Zürich (awp) - Im Streit zwischen Versicherungen und ihren von der Corona-Pandemie betroffenen Kunden um Deckungsausschlüsse bei Epidemieversicherungen schaltet sich nun auch der Ombudsman der Privatversicherung ein. Ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten bezeichnet verschiedene solcher Ausschlussklauseln als "ungewöhnlich" oder "unklar".

Mit dem Gutachten des Luzerner Rechtsprofessors Walter Fellmann wolle er den Weg für gütliche Lösungen zwischen Versicherten und den Versicherungsgesellschaften lösen, erklärte der Ombudsman der Privatversicherung und Suva, Martin Lorenzon, am Freitag an einer online abgehaltenen Medienkonferenz. Ohne gütliche Lösungen müssten aber letztlich die Gerichte entscheiden, ob strittige Deckungsablehnungen im Einzelfall zulässig seien oder nicht.

Seit der vom Bundesrat verfügten Stillegung Mitte März sind bei der Ombudsstelle rund 400 Anfragen von Versicherten eingegangen. Die betroffenen Kunden, darunter etwa viele Gastronomie-Betriebe, verfügen zwar über eine Epidemieversicherung. Dennoch haben sie unter Berufung auf die Haftungsausschlüsse bei Pandemien keine Entschädigung für den Betriebsunterbruch erhalten.

WHO-Feststellungen nicht klar

Besonders kritisiert werden in dem Rechtsgutachten Vertragsklauseln, welche sich auf die Feststellung einer Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation WHO beziehen. Die Feststellung einer Pandemie durch die WHO habe in der Schweiz keine rechtlichen Auswirkungen, betonte Rechtsprofessor Fellmann an der Medienkonferenz. "Die WHO-Phasen haben in erster Linie globale Bedeutung und sind nicht automatisch Auslöser für Massnahmen in der Schweiz."

Nicht nachvollziehbar sind für ihn auch Klauseln, die Leistungen von der Ursache der Epidemie in der Schweiz abhängig machen. Ob die Räder in der Schweiz nun aufgrund eines "einheimischen Erregers" oder infolge der Einschleppung eines "ausländischen Erregers" stillstünden, könne in Bezug auf die aus einem Betriebsunterbruch entstehenden Kosten keine Bedeutung haben.

Generell dürfte gemäss Fellmann zwar der Ausschluss von "Epidemien und Pandemien" von der Deckung gültig sein. Dagegen erweise sich der Ausschluss von Schäden "infolge Krankheitserregern, für welche national oder international die WHO-Pandemiestufen 5 oder 6 gelten" als "ungewöhnlich": Bei einer Globalübernahme der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) werde er damit nicht Bestandteil des Versicherungsvertrags, so der Experte.

Vermittlungsgespräche im Gang

Er habe auf Basis des Gutachtens bereits Vermittlungsgespräche geführt, die teilweise noch im Gange seien, sagte Lorenzon. Dabei spreche er mit den Versicherern einzeln, da auch die Versicherungsprodukte unterschiedlich seien. Er sei aber der Meinung, dass man angesichts der Lage den betroffenen KMU nun "zeitnah" helfen sollte.

Dass Prozesse völlig vermieden werden könnten, glaube er allerdings nicht, räumte der Ombudsman ein. Die bisherigen Verhandlungen hätten auch gezeigt, dass die Rechtsfragen unter Juristen nach wie vor sehr umstritten seien. "Ich selber kann mir nicht anmassen, was das Bundesgericht einmal entscheiden wird."

Gastrosuisse erfreut

Erfreut über das Gutachten zeigte sich am Freitag auch der Branchenverband Gastrosuisse. Er sieht sich damit bei seinem eigenen Gutachten einer renommierten Anwaltskanzlei bestätigt. Der Verband weist dabei darauf hin, dass sich verschiedene Gesellschaften wie die Basler Versicherung, Esurance und Mobiliar bereit erklärt hätten, nach der behördlich angeordneten Schliessung der Restaurationsbetriebe für den durch das Coronavirus verursachten Schaden aufzukommen.

Ein "substanzielles Angebot" habe auch die Helvetia unterbreitet. Insbesondere AXA, Generali und TSM hätten sich aber bis vor kurzem ihrer Leistungspflicht noch "völlig entziehen" wollen. Von weiteren Versicherungen wie etwa der Zurich erwartet Gastrosuisse Nachbesserungen ihrer "bisherigen geringen Solidaritätsbeiträge".

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