Von Carol Ryan

NEW YORK (Dow Jones)--Die Modewelt könnte dem Planeten durch weniger Produktion tatsächlich einen Dienst erweisen. Aber bekannte Marken scheinen immer noch der Überzeugung verhaftet, dass die Umsätze wie gewohnt zulegen und zulegen können.

Zwar beginnen die globalen Modeketten, über eine radikale Umgestaltung des Bekleidungsgeschäfts zu sprechen. Die Vorstandsvorsitzende von Hennes & Mauritz, Helena Helmersson, sagte vergangenen Monat zum Beispiel, dass es einen "anderen Ansatz geben muss, wie Mode entworfen, hergestellt und verwendet wird". Ähnlich hört es sich beim Chef von Zalando - Europas größtem Online-Kleiderhändler - an. Er bekräftigte kürzlich in einem Interview, dass die "Fast Fashion" - bei der Kleidung in großen Mengen billig hergestellt und verkauft wird, um dann nach ein paar Mal Tragen entsorgt zu werden - innerhalb eines Jahrzehnts abgeschafft gehört.


   Modeketten wollen Umsatz auf Kosten der Umwelt weiter in die Höhe treiben 

Zalando selbst plant jedoch eine Verdreifachung des Umsatzes bis 2025. H&M will seinen Umsatz langfristig um 10 bis 15 Prozent pro Jahr steigern. Da das Unternehmen keine Preiserhöhungen angekündigt hat, wird das Wachstum wahrscheinlich durch höhere Mengen an Kleidung erzielt. Primark, ein Billiganbieter, der jährlich mehr als eine Milliarde Artikel verkauft, möchte seine Produkte umweltfreundlicher gestalten, ohne von den Verbrauchern mehr zu verlangen. Die Modebranche hat bereits ein großes Abfallproblem. Einem UBS-Bericht zufolge werden jedes Jahr rund 100 Milliarden Kleidungsstücke hergestellt, von denen mehr als 50 Milliarden innerhalb von zwölf Monaten nach dem Kauf verbrannt oder auf Deponien entsorgt werden. Um dieses Problem zu lösen, wollen die Marken "zirkulärer" arbeiten. Das bedeutet: Jeder Teil der Mode-Lieferkette kommt auf den Prüfstand und muss verändert werden.

Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Rohstoffen. Die Marken versuchen, die Menge an neuen Materialien zu reduzieren, die zur Herstellung von aus Erdöl gewonnenen Stoffen wie Polyester verwendet werden. Um nachhaltig zu sein, muss die Gewinnung dieser Ausgangsstoffe laut Textile Exchange von heute 3 Prozent auf 1 Prozent pro Jahr gesenkt werden. Das wird teuer. Der Spotpreis für den Hauptbestandteil von recyceltem Polyester, recyceltes PET, hat sich dieses Jahr in Europa fast verdoppelt, wie Daten von S&P Global zeigen. Das wiederum ist ein Grund, warum Primark bei der Umstellung auf nachhaltigere Materialien höhere Rohstoffkosten erwartet.


   Probleme beim Recycling von gemischten Fasern 

Auch die Recyclingquoten für Kleidung müssen schnell nach oben geschraubt werden. Heute wandeln die Hersteller weniger als 1 Prozent der gebrauchten Kleidungsstücke in neue um. Noch ist die derzeitige Technologie nicht in der Lage, gemischte Fasern wie Polyestermischungen zu sortieren und aufzubereiten. Die Kleidung muss anders gestaltet werden, um sicherzustellen, dass sie am Ende ihres Lebens recycelt werden kann. Derweil ist zu allem Übel auch noch die Infrastruktur zum Sammeln von Kleidungsstücken unterentwickelt, auch wenn die Marken sich mit Verbesserungen abmühen. Von den 450.000 Tonnen Waren, die der Eigentümer von Zara, Inditex, im Jahr 2020 auf den Markt gebracht hat - eines der wenigen großen Modeunternehmen, das offenlegt, wie viel es mengenmäßig verkauft - nahm er nur 3 Prozent von den Käufern zurück.

Eine der schnellsten Möglichkeiten, den Kohlenstoffausstoß der Modeindustrie zu verringern, wäre es, die Käufer zu ermutigen, ihre vorhandenen Kleidungsstücke häufiger zu tragen. Wenn ein Kleidungsstück doppelt so oft getragen würde, könnten die Emissionen des Sektors um 44 Prozent gesenkt werden, rechnet die Ellen-MacArthur-Stiftung vorher. Eine Handvoll Bekleidungsunternehmen ermuntert die Kunden dazu, ihre Garderobe nicht ständig zu erneuern. Darunter fallen die im April dieses Jahres gestartete Kampagne "Buy Better, Wear Longer" von Levi oder die Anzeige "Buy Less, Demand More" von Patagonia.


   Konzerne tüfteln an der Quadratur des Kreises 

Wenn die Kunden dabei mitmachen, könnte es für die großen Modemarken schwierig werden, ihre Wachstumsziele zu erreichen, da sie sich weigern, die Preise zu erhöhen. Zalando, Primark und Inditex versuchen sich an der Quadratur des Kreises, indem sie sagen, dass sie Marktanteile von weniger nachhaltigen Wettbewerbern übernehmen werden. Dies wird eine Herausforderung sein, insbesondere für sehr billige Marken wie Primark, die in den Köpfen der Verbraucher mit Wegwerfmode verbunden sind.

Investoren schauen sich nach nachhaltigen Alternativen zu den großen Ketten um, haben aber noch nicht das perfekte Gegenstück gefunden. Die Marktdebüts von Unternehmen, die sich auf den Verkauf von Secondhand-Kleidung oder den Verleih von Mode spezialisiert haben, waren enttäuschend. Aktien des Gebraucht-Modehändlers Poshmark sind gegenüber ihrem Erstnotiz-Börsenkurs um mehr als 40 Prozent gefallen.


   H&M mit eigener Plattform für Wiederverkauf seiner Produkte 

Diese kürzlich an die Börse gebrachten Unternehmen erzielen aber immer noch einen Bewertungsaufschlag. Die Aktie von Poshmark wird mit dem 4,6-fachen des erwarteten Umsatzes gehandelt, die des Konkurrenten Thredup mit dem 6,4-fachen. Zwar sind die Geschäftsmodelle nicht immer vergleichbar, aber das ist viel mehr als bei Marken der alten Schule wie Levi's und H&M, die mit weniger als dem Zweifachen gehandelt werden, und bei reinen Online-Fast-Fashion-Händlern wie Zalando und ASOS. Investoren könnten Unternehmen, die nicht auf neue Produktion angewiesen sind, als besser auf die Verbrauchertrends abgestimmt und daher weniger riskant ansehen.

Große Marken führen konkurrierende Plattformen ein, auf denen ihre eigenen Kleidungsstücke weiterverkauft werden können, wie etwa COS Resell von H&M, und sie bieten spezielle nachhaltige Kollektionen an. Diese machen jedoch nur eine Minderheit des Gesamtumsatzes aus. Größer und gleichzeitig grüner zu werden, dürfte schwer zu bewerkstelligen sein.

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November 05, 2021 10:27 ET (14:27 GMT)