge. Die Chinesen hatten als erste weitreichende Schließungsmaßnahmen verfügt, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Im für Hugo Boss wichtigen chinesischen Markt waren zeitweise mehr als die Hälfte der rund 150 eigenen Verkaufspunkte auf dem Festland, in Hongkong und in Macau geschlossen. In den restlichen Läden waren die Öffnungszeiten stark eingeschränkt.

Anfang März hatte sich Konzernchef Mark Langer noch zuversichtlich gezeigt, dass sich die Lage im zweiten Halbjahr normalisiert - doch die rasche globale Ausbreitung von Corona dürfte diese Hoffnung zunichte gemacht haben. Seit Mitte März steht die Welt zu großen Teilen still. Insbesondere in Europa wurde die Wirtschaft in großem Umfang stillgelegt und Läden geschlossen. Und gerade Europa ist immer noch der wichtigste Markt für den Bekleidungshersteller, der vom stationären Handel abhängig ist. Zwar kündigte Langer an, den Online-Handel ausbauen zu wollen. Doch dieser macht derzeit nur einen Bruchteil des Umsatzes aus, was sich auf absehbare Zeit nicht groß ändern wird. So lagen die Erlöse im E-Commerce 2019 bei gerade mal 151 Millionen Euro - bei einem Gesamtumsatz von knapp 3 Milliarden Euro.

Den Ausblick kassierte Hugo Boss bereits ebenso wie die Dividende für 2019. Dabei waren die Aussichten ohnehin wenig berauschend: So war der Konzern ohnehin selbst im besten Fall nur von einem Umsatzplus auf währungsbereinigter Basis von 2 Prozent ausgegangen und hatte im schlimmsten Fall sogar einen Rückgang des operativen Gewinns (Ebit) in Aussicht gestellt.

Am 5. Mai berichtet Hugo Boss über das erste Quartal und wird das bisherige Ausmaß der Misere darlegen. Da der Shutdown in Europa jedoch erst Mitte März begann, und Nordamerika noch etwas später folgte, dürfte sich der Einbruch des Geschäfts in diesen Regionen erst richtig im zweiten Quartal zeigen. Dagegen kehrt China wieder langsam zur Normalität zurück.

Mitten in der Krise geht Langer nun von Bord. Ende März kündigte Hugo Boss seinen Rückzug per Ende September an - ohne einen Nachfolger zu benennen. Auch wurden Gründe nicht genannt. Allerdings wurde in der Presse zuvor über Spannungen mit dem Aufsichtsrat spekuliert. Langers Bilanz ist denn auch durchwachsen. Der Manager war 2016 angetreten, um Hugo Boss wieder auf Erfolgskurs zu bringen. So war das MDax-Unternehmen durch eine zu schnelle Expansion und eine verfehlte Markenstrategie in die Bredouille geraten.

Langer richtete Boss Schritt für Schritt neu aus. Unrentable Läden wurden geschlossen, die Rabatte eingedampft, die Preise angeglichen und an den Marken gefeilt. Zudem setzt Hugo Boss mehr und mehr auf Digitalisierung. Der Umbau und die stärkere Ausrichtung auf das Internet kosten jedoch viel Geld. Die viel beschworene Erholung kam nicht. Im vergangenen Jahr musste der Konzern sogar zweimal seine Prognose senken. Anhaltende Probleme im US-Geschäft, in dem sich viele Händler Rabattschlachten liefern sowie eine wegbrechende Nachfrage wegen der politischen Unruhen in Hongkong machten Hugo Boss im vergangenen Jahr einen Strich durch die Rechnung. Eigentlich hatte Langer nun den Schalter umlegen und zu alter Stärke zurückkehren wollen. Doch die Pandemie macht ihm dabei einen Strich durch die Rechnung.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Analysten haben das erste Halbjahr weitgehend abgeschrieben. Zwar deuteten die bisherigen Quartalsberichte europäischer Luxusgüterhersteller auf eine Erholung in Festlandchina hin, schrieb Goldman-Sachs-Analystin Louise Singlehurst jüngst in einer Studie. Es sei allerdings mit großen Unterschieden bei den einzelnen Unternehmen zu rechnen. Im zweiten Quartal dürften die Geschäfte darüber hinaus wegen des wegfallenden Tourismus besonders schwach ausfallen, womit in dem Zeitraum der Tiefpunkt erreicht werden sollte. Sollte die Erholung bei Hugo Boss insgesamt länger dauern, könnte sich das möglicherweise belastend auf den Barmittelzufluss auswirken.

Marion Cohet Boucheron vom Investmenthaus Mainfirst erwartet für die Luxusgüterhersteller im besten Fall ein Umsatzrückgang um 15 Prozent, im schlimmsten Fall um 25 Prozent in diesem Jahr. Ihre Erwartungen für den Gewinn je Aktie von 2020 bis 2022 habe sie für den Sektor um 30 Prozent gesenkt.

RBC-Analyst Piral Dadhania glaubt, dass der Tourismus insgesamt auf einem niedrigeren Niveau bleiben werde, wodurch weniger Reisende Geld für Luxusartikel ausgeben werden. Überhaupt dürften die Menschen dazu übergehen, mehr in persönliche Erlebnisse zu investieren anstatt in Sachgüter. Für Hugo Boss prognostiziert der Experte im ersten Quartal einen Umsatzrückgang von 17 Prozent.

Auch Jörg Frey von Warburg Research sieht derzeit nicht allzu viel Grund zur Hoffnung. Die Corona-Krise dürfte voll durchschlagen, schätzt er. Aufgrund des unerwartet langen Shutdowns senkte er seine Schätzungen weiter. Er blieb jedoch bei einer Kaufempfehlung in Erwartung einer starken Erholung 2021.

Auch das Analysehaus Jefferies stuft die Aktie weiter mit "Buy" ein. Wegen der Corona-Krise dürfte der Umsatz des Modekonzerns um etwas mehr als ein Viertel eingebrochen sein sowie vor Steuern und Zinsen ein Verlust von 32 Millionen Euro angefallen, erwartet Analystin Kathryn Parker. Sie sieht dabei jedoch auch Positives: Der Konzern werde angesichts der komfortablen Verschuldungslage das herausfordernde Jahr 2020 gut meistern, meint sie.

Melanie Flouquet von der US-Bank JPMorgan geht im ersten Quartal von einem Umsatzrückgang von knapp einem Fünftel aus. Im Großhandel würden derzeit Aufträge gestrichen und die Lager nur zögerlich aufgestockt, so die Expertin. Beim operativen Ergebnis (Ebit) rechnet Flouquet nun mit einem Verlust von 25 Millionen Euro. Zudem geht sie nicht davon aus, dass Hugo Boss eine Dividende zahlen wird.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Aktionäre von Hugo Boss sind leidgeprüft. An der guten Entwicklung an den Aktienmärkten 2019 nahmen sie nicht teil, das Papier gehörte bereits da zu den Schlusslichtern im MDax. Seit Ende Februar 2020 ging es dann nochmals rasant bergab, im sogenannten Corona-Chrash fiel das Papier unter die Marke von 20 Euro und damit auf den tiefsten Wert seit 2009. Das Minus allein im Corona-Crash: bis zu rund 56 Prozent.

Seit dem Tief hat sich die Aktie zwar etwas erholt. Derzeit kostet sie um die 25 Euro, was jedoch immer noch weit von alten Glanzzeiten entfernt ist. Zum Vergleich: Vor rund fünf Jahren hatte die Aktie in ihren Hochzeiten noch etwa 120 Euro gekostet. Die Marktkapitalisierung beläuft sich derzeit auf nicht einmal mehr 2 Milliarden Euro - was weniger ist als der Jahresumsatz im vergangenen Jahr.

Der Bekleidungshersteller ist damit an der Börse nur noch Leichtgewicht. Von den 60 MDax-Werten sind derzeit nur vier weniger wert - vor fünf Jahren war das noch ganz anders. Da spielte Hugo Boss in dieser Rangliste noch weit oben mit. Aber immerhin geht es dem Unternehmen damit besser als anderen deutschen Modeherstellern wie zum Beispiel Gerry Weber.

Dieser war auch mal im MDax notiert und ist nach einer Insolvenz inzwischen bei Finanzinvestoren gelandet und vom Kurszettel verschwunden./nas/zb/mis