Von Nathaniel Taplin

PEKING (Dow Jones)--In einer Woche voller schockierender Bilder für die Modewelt war eines der fesselndsten das Spektakel chinesischer Modemarken. Sie posaunten - für viele Westler verstörend - in der vergangenen Woche lautstark ihre Unterstützung für Xinjiang-Baumwolle als Zeichen des Stolzes heraus. Westliche Marken wie Nike und H&M müssen als Zielschiebe des chinesischen nationalistischen Zorns herhalten. Sie haben sich entschieden, keine Baumwolle aus Chinas Xinjiang-Region zu verwenden, wo die Regierung des Missbrauchs beschuldigt wird, einschließlich Zwangsarbeit und der groß angelegten Internierung der Uiguren. Chinesische Marken wie Anta und Metersbonwe, die eine gegenteilige Haltung eingenommen haben, verzeichneten derweil einen sprunghaften Anstieg ihrer Aktienkurse.

Eine neue Entkopplung der Verbraucher zwischen China und dem Westen - weniger durch Sicherheitsbedenken als durch Werte und Nationalismus getrieben - hat möglicherweise begonnen. Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass nicht-chinesische Mode- und Sportmarken im Moment am meisten zu verlieren haben, egal was sie tun.

China war im vergangenen Jahr ein Lichtblick für den US-Hersteller Nike. Der Umsatz in Gesamtchina stieg für Nike im Quartal, das im Februar endete, um 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, während er in Nordamerika um 11 Prozent einbrach. Fast jede große internationale Modemarke möchte ein Stück vom wachsenden chinesischen Markt abhaben. Aber es könnte sich als unmöglich erweisen, den politischen Graben über Xinjiang erfolgreich zu überwinden, ohne die zunehmend sozial bewussten Verbraucher und Investoren in der Heimat zu verärgern. Das gilt insbesondere in Hinblick auf die Olympischen Winterspiele in Peking im Februar 2022.

Langfristig gesehen besteht für chinesische Marken jedoch auch ein großes Risiko. Wie bei so vielen Entscheidungen Pekings in den vergangenen zwei Jahren scheint das Kalkül zu sein, dass Chinas Binnenmarkt bald so groß und dynamisch sein wird, dass der Rest der Welt keine Rolle mehr spielt. Nach dieser Denkweise können es sich chinesische Tech-Firmen wie Huawei und der Tiktok-Eigentümer Bytedance leisten, Indien zu verlieren oder den Westen zu entfremden, da sie zu Hause florieren.

Wenn umgekehrt chinesische Modeunternehmen in Zukunft Schwierigkeiten haben, im Ausland Fuß zu fassen oder internationale Spitzensportler und Prominente zu umwerben, gilt das als hinnehmbarer Preis. Es steht die Entrüstung des Westens über ethnische Internierungslager dem Eindruck eines womöglich erfolgreichen ausländischen Drucks auf die Werte gegenüber.

Selbst wenn man annimmt, dass eine solche Zweiteilung möglich oder wünschenswert ist, enden die Risiken für chinesische Marken nicht wirklich dort - insbesondere für jene, die sich als dauerhafte Alternative zu bekannten Namen wie Nike oder Louis Vuitton sehen. Viele US-Bürger blicken heute auf ähnliche Episoden in ihrer Geschichte zurück - wie die japanischen Internierungslager während des Zweiten Weltkriegs oder die Vertreibungen der Indianer - mit einem Gefühl tiefer Scham und Abscheu. Alle chinesischen Marken, die lange genug leben, um einen ähnlichen Stimmungswandel in China mitzuerleben, könnten feststellen, dass Xinjiang-Baumwolle für ihre Kunden - oder die Kinder ihrer Kunden - in Zukunft eine ganz andere Bedeutung hat.

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April 09, 2021 03:08 ET (07:08 GMT)