ESSEN (dpa-AFX) - Gemeinsam mit der Konzernmutter ACS und der italienischen Atlantia steckt der deutsche Baukonzern Hochtief derzeit mitten in der Übernahme des spanischen Autobahnbetreibers Abertis. Allerdings wirft das Brückenunglück in Genua Schatten auf den Deal, denn der Betreiber des Bauwerks gehört zum Großteil zu Atlantia. Die wichtigsten Punkte für das Unternehmen, was die Experten sagen und wie es für die Aktie läuft:

DAS IST LOS BEI HOCHTIEF:

Bei der Akquisition von Abertis läuft bislang eigentlich alles nach Plan. Der Essener Traditionskonzern Hochtief übernahm bei dem insgesamt mehr als 18 Milliarden Euro schweren Deal die Anteile an Abertis; das Unternehmen ist in Spanien bereits von der Börse genommen. Sobald die noch fehlenden Genehmigungen vorliegen, wird Hochtief Abertis in ein Gemeinschaftsunternehmen mit ACS und Atlantia einbringen.

Das zur Modedynastie Benetton gehörende italienische Unternehmen Atlantia soll dann 50 Prozent plus eine Aktie an dem Gemeinschaftsunternehmen halten, ACS 30 Prozent und Hochtief 20 Prozent minus eine Aktie. Zudem soll der bisherige Konkurrent Atlantia bei Hochtief als neuer Großaktionär einsteigen. Eigentlich waren die Konzerne beim Kampf um Abertis Gegner, hatten sich dann aber im März auf einen gemeinsamen Einstieg geeinigt und so eine drohende Bieterschlacht vermieden. Abertis betreibt in 14 Ländern Mautstraßen mit einer Länge von 8400 Kilometern und gilt als hochprofitabel.

Atlantia steht indes seit dem Brückeneinsturz in Genua massiv unter Druck. Der Betreiber der Brücke in Genua, Autostrade per l'Italia, gehört zum Großteil zu Atlantia. Italienische Regierungsmitglieder machen Autostrade für die Katastrophe verantwortlich, deren Einsturz 43 Menschen das Leben kostete, und wollen der Atlantia-Tochter die Straßenbetriebslizenz entziehen.

Atlantia wehrt sich gegen eine Verstaatlichung des Autobahnbetreibers. Autostrade sei die wichtigste Beteiligung des Unternehmens, sagte Unternehmenschef Giovanni Castellucci jüngst. Eine Verstaatlichung wäre ein Schritt zurück in die Vergangenheit. Allerdings schloss er eine Zusammenarbeit mit staatlich kontrollierten Fonds wie der Bank Cassa Depositi e Prestiti nicht aus. Zuvor hatte das Unternehmen bereits gewarnt: Ein Lizenzentzug könnte trotz einer Ausgleichszahlung ernsthafte Folgen für die Aktionäre und Anleihebesitzer von Atlantia haben.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Einige Experten gehen davon aus, dass sich für Hochtief und ACS bei der Abertis-Übernahme trotz der Probleme von Atlantia nichts ändern wird. Atlantia werde wie geplant, die Mehrheit an Abertis übernehmen und bei Hochtief als Großaktionär einsteigen, hieß es. Allerdings werde Atlantia zukünftig mehr in die Sanierung von Autobahnen und Brücken stecken müssen. Eventuell werde dann auch Abertis mehr investieren müssen. Dies könnte für Abertis weniger Gewinn sowie niedrigere Dividenden für Hochtief und deren spanische Mutter bedeuten.

Commerzbank-Analyst Norbert Kretlow erwartet, dass die zunehmende Ungewissheit über die geplante Übernahme die Hochtief-Aktie zunächst belasten dürfte. Deshalb reduzierte er sein Kursziel für die Hochtief-Aktie von 155 auf 150 Euro und ließ die Einstufung auf "Hold".

Von den neun im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten raten zwei zum Kauf und sieben zum Halten der Papiere. Keiner rät dazu, sich von den Papieren zu trennen. Das durchschnittliche Kursziel lautet 158 Euro.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Der Kampf um Abertis hatte lange den Kurs der Hochtief-Aktie dominiert, die Einigung zwischen den Unternehmen hatte dem Papier dann im März einen Kurssprung beschert. Danach ging es weiter aufwärts, allerdings blieb das Papier schwankungsanfällig. Nach dem Brückeneinsturz in Genua Mitte August ging die Hochtief-Aktie auf Talfahrt. In wenigen Tagen fiel der Anteilsschein bis auf 137,20 Euro und verlor damit fast zehn Prozent an Wert. Seitdem hat sich die Aktie kaum erholt. Bis zum Rekordhoch von 174 Euro aus dem Mai 2017 fehlen derzeit rund 25 Prozent./mne/tav/mis